Verantwortung der ärztlichen Leiter und Geschäftsführer von MVZ-Träger-GmbH‘s

  • 7 Minuten Lesezeit

I. Einführung

Dieser Beitrag konzentriert sich auf die GmbH als MVZ-Trägergesellschaft und beleuchtet Verantwortung und Risiken der ärztlichen Leiter und Geschäftsführer sowie Konsequenzen für die Vertragsgestaltung.


II. Rechtliche Grundlagen


1. GmbH-Geschäftsführer

Die GmbH-Geschäftsführer spielen die zentrale Rolle in der Führung und Vertretung einer GmbH. Gemäß § 35 GmbHG obliegt es dem Geschäftsführer, die Geschäfte der Gesellschaft umfassend zu führen und sie in allen Angelegenheiten gerichtlich und außergerichtlich zu vertreten.


Der Geschäftsführer ist verpflichtet, die Beschlüsse der Gesellschafterversammlung umzusetzen und ist an die Weisungen dieser Versammlung gebunden (§ 37 Abs. 1 GmbHG). Bei Handlungen im Namen der Gesellschaft muss der Geschäftsführer die Sorgfalt eines ordentlichen Geschäftsmannes anwenden. Vernachlässigt er diese Pflicht, haftet er persönlich (§ 43 GmbHG).


2. Ärztlicher Leiter 

Im Kontext von MVZ wird der ärztliche Leiter als Schlüsselfigur betrachtet. Gemäß § 95 Abs. 1 Satz 2 SGB V wird das MVZ als „ärztlich geleitete Einrichtung“ definiert. Der ärztliche Leiter muss im MVZ selbst entweder als angestellter Arzt oder als Vertragsarzt tätig sein. Er genießt in medizinischen Fragen Weisungsfreiheit (§ 95 Abs. 1 Satz 3 SGB V).


Wenn in einem MVZ Angehörige unterschiedlicher Berufsgruppen, die an der vertragsärztlichen Versorgung teilnehmen, tätig sind, ist auch eine kooperative Leitung möglich (§ 95 Abs. 1 Satz 4 SGB V).


3. Zwischenergebnis

Die rechtlichen Grundlagen für die organschaftliche Stellung und Aufgaben des GmbH-Geschäftsführers sind im GmbHG relativ umfassend und detailliert geregelt. Im Gegensatz dazu bleiben die Aufgaben und die Stellung des ärztlichen Leiters eines MVZ nach den Regelungen des SGB V unklar, da wenig mehr geregelt wird, als dass es einen solchen geben muss („konstitutiv“).


III. Risikoanalyse


1. Vertragsärztlicher Bereich


a) Abgrenzung der Verantwortungsbereiche

Die rechtliche Abgrenzung der Verantwortungsbereiche im Zusammenhang mit MVZ wirft zahlreiche Fragen auf. Während die Aufgaben des Geschäftsführers einer GmbH als Trägergesellschaft im GmbHG umfassend definiert sind und sich auf die Vertretung der Gesellschaft beziehen, scheint die Rolle des ärztlichen Leiters zunächst auf medizinische Fragen beschränkt zu sein, wie es im SGB V festgelegt ist. Dies könnte den Anschein erwecken, dass die Aufgaben klar verteilt sind.


b) Verantwortlichkeit des ärztlichen Leiters

Tatsächlich werden jedoch dem ärztlichen Leiter eines MVZ erhebliche Aufgaben und Pflichten auferlegt. Diese umfassen die Sicherstellung, dass die ärztlichen Leistungserbringer im MVZ keine Weisungen von Nichtärzten unterliegen, die ärztliche Steuerung der Betriebsabläufe, die Gesamtverantwortung gegenüber der Kassenärztlichen Vereinigung (KV), die Steuerung des Personaleinsatzes, die medizinische Ausrichtung der Abrechnung, die Einhaltung der Teilnahmepflicht am Bereitschaftsdienst, die Prüfung der Vertragsärzte auf die Einhaltung ihrer Verpflichtungen, die Überwachung der Abrechnungsgenehmigungen, die Prüfung der Vertretung von abwesenden Ärzten, die Einhaltung des Wirtschaftlichkeitsgebots bei den ärztlichen Behandlungen und die Einhaltung von Qualitätssicherungs-, Hygiene- und weiteren Vorschriften. Zudem unterliegt der ärztliche Leiter der Pflicht zur Abgabe einer ordnungsgemäßen Abrechnungserklärung und zur peinlich genauen Abrechnung sämtlicher Leistungen des MVZ.


