Technische Störungen beim Broker während des Kurssturzes: Mögliche Haftung bei fehlgeschlagenen Verkaufsaufträgen
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Am heutigen Tag kam es an den internationalen Börsen zu erheblichen Kursverlusten. Zahlreiche Anleger versuchten, in dieser Situation ihre Wertpapierpositionen kurzfristig zu veräußern, um drohende Verluste zu begrenzen.
In vielen Fällen war dies jedoch nicht möglich: Insbesondere bei Neobrokern, aber auch bei etablierten Bankplattformen kam es zu technischen Ausfällen oder erheblichen Verzögerungen bei der Orderabwicklung. Verkaufsaufträge wurden nicht angenommen, nicht ausgeführt oder erst mit erheblicher Zeitverzögerung verarbeitet.
Diese Vorgänge werfen rechtliche Fragen auf. Unter welchen Voraussetzungen haften Broker und Banken für die infolge technischer Probleme nicht oder verspätet ausgeführten Wertpapierverkäufe?
Rechtliche Einordnung der Brokerleistung
Zwischen Anleger und Broker – unabhängig davon, ob es sich um eine klassische Bank oder einen digitalen Broker handelt – besteht ein Geschäftsbesorgungsvertrag mit dienstvertraglichem Charakter (§§ 675, 611 BGB). Der Broker schuldet dem Kunden insbesondere die ordnungsgemäße Ausführung der ihm erteilten Wertpapieraufträge.
Dazu gehört auch, dass er die erforderliche technische Infrastruktur zur Verfügung stellt, um Handelsaufträge innerhalb üblicher Fristen bearbeiten zu können. Zwar ist keine hundertprozentige Systemverfügbarkeit geschuldet; der Broker muss jedoch sicherstellen, dass seine Systeme dem zu erwartenden Nutzeraufkommen in typischen Marktsituationen – insbesondere bei hoher Volatilität – standhalten.
Technikbedingte Verzögerungen und Ausfälle als Haftungsgrundlage
Technische Ausfälle oder Überlastungen können grundsätzlich zu einer Schadensersatzpflicht des Brokers führen. Dabei sind verschiedene Konstellationen denkbar:
- Nichtausführung trotz Zugang des Auftrags: Geht ein Verkaufsauftrag ordnungsgemäß bei der Plattform ein, wird jedoch aufgrund technischer Probleme nicht oder verspätet ausgeführt, liegt ein Verstoß gegen die Vertragspflichten des Brokers vor. In diesem Fall kann ein Anspruch auf Ersatz des Differenzschadens zwischen dem Zielverkaufskurs und dem tatsächlich erzielten oder nicht mehr realisierbaren Kurs bestehen.
- Scheitern des Zugangs aufgrund technischer Probleme: Wenn der Auftrag aufgrund technischer Probleme auf Seiten des Brokers gar nicht erst entgegengenommen werden kann – etwa weil sich der Nutzer nicht einloggen kann oder das Orderformular nicht geladen wird –, kommt eine Haftung in Betracht, wenn dem Broker ein Verschulden an der technischen Störung anzulasten ist (z. B. unzureichende Serverkapazitäten, fehlende Lasttests, mangelnde Vorkehrungen zur Ausfallsicherheit).
- Unzureichende Aufklärung oder missverständliche AGB-Klauseln: Häufig verweisen Broker in ihren Allgemeinen Geschäftsbedingungen auf mögliche technische Ausfälle. Solche Klauseln schützen jedoch nur in begrenztem Umfang. Sie dürfen insbesondere nicht überraschend sein oder den Kunden unangemessen benachteiligen (§ 307 BGB).
Anlegerrechte in der Rechtsprechung
Die Gerichte haben sich bereits in mehreren Fällen mit ähnlichen Problemlagen beschäftigt. Dabei wurde die Verantwortung der Broker tendenziell eher betont. So wurde etwa festgestellt, dass ein Broker auch bei plötzlichen Marktbewegungen dafür sorgen muss, dass seine Systeme funktionsfähig bleiben und Kundenaufträge zeitnah bearbeitet werden.
Insbesondere die Erwartung von Privatanlegern, dass eine Handelsplattform auch bei erhöhter Nutzung funktionsfähig bleibt, gilt als schutzwürdig. Broker, die mit einfacher Bedienung, günstigen Konditionen und schnellem Handel werben, müssen sicherstellen, dass diese Leistungen auch in volatilen Marktphasen erbracht werden können.
Beweissicherung und erste Schritte für Betroffene
Betroffene Anleger sollten umgehend tätig werden, um mögliche Ersatzansprüche durchsetzen zu können. Folgende Maßnahmen sind dabei empfehlenswert:
- Dokumentation des Geschehensablaufs: Notieren Sie, zu welchem Zeitpunkt Sie den Verkaufsauftrag erteilen wollten, was konkret geschehen ist (z. B. Fehlermeldung, Ladeprobleme, Absturz der App) und zu welchem Kurs Sie den Verkauf beabsichtigt hatten.
- Sicherung technischer Nachweise: Screenshots, E-Mails, Push-Mitteilungen und Protokolle aus der App oder dem Online-Banking können als Beweismittel dienen.
- Kontaktaufnahme mit dem Broker: Fragen Sie konkret an, ob Ihr Auftrag eingegangen ist und wie die technischen Probleme seitens des Anbieters eingeordnet werden.
- Rechtliche Prüfung durch einen spezialisierten Rechtsanwalt: Die Erfolgsaussichten hängen stark vom Einzelfall ab. Eine fundierte Prüfung kann klären, ob Schadensersatzansprüche realistisch durchsetzbar sind.
Fazit
Technische Überlastungen bei digitalen Handelsplattformen sind keine Seltenheit – doch sie entbinden Broker nicht automatisch von ihrer Verantwortung. Anleger haben einen Anspruch auf ordnungsgemäße Ausführung ihrer Aufträge, auch bei hoher Marktdynamik.
Wenn diese Pflicht aufgrund technischer Mängel verletzt wird, besteht unter bestimmten Voraussetzungen ein Anspruch auf Ersatz des entstandenen Schadens.
Als Fachanwälte für Bank- und Kapitalmarktrecht mit mehr als 20-jähriger Erfahrung in der Durchsetzung von Anlegerrechten beraten wir Sie gerne zu den rechtlichen Möglichkeiten in Ihrem konkreten Fall.
Bitte zögern Sie nicht, sich bei uns zu melden, wenn Sie von den heutigen Ausfällen betroffen sind.
Dr. Daniel A. Borst
Rechtsanwalt und Fachanwalt für Bank- und Kapitalmarktrecht
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