Unterhalt bei Wechselmodell: Wahlrecht zwischen Alleinentscheidungsbefugnis und Ergänzungspfleger
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Bei sorgeberechtigten Eltern ist es so geregelt, dass der Elternteil, bei dem sich das Kind hauptsächlich aufhält, gemäß § 1629 Absatz 2 Satz 2 BGB den Kindesunterhalt fordern kann. Normalerweise ist dies der Elternteil, bei dem das Kind den Großteil der Zeit verbringt, der das Kind also in Obhut hat. Dies trifft jedoch nicht auf das paritätische Wechselmodell zu, wo sich das Kind gleichmäßig bei den Eltern aufhält. In solchen Fällen stellt sich die Frage, wer die Unterhaltsansprüche für das Kind geltend machen darf. Eine Lösung kann sein, einem der Elternteile die alleinige Entscheidungsbefugnis zu erteilen oder einen Ergänzungspfleger zu benennen, der die Unterhaltsansprüche für das Kind geltend macht.
Das Oberlandesgericht Schleswig hat sich mit dieser Problematik auseinandergesetzt und dem betroffenen Elternteil hier ein echtes Wahlrecht eingeräumt.
Oberlandgericht Schleswig, Beschluss vom 21.11.2023 - 8 UF 161/23
Die Eltern leben seit 2014 getrennt voneinander und betreuen ihre Kinder im echten, also paritätischen Wechselmodell. Sie sind gemeinsam sorgeberechtigt. Der Vater arbeitet halbtags als Kameramann, die Mutter ist als Lehrerin in Teilzeit tätig. Der Vater hat nun von der Mutter Auskunft über ihre Einkünfte gefordert, um zu klären, ob er für die Kinder Unterhalt von der Mutter verlangen kann. Die Mutter lehnte jedoch jegliche Zahlungsverpflichtungen ab. Das Familiengericht entschied zunächst im einstweiligen Anordnungsverfahren, dass die Mutter an die Kinder, vertreten durch den Vater, monatlichen Unterhalt zahlen muss, der 50 % des Mindestunterhalts entspricht, abzüglich eines Teils des Kindergeldes. In einer mündlichen Verhandlung erklärte die Mutter, einen Ausgleichsanspruch in Höhe von 66 Euro zu akzeptieren.
Der Vater beantragte dann, die Kinder auch im Hauptsacheverfahren gegen die Mutter betreffend den rückständigen und den laufenden Unterhalt vertreten zu dürfen und ihm die entsprechende Befugnis einzuräumen. Der Vater meinte, die Mutter verdiene so viel mehr als er, dass diese Barunterhalt für die Kinder zu seinen Händen zahlen müsse. Er verdiene nämlich nur ca. 1.150,00 € netto, während die Mutter ca. 3.200,00 € netto verdiene
Die Mutter widersprach dem Antrag und argumentierte, aufgrund ihrer finanziellen Verhältnisse sei kein Unterhaltsanspruch gegen sie gerechtfertigt. Sie behauptet, der Vater komme seiner Erwerbsobliegenheit nicht nach, und Unterhaltsansprüche seit Mai 2021 seien verfallen beziehungsweeise. verwirkt. Sie beantragte hilfsweise, ihr das alleinige Sorgerecht für die Vertretung der Kinder in Unterhaltsangelegenheiten zu übertragen, oder alternativ, einen Ergänzungspfleger dafür zu bestellen.
Das Familiengericht entschied, ohne direkt auf die Anträge einzugehen, eine Ergänzungspflegschaft einzurichten und ernannte eine Fachanwältin für Familienrecht zur Ergänzungspflegerin. Dies sei dem Vorgehen, einem Elternteil die Entscheidungsbefugnis zu übertragen, vorzuziehen.
Gegen diese Entscheidung legte der Vater Berufung ein, mit dem Ziel, die Kinder auch im Hauptverfahren allein vertreten zu dürfen. Er argumentiert, es bestehe ein Wahlrecht zwischen einer gerichtlichen Entscheidung bei Meinungsverschiedenheiten der Eltern und der Anordnung einer Ergänzungspflegschaft.
Die Mutter legte ihrerseits ebenfalls Beschwerde gegen die Ergänzungspflegschaft ein, mit dem Ziel, die alleinige Vertretung der Kinder zu erlangen. Sie argumentiert, der Vater vertrete vorrangig seine eigenen Interessen und komme seiner Erwerbsobliegenheit nicht nach.
Wahlrecht - Alleinentscheidungsbefugnis oder Ergänzungspflegschaft bei Geltendmachung von Kindesunterhalt im Wechselmodell
II. Die Beschwerde des Vaters ist erfolgreich, die der Mutter wird größtenteils abgewiesen.
Können sich die Eltern in einer einzelnen Angelegenheit der elterlichen Sorge, deren Regelung für das Kind von erheblicher Bedeutung ist, nicht einigen, so kann das Familiengericht nach § 1628 Satz 1 BGB auf Antrag eines Elternteils die Entscheidung einem Elternteil übertragen. Nach § 1697a Abs. 1 BGB trifft das Gericht die Entscheidung, die unter Berücksichtigung der tatsächlichen Gegebenheiten und Möglichkeiten sowie der berechtigten Interessen der Beteiligten dem Wohl des Kindes am besten entspricht.
Dem Vater wird die Entscheidung über die Vertretung der Kinder in Unterhaltsangelegenheiten im Hauptverfahren übertragen, da keine Einigung mit der Mutter besteht und dies dem Wohl der Kinder am besten entspricht. Die Einwände der Mutter stehen der Entscheidung nicht entgegen. Ein Interessengegensatz zwischen den Eltern ist normal und behindert nicht die Vertretung der Kinder durch den Vater.
Die Voraussetzungen des § 1809 Abs. 1 Satz 1 BGB für eine Ergänzungspflegschaft liegen nicht vor. Wer unter elterliche Sorge steht, erhält nach dieser Bestimmung für Angelegenheiten, an deren Besorgung die Eltern verhindert sind, einen Pfleger. Die Eltern sind jedoch nicht daran gehindert, die Unterhaltsansprüche geltend machen. Erst, nachdem die Alleinentscheidungsbefugnis auf den Vater übertragen wurde, ist die Mutter an der Unterhaltsgeldmachung gehindert.
Daraus ergibt sich, dass dem Elternteil, der die Barunterhaltsinteressen des Kindes verfolgt, ein Wahlrecht zusteht, ob er beim Familiengericht eine Entscheidung die Alleinentscheidungsbefugnis für sich beantragt oder ob er auf die Bestellung eines Ergänzungspflegers hinwirkt. Hier hat der Vater das ihm zustehende Wahlrecht dahingehend ausgeübt, dass er beim Familiengericht die Alleinentscheidungsbefugnis beantragt hat.
Die Beschwerde der Mutter war deshalb nur insoweit erfolgreich, als sie gegen die Einrichtung einer Ergänzungspflegschaft gerichtet ist.Diese Entscheidung des Oberlandgericht Schleswig vertritt demnach eine andere Auffassung als das OLG Stuttgart in seinem Beschluss vom 01.03.2023 - 11 UF 214/22. Das OLG Stuttgart gab der Einrichtung einer Ergänzungspflegschaft den Vorzug (lesen Sie hier: "Unterhalt bei Wechselmodell: Ergänzungspfleger?")
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