Diese „Gesamtverantwortung“ des ärztlichen Leiters erstreckt sich auf viele Aspekte, die auch einen Praxisinhaber in einer Einzelpraxis betreffen würden. Infolgedessen entsteht für den ärztlichen Leiter ein erhebliches disziplinarrechtliches Risiko.


c) Verantwortlichkeit des Geschäftsführers der Träger-GmbH

Im Gegensatz dazu scheint der GmbH-Geschäftsführer (fast) sämtlicher Pflichten, insbesondere solche, die den vertragsärztlichen Pflichtenkreis betreffen, enthoben zu sein. Die KV kann sogar in die organschaftliche Aufgabe des GmbH-Geschäftsführers, die Gesellschaft im Außenverhältnis zu vertreten, eingreifen, wie zum Beispiel bei Unterschriftsanforderungen im Zusammenhang mit der Abgabe der „Sammelerklärung“ für den ärztlichen Leiter.


d) Zwischenergebnis

Die sozialgerichtliche Rechtsprechung hat dazu geführt, dass die Trägergesellschaft, hier als Kapitalgesellschaft, von der Teilnahme an der vertragsärztlichen Versorgung weitgehend entkoppelt wurde. Obwohl die Gesellschafter der Träger-GmbH aufgrund ihrer Pflicht zur Sicherheitsleistung mit ihrem gesamten Vermögen haften, wird der Geschäftsführer in Bezug auf die Verwirklichung des eigentlichen Gesellschaftszwecks zur Randfigur. Dies kann dazu führen, dass die Trägergesellschaft gleichsam denaturiert wird, während der ärztliche Leiter eine Art „vertragsärztlicher Geschäftsführer“ darstellt, der erhebliche Verantwortung und Pflichten trägt, ohne institutionell mit entsprechenden Rechten ausgestattet zu sein.


2. Strafrechtlicher Bereich


a) Risiko des ärztlichen Leiters

Im strafrechtlichen Bereich birgt die Tathandlung des Abrechnungsbetrugs im Gesundheitswesen gemäß § 263 StGB ein erhebliches Risiko, insbesondere im vertragsärztlichen Bereich, da die Abgabe einer unrichtigen Quartalsabrechnung als solche angesehen wird. Weitere Delikte wie „Verordnungsuntreue“ gemäß § 266 StGB und „Bestechlichkeit im Gesundheitswesen“ gemäß § 299a StGB könnten ebenfalls relevant sein.


b) Risiko des Geschäftsführers

Auch der GmbH-Geschäftsführer kann strafrechtlich belangt werden, insbesondere im Zusammenhang mit Abrechnungsbetrug im Gesundheitswesen. Typische Delikte, die den Geschäftsführer betreffen könnten, sind Untreue gemäß § 266 StGB, Vorenthalten und Veruntreuung von Arbeitsentgelt gemäß § 266a StGB, Bankrott gemäß § 283 StGB und Bestechung im Gesundheitswesen gemäß § 299b StGB.


c) Zwischenergebnis

Die Unterschrift unter die Quartalsabrechnung stellt eine Tathandlung im Sinne des § 263 StGB dar und birgt erhebliche Risiken. Diese Risiken betreffen nicht nur die Auswahl der Beschuldigten im Ermittlungsverfahren, sondern führen auch zu Anwaltskosten, persönlicher Belastung, möglicherweise zu einer Hauptverhandlung gemäß § 153a StPO, Karrierehindernissen und mehr.


3. Verantwortlichkeit sog. „patientenferner Entscheider“ wegen Organisationsverschuldens


In vielen Fällen korreliert fehlerhaftes Behandlungsverhalten mit Mängeln in der Organisation oder der Infrastruktur. Dennoch werden Ermittlungen meist gegen die beteiligten Ärzte durchgeführt, während eine sorgfaltswidrig handelnde ärztliche Leitung oder Geschäftsführung oft nicht belangt wird. Dabei besteht neben der strafrechtlichen Verantwortlichkeit und der zivilrechtlichen Haftung auch die Möglichkeit der Organhaftung gemäß § 31 BGB analog sowie der Verbandshaftung gemäß § 30 Abs. 1 Nr. 5 OWiG.


