Türkei plant radikale Beschränkungen für 1 MW lizenzfreie Solaranlagen
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1. Rechtliche Grundlage der lizenzfreien Solarstromerzeugung in der Türkei
Die Schwelle lizenzfreier Energieproduktion aus erneuerbaren Energiequellen zum Eigenbedarf wurde in der Türkei mit dem Energiemarktgesetz und der Verordnung über lizenzfreie Energieproduktion auf dem Energiemarkt im Jahr 2013 auf bis zu 1 MW erhöht. Gleichzeitig wurde eine staatliche Abnahmegarantie für überschüssig produzierte Energie zu einem Preis von 13,3 Cent USD/kW für die Dauer von 10 Jahren statuiert.
Diese Regelungen führten bei einer Großzahl von in- und ausländischen Investoren dazu, in aggressiver Weise in Projekte lizenzfreier Photovoltaikanlagen bis zu 1 MW in der Türkei zu investieren. In den letzten zwei Jahren wurden ca. 3.000 Anträge für lizenzfreie 1 MW Solarenergieanlagen gestellt. Derzeit sind Solarkraftwerke von ca. 200 MW an das Stromnetzwerk angeschlossen.
2. Geplante Beschränkungen der lizenzfreien Stromerzeugung in der Türkei
Nun wurde kürzlich der Erlass einer Verordnung zur Diskussion eröffnet, die für alle Beteiligten der Photovoltaikbranche in der Türkei radikale Änderungen vorsieht. Das Amt zur Regulierung der Energiemärkte Türkei (EPDK) hat am 26.11.2015 den Änderungsentwurf zu oben genannter Verordnung veröffentlicht und der Öffentlichkeit zur Stellungnahme eröffnet. Am 04.12.2015 ist die Frist zur Einreichung von Stellungnahmen abgelaufen.
Im Änderungsentwurf sind hauptsächlich Änderungen in drei Bereichen vorgesehen.
a. Die Begrenzung des Anschlusses auf 1 MW pro Person und Umspannungswerk (Trafo)
Die Begrenzung des Anschlusses auf 1 MW pro Person und Umspannungswerk bedeutet für Investoren, die ihre Anlagen gezielt mit höherer Kapazität errichtet haben, die Gefahr erheblicher Verluste. In der Praxis gibt es nahezu kein Projekt, das einen Anschluss für 1 MW pro Umspannungswerk vorsieht. Aus Rentabilitätsgründen werden grundsätzlich Projekte mit einer Kapazität von min. 5 MW geplant. Die jetzt einzuführende Regelung sieht vor, dass der Anschluss des über 1 MW hinausgehenden Teils an das Umspannungswerk unterbunden wird. Auch im Hinblick auf die neu zu etablierenden Projekte wird somit die Errichtung mit einer Gesamtkapazität über 1 MW verhindert.
Wenn diese Beschränkungen tatsächlich eingeführt werden, werden nicht nur Investoren einen Verlust erleiden. Gleichzeitig wird dies zu einer plötzlichen Stagnation auf dem Markt der lizenzfreien Photovoltaikanlagen in der Türkei führen. Diese Regelung hat nichts mit der Bereinigung des Marktes von Vermittlern und Maklern zu tun, was als Grund dieser Änderung deklariert wird. Dies stellt einen fehlerhaften Schritt dar, welcher die Entwicklung der erneuerbaren Energien in der Türkei erheblich beeinträchtigen wird. Wir hoffen, dass diese Änderung vollständig aus dem Entwurf gestrichen wird.
b. Übertragungsverbot von Anteilen an Projektgesellschaften
Das Verbot der Übertragung von Anteilen an Projektgesellschaften scheint tatsächlich dem in der Begründung angegebenen Zweck zu entsprechen, und zwar Mittelspersonen auszuschalten. Mittelspersonen, die Projektgesellschaften mit erteiltem Call Letter (Netzanschlusszusage) verkaufen, werden tatsächlich dieses Geschäftsmodell aufgrund dieses Verbotes in der Zeit vom Erhalt des Call Letters bis zur vorläufigen Abnahme nicht mehr anwenden können. Allerdings kann nicht erwartet werden, dass diese durch die Regelung vollständig eliminiert werden können. Es kann davon ausgegangen werden, dass mit Einführung dieser Regelung nicht mehr Projektgesellschaften sondern stattdessen Projektentwicklungs-Dienstleistungen verkauft werden.
c. Verbot lizenzfreier Produktion für Personen mit Verbindung zu Vertriebs- und Zulieferunternehmen
Das Verbot für Personen mit Verbindung zu Vertriebs- und Zulieferunternehmen, sich an Produktionsunternehmen direkt oder indirekt zu beteiligen oder in diesen als Führungsperson tätig zu werden, ist wiederum geeignet, etwaige Manipulationen zu unterbinden. Da jedoch Beziehungen dieser Art nicht transparent sind, wird die Beweisführung in dieser Hinsicht erschwert sein. Dennoch wird diese Regelung eine diesbezügliche Sensibilisierung mit sich bringen und ist somit als Fortschritt in positiver Richtung zu betrachten.
3. Fazit: Projekte vor dem Inkrafttreten der Verordnung in der Türkei erwerben
Die geplante Begrenzung des Anschlusses auf 1 MW pro Person und Umspannungswerk sowie das Übertragungsverbot für Anteile von Projektgesellschaften wird das Arbeitsmodell der Projektentwickler und Investoren in der Türkei vorerst vernichten. Aus diesem Grund müssen dringend Vorkehrungen durch Projektentwickler und Investoren für die zu erwartenden Umstände getroffen werden.
Für Projekte, die ihren Call Letter vor Inkrafttreten der neuen Regelung erhalten haben, werden die neu einzuführenden Beschränkungen unserer Meinung nach keine Geltung haben. Hiervon ausgehend wäre es nun von besonderer Bedeutung sich auf den Erhalt des Call Letters vor Inkrafttreten der neuen Regelung zu fokussieren. Gleichzeitig wird es angebracht sein, dass Investoren und Projektentwickler dringend vor Inkrafttreten der neuen Regelungen Projektgesellschaften mit erteiltem Call Letter erwerben.
Sollten die im Verordnungsentwurf vorgesehenen Einschränkungen tatsächlich eingeführt werden, werden Großinvestitionen auf dem Gebiet der 1 MW lizenzfreien Solarenergieanlagen auf einem Grundstück nicht mehr möglich sein. Es wird nicht ohne weiteres möglich sein, auf demselben Grundstück mehr als eine 1 MW Anlage zu errichten. Stattdessen wird ein neuer Standard von 1 MW Anschlüssen entstehen.
Im Ergebnis dieser Bemühungen wird der Markt für eine Vielzahl von Investoren weniger attraktiv scheinen. Voraussichtlich werden sich viele Entwickler und Investoren vorerst aus dem Markt zurückziehen oder ihre Investitionen auf ein bescheideneres Niveau senken.
Dr. Fatih Dogan
Rechtsanwalt | Partner
Falke law.tax
www.falke.com.tr
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