Urteil des OLG Hamburg vom 21.11.2024 – Zur Haftung eines Host-Providers im Urheberrecht

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Im vorliegenden Fall des OLG Hamburg (Urteil vom 21.11.2024 – 5 U 54/23) ging es um die Frage, ob ein Host-Provider, der Speicherplatz für eine Webseite bereitstellt, über die eine Software mit urheberrechtlich bedenklichem Nutzungspotenzial heruntergeladen werden kann, für Beihilfe zur Umgehung technischer Schutzmaßnahmen (§ 95a UrhG) haftet.

Die Klägerinnen, Unternehmen der Tonträgerindustrie, warfen dem beklagten Host-Provider vor, Speicherplatz für die Webseite „youtube-dl.org“ bereitgestellt zu haben. Über diese Plattform war die Open-Source-Software „youtube-dl“ abrufbar, die es ermöglicht, Audio- und Videoinhalte von Plattformen wie YouTube herunterzuladen. Dabei wurde die sogenannte „Rolling Cipher“-Technologie von YouTube, eine mögliche technische Schutzmaßnahme, umgangen.

Die Klägerinnen forderten Unterlassung, Schadensersatz und Auskunftserteilung. Der Beklagte berief sich auf die Privilegierung für Host-Provider gemäß § 10 TMG und argumentierte, dass er weder die Software selbst bereitstelle noch aktiv zur Umgehung der Schutzmaßnahmen beitrage.


Entscheidung 

Das OLG Hamburg wies die Berufung des Beklagten zurück und bestätigte weitgehend die Entscheidung des Landgerichts. Es stellte fest:

  1. Beihilfe zur Umgehung technischer Schutzmaßnahmen (§ 95a Abs. 1 UrhG):
    Der Beklagte unterstützte durch die Bereitstellung von Speicherplatz für die Webseite „youtube-dl.org“ die Umgehung von Schutzmaßnahmen. Diese Beihilfehandlung war objektiv geeignet, die widerrechtliche Nutzung der Software „youtube-dl“ zu fördern. Spätestens nach Erhalt der Abmahnung vom 22.09.2020 war dem Beklagten die Rechtswidrigkeit seiner Handlung bekannt, wodurch er die Privilegierung nach § 10 TMG verlor.

  2. Wirksamkeit der Schutzmaßnahmen:
    Das Gericht bejahte die Wirksamkeit der „Rolling Cipher“ als technische Schutzmaßnahme gemäß § 95a UrhG. Auch wenn die Maßnahme durch fortgeschrittene Nutzer umgangen werden könne, biete sie für den durchschnittlichen Internetnutzer einen hinreichenden Schutz.

  3. Zulässigkeit und Bestimmtheit der Klageanträge:
    Die Klageanträge der Klägerinnen waren hinreichend bestimmt, da sie konkret auf die Bereitstellung von Speicherplatz für die Webseite „youtube-dl.org“ und die dortigen Download-Links Bezug nahmen.

  4. Schadensersatzpflicht und Auskunftsanspruch:
    Die Schadensersatzpflicht des Beklagten ab dem Zeitpunkt der Abmahnung wurde ebenso bestätigt wie der Anspruch der Klägerinnen auf Auskunft über Downloads und Umsätze im Zusammenhang mit der Website.


Praxishinweise

Das Urteil zeigt, dass Host-Provider, die Speicherplatz für rechtswidrige Inhalte bereitstellen, in bestimmten Konstellationen für die Rechtsverstöße ihrer Kunden haften können. Besonders wichtig sind die folgenden Aspekte:

  1. Haftungsprivilegien von Host-Providern:
    Die Haftungsprivilegierung gemäß § 10 TMG gilt nur solange, wie der Anbieter keine Kenntnis von der Rechtswidrigkeit der gehosteten Inhalte hat. Nach erfolgter Abmahnung müssen Anbieter tätig werden, um weitere Rechtsverstöße zu verhindern.

  2. Technische Schutzmaßnahmen:
    Die Definition der „Wirksamkeit“ technischer Schutzmaßnahmen im Sinne von § 95a UrhG richtet sich nach dem durchschnittlichen Nutzer. Auch Maßnahmen, die durch spezialisierte Software umgangen werden können, erfüllen unter Umständen die gesetzlichen Anforderungen.

  3. Umgang mit Abmahnungen:
    Unternehmen sollten auf Abmahnungen schnell und gründlich reagieren. Bleibt ein Host-Provider untätig, kann dies die Verlust der Haftungsprivilegien zur Folge haben.

  4. Gestaltung von Hosting-Verträgen:
    Host-Provider sollten ihre Verträge so gestalten, dass Nutzer verpflichtet werden, keine rechtswidrigen Inhalte oder Dienste anzubieten. Zusätzlich können Schutzmaßnahmen wie Filtertechnologien implementiert werden, um die eigene Haftung zu minimieren.

  5. Präzedenzwirkung für Open-Source-Projekte:
    Das Urteil verdeutlicht, dass selbst Open-Source-Software rechtliche Risiken birgt, wenn sie vorwiegend zur Umgehung technischer Schutzmaßnahmen genutzt wird. Entwickler und Betreiber solcher Plattformen sollten klare Nutzungsrichtlinien festlegen.

  6. Möglichkeiten für Rechteinhaber:
    Rechteinhaber können das Urteil als Handlungsgrundlage nutzen, um gegen Anbieter vorzugehen, die rechtswidrige Inhalte oder Dienstleistungen unterstützen. Besonders die Dokumentation der Rechtsverletzung und die Einhaltung formeller Anforderungen sind hierbei entscheidend.

Dieses Urteil verdeutlicht, wie sensibel der Umgang mit urheberrechtlich geschützten Inhalten und den damit verbundenen technischen Schutzmaßnahmen ist. Es dient als Leitlinie für die Rechtspraxis, sowohl für Rechteinhaber als auch für Intermediäre wie Host-Provider.

Foto(s): RITTER Rechtsanwälte

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