Unter 3,5 ng/ml THC und trotzdem MPU? § 11 Abs. 8 FeV wirklich anwendbar?
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Ein Beitrag von Michael Böhler, Rechtsanwalt und Fachanwalt für Verkehrsrecht, Konstanz
Die Cannabis-Legalisierung am 01.04.2024 war unvollständig und führte zu erheblicher Rechtsunsicherheit. Am 22.08.2024 ist der Grenzwert von 3,5 ng/mg THC Blutserum in Kraft getreten, ebenso weitere Regelungen, die sich auch auf die Zeit seit dem 01.04.2024 auswirken.
MPU trotz weniger als 3,5 ng/ml THC im Blutserum wegen § 11 Abs. 8 FeV?
In Nr. 9.2.1. der Anlage 4 zur FeV heißt es seit dem 22.08.2024:
„Das Führen von Fahrzeugen und ein Cannabiskonsum mit nicht fernliegender verkehrssicherheitsrelevanter Wirkung beim Führen eines Kraftfahrzeugs können nicht hinreichend sicher getrennt werden.“
Die Definition soll dem Umstand Rechnung tragen, dass es nach dem bisherigen Kenntnisstand der Wissenschaft unmöglich sei, einen THC-Grenzwert zu bilden, ab dem das sichere Fahren in der Regel nicht mehr vorliege. Die angepasste Definition von Cannabismissbrauch soll mit dem geplanten gesetzlichen Wirkungsgrenzwert von 3,5 ng/ml im Blutserum in § 24a StVG, also dem Wert im Bußgeldverfahren, korrespondieren. Ab dieser Schwelle sei eine verkehrssicherheitsrelevante Wirkung nicht fernliegend, aber deutlich unterhalb der Schwelle, ab welcher ein allgemeines Unfallrisiko beginne.
Einige Führerscheinstellen – gerade in Bayern – verlangen bei Taten vor dem 01.04.2024 bei Werten von 1,0 bis 3,5 ng/ml THC im Blutserum dann weiterhin eine MPU, wenn das vor der THC-Legalisierung angeforderte Gutachten nicht vorgelegt worden ist.
Zur Begründung wird § 11 Abs. 8 S. 1 FEV herangezogen. Dort heißt es:
„Weigert sich der Betroffene, sich untersuchen zu lassen, oder bringt er der Fahrerlaubnisbehörde das von ihr geforderte Gutachten nicht fristgerecht bei, darf sie bei ihrer Entscheidung auf die Nichteignung des Betroffenen schließen.“
Die Führerscheinstellen berufen sich dann darauf, dass geklärt werden müsse, ob ein Cannabismissbrauch vorgelegen habe und aufgrund der Nichtvorlage eines MPU-Gutachtens davon ausgegangen werde, dass ein Cannabismissbrauch im Sinne eines fehlenden Trennungsvermögens bestanden hat.
Dieses Vorgehen erscheint gerade bei Ersttätern mit einem Wert von unter 3,5 ng/ml THC im Blutserum eklatant rechtswidrig. Nach derzeit geltendem Recht würde ein Wert mit einem solchen Wert nicht einmal als Ordnungswidrigkeit verfolgt. Seit dem 01.04.2024 ist es nicht mehr erheblich, ob zwischen gelegentlichem Cannabis-Konsum und Teilnahme am motorisierten Verkehr getrennt werden kann. Von einem Missbrauch kann bei einem derart geringen Wert nicht die Rede sein.
Weil heute keine MPU mehr angeordnet werden dürfte, muss sich dies auch auf die Vergangenheit beziehen.
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Vor diesem Hintergrund empfiehlt es sich, Rechtsmittel einzulegen, wenn die Fahrerlaubnis bei einem Wert von unter 3,5 ng/ml THC im Blutserum nicht neu erteilt wird.
Als erfahrener Fachanwalt für Verkehrsrecht unterstütze ich Sie gerne dabei, Ihre Fahrerlaubnis zu erhalten bzw. wieder zu erlangen.
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