UNVERSCHULDETER UNFALL: 800.000 € SCHMERZENSGELD NACH QUERSCHNITTSLÄHMUNG

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Das Schleswig-Holsteinische Oberlandesgericht hat einem nunmehr querschnittsgelähmten Mountainbikefahrer nach einem Unfall Schmerzensgeld in Höhe von 800.000,00 € zugesprochen. Mit Urteil vom 28.09.2021 (Az: 7 U 29/16) stellte das OLG klar, dass den Fahrradfahrer kein Mitverschulden treffe und auch das Schmerzensgeld aufgrund der schwersten, unfallbedingten Dauerschäden in dieser Höhe angemessen sei.

Was ist passiert?

Der zum Unfallzeitpunkt 35-jährige Marineoffizier stürzte nach einer Vollbremsung in zwei über einen unbefestigten Feldweg gespannte Stacheldrähte. Dabei brach er sich einen Halswirbel und ist seither unterhalb des 4. Halswirbels komplett querschnittsgelähmt. Bei der Fahrt mit seinem Mountainbike nutzte er sogenannte Klickpedale, bei denen das Lösen der Füße aus den Pedalen eine gewisse Zeit in Anspruch nimmt.

In seinem ersten Urteil vom 10.08.2017 hatte das OLG einen Mitverschuldensanteil des Klägers von 75 % angenommen. Dies stützte das Gericht unter anderem darauf, dass er angesichts des unbefestigten Weges mit einer unangepassten Geschwindigkeit von mindestens 16 km/h gefahren sei. Zudem stoße die Nutzung von Klickpedalen in solchen Verhältnissen auf Bedenken.

Die Entscheidung des Gerichts

Nach der Zurückverweisung zur erneuten Verhandlung durch den BGH (Urt. v. 23.04.2020 – III ZR 251/17) hat das OLG diese Sichtweise aufgegeben. Die Nutzung von Klickpedalen auch im Cross-Country-Bereich sei jedenfalls bei erfahrenen Fahrern nicht als Mitverschulden anzusehen. Nach überzeugender Sachverständigenansicht hätte zudem die Nutzung „normaler“ Pedale zu einem im Wesentlichen gleichen Unfallablauf mit vergleichbaren Verletzungen geführt. Auch eine Geschwindigkeit von 16 km/h sei bei fortgeschrittenen Fahrern, zu denen der Kläger gehörte, nicht als unangepasst zu erachten. Eine Fehlreaktion auf das plötzlich auftauchende Hindernis sei dem Kläger ebenfalls nicht vorzuwerfen.

Somit war bei der Bemessung des Schmerzensgeldes kein Mitverschulden des Klägers zu berücksichtigen. Der Kläger ist seit dem Unfall querschnittsgelähmt und damit ein lebenslanger Schwerstpflegefall. Zur Fortbewegung ist der Kläger auf einen hochtechnisierten Rollstuhl angewiesen, den er mit seinem Kinn steuert. Er verbrachte allein nach dem Unfall circa 10 Monate in stationärer Behandlung und musste sich mehreren Operationen unterziehen. Er leidet zudem unter psychischen Beeinträchtigungen wie Depressionen und einer Angststörung. Auch zerbrachen aufgrund des Unfalls die Beziehungen zu seiner ehemaligen Freundin und seinem Vater. Unter Zugrundelegung der schwerwiegenden Folgen für den Kläger wich das Gericht von der klägerseits genannten Mindesthöhe von 500.000,00 € ab und sprach ihm 800.000,00 € Schmerzensgeld nebst Zinsen zu.

Foto(s): Shutterstock.com


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