Urteil zum Online-Coaching: Auch bei Videokonferenzen liegt eine räumliche Trennung vor!

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Eine Online-Coaching-Anbieterin muss 16.000 Euro zurückzahlen. Das zuständige Landgericht hat den Online-Coaching-Vertrag für nichtig erklärt, weil er gegen die Vorschriften des Fernunterrichtsschutzgesetzes verstößt.

Das Landgericht Ulm hat in dem Rechtsstreit zwischen einer geschädigten Verbraucherin und der Coaching-Anbieterin Annett Bergmann, die unter dem Namen Bergmann Mentoring agiert, ein verbraucherfreundliches Urteil gefällt. Die Klägerin forderte die Rückzahlung von 16.000 Euro, die sie für einen Online-Business-Coaching-Vertrag gezahlt hatte. Ebenso muss die Beklagte Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 6. Dezember 2023 zahlen und die Kosten des Rechtsstreits tragen.

„Ihr Hauptargument war, dass dieser Vertrag unter das Fernunterrichtsschutzgesetz, das FernUSG, falle und somit ohne die erforderliche Zulassung nichtig sei. Die Beklagte bestritt dies und argumentierte, dass das FernUSG aufgrund der Unternehmereigenschaft der Klägerin nicht anwendbar sei und es sich bei dem Coaching-Programm um ein Mentoring handele, das keine Wissensvermittlung oder Lernerfolgskontrolle beinhalte. Das Gericht stellte aber deutlich fest, dass der Coaching-Vertrag den Anforderungen des FernUSG unterliegt und demnach nach diesen Vorschriften bewertet werden muss“, sagt der Mönchengladbacher Rechtsanwalt Dr. Gerrit W. Hartung von der Dr. Hartung Rechtsanwaltsgesellschaft mbH (www.hartung-rechtsanwaelte.de). Die Kanzlei befasst sich ausschließlich mit Anleger- und Verbraucherschutzthemen und hat sich neben der Beratung von Betroffenen des Abgasskandals auf die Durchsetzung von Ansprüchen von geschädigten Verbrauchern gegen Online-Casinos und Sportwettenanbieter spezialisiert. Dr. Gerrit W. Hartung hat das wichtige Urteil im Online-Coaching-Skandal vor dem Landgericht Ulm erstritten.

Das Fernunterrichtsschutzgesetz (FernUSG) regelt in Deutschland Rechte und Pflichten der Anbieter und Teilnehmer beim Fernunterricht. In Deutschland müssen alle Fernlehrangebote durch die Staatliche Zentralstelle für Fernunterricht (ZFU) zugelassen werden, also einer staatlichen Zulassung bedürfen. Das Landgericht Berlin beispielsweise hat vor diesem Hintergrund vor einiger Zeit entschieden, dass eine fehlende Zulassung für regelmäßige Online-Schulungen als Verstoß gegen das FernUSG auch eine Wettbewerbsverletzung darstellt. 

Besonders hervorzuheben ist die Auffassung des Gerichts, dass auch bei Videokonferenzen eine räumliche Trennung gemäß § 1 Abs. 1 Nr. 1 FernUSG vorliegt. Darin heißt es: „Fernunterricht im Sinne dieses Gesetzes ist die auf vertraglicher Grundlage erfolgende, entgeltliche Vermittlung von Kenntnissen und Fähigkeiten, bei der erstens der Lehrende und der Lernende ausschließlich oder überwiegend räumlich getrennt sind und zweitens der Lehrende oder sein Beauftragter den Lernerfolg überwachen.“ Das Gericht argumentierte, dass die Möglichkeit zur Kommunikation via Videokonferenz nicht ausreicht, um die räumliche Trennung aufzuheben, da eine Präsenzveranstaltung mehr als nur die Möglichkeit zur direkten Kommunikation beinhaltet. Die Entscheidung basiert auf der Überlegung, dass digitale Übermittlungen eine räumliche Trennung darstellen und die Kommunikation über Video-Calls aufgrund fehlender nonverbaler Interaktionen und anderer Einschränkungen nicht mit einer Präsenzveranstaltung vergleichbar sind. Daher greift das FernUSG bei diesem Coaching-Format.

Des Weiteren bestätigte das Gericht, dass eine Überwachung des Lernerfolgs im Sinne des § 1 Abs. 1 Nr. 2 FernUSG gegeben ist. Die Möglichkeit, Fragen zu stellen und Antworten zu erhalten, wurde als hinreichende Lernerfolgskontrolle gewertet. Das Gericht führte aus, dass der Business-Class-Coaching-Vertrag der Beklagten in der konkreten Ausgestaltung entgeltlich Kenntnisse und Fähigkeiten vermittelte, wobei der Lehrende den Lernerfolg überwachte.

„Das Urteil unterstreicht die Anwendung des FernUSG auch auf moderne Online-Coaching-Verträge und betont die Bedeutung der Zulassungspflicht für Fernunterrichtsanbieter. Insbesondere die Feststellung, dass Videokonferenzen eine räumliche Trennung darstellen, könnte wegweisend für ähnliche Fälle in der Zukunft sein“, betont der Verbraucherschutzexperte Dr. Gerrit W. Hartung.

Foto(s): Dr. Hartung Rechtsanwaltsgesellschaft mbH

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