4. Zwischenergebnis

Zusammenfassend kann festgestellt werden, dass die Risikoanalyse im Zusammenhang mit MVZ äußerst komplex ist. Die Rollen und Verantwortlichkeiten von ärztlichem Leiter und GmbH-Geschäftsführer müssen sorgfältig abgewogen werden, da beide erhebliche Risiken in Bezug auf disziplinarrechtliche und strafrechtliche Verantwortlichkeit tragen können. Zudem sollte auch das Sonderproblem der Verantwortlichkeit „patientenferner Entscheider“ im Zusammenhang mit Organisationsverschulden nicht vernachlässigt werden. Die klare rechtliche Abgrenzung und die Ausgestaltung der Verantwortlichkeiten sind daher von entscheidender Bedeutung, um die rechtlichen Risiken zu minimieren.


IV. Konsequenzen für die Vertragsgestaltung


1. Aus zulassungsrechtlicher Perspektive


a) Satzung der Träger-GmbH

Die Vertragsgestaltung im Zusammenhang mit MVZ muss sicherstellen, dass der ärztliche Leiter in medizinischen Angelegenheiten von „den Gesellschaftern und der Geschäftsführung des MVZ“ weisungsunabhängig ist. Dies kann in der Satzung der Träger-GmbH festgelegt werden. Die Satzung sollte den ärztlichen Leiter explizit von Weisungen in medizinischen Fragen seitens der Gesellschafter und Geschäftsführung befreien. Zudem sollte die Satzung sicherstellen, dass die Fachgebietsgrenzen eingehalten werden, Leistungen, die ausschließlich von Ärzten erbracht werden dürfen, nicht an nichtärztliches Hilfspersonal delegiert werden und dass die Ausübung des Rechts der Patienten auf freie Arztwahl sichergestellt wird.


b) Arbeitsvertrag des ärztlichen Leiters

Der Arbeitsvertrag des ärztlichen Leiters muss die Unabhängigkeit in medizinischen Fragen betonen. Der ärztliche Leiter sollte in seinem Vertrag festgehalten haben, dass er in seiner Funktion als ärztlicher Leiter von Weisungen der Geschäftsführung und der Gesellschafter der Arbeitgeberin unabhängig ist. Er trägt die Verantwortung für die Organisation der ambulanten vertragsärztlichen Versorgung und muss sicherstellen, dass die Fachgebietsgrenzen eingehalten werden, Leistungen, die nur von Ärzten erbracht werden dürfen, nicht an nichtärztliches Hilfspersonal delegiert werden und dass Leistungen, die einem Qualifikationsvorbehalt unterliegen, nur von qualifizierten Ärzten erbracht werden. Darüber hinaus muss der ärztliche Leiter die Einhaltung der vertragsarztrechtlichen Pflichten der anderen angestellten Ärzte überwachen.


c) Geschäftsführer-Anstellungsvertrag

Der Geschäftsführer-Anstellungsvertrag sollte im Innenverhältnis klarstellen, dass der Geschäftsführer in allen Geschäftsbereichen der Gesellschaft zuständig ist. Dennoch sollte er die Weisungsfreiheit des ärztlichen Leiters in medizinischen Angelegenheiten respektieren. Der Geschäftsführer darf keine Weisungen erteilen, die den originär ärztlichen Bereich betreffen.


2. Sonstige Erfordernisse


a) Versicherungen

Die Vertragsgestaltung sollte auch die Haftpflichtversicherung und die Rechtsschutzversicherung berücksichtigen. Es ist ratsam, eine „D & O“-Versicherung (Directors and Officers Liability Insurance) für Geschäftsführer und ärztliche Leiter abzuschließen, um sie vor persönlicher Haftung zu schützen. Es sollte klargestellt werden, ob die Arbeitgeber die Anwaltskosten im Falle von rechtlichen Auseinandersetzungen übernehmen.


b) Compliance-Maßnahmen

Um rechtliche Risiken zu minimieren, sollten Compliance-Maßnahmen implementiert werden. Dies kann die Einführung eines sogenannten „Compliance-Management-Systems“ umfassen, um sicherzustellen, dass das MVZ alle gesetzlichen Anforderungen erfüllt. Es kann auch ratsam sein, externe Berater hinzuzuziehen, um sicherzustellen, dass das MVZ den gesetzlichen Vorschriften entspricht und effektive Compliance-Strategien entwickelt.


V. Ergebnis

Die Stellung des ärztlichen Leiters in einem Medizinischen Versorgungszentrum (MVZ) wird derzeit vorrangig auf gesellschaftsrechtlicher und arbeitsvertraglicher Ebene geregelt. Die rechtliche Position des ärztlichen Leiters im MVZ ist von großer Bedeutung, da sie weitreichende disziplinar- und strafrechtliche Risiken mit sich bringen kann. Es ist jedoch im Einzelfall zu prüfen, ob die bisherigen Regelungen ausreichende Absicherung bieten.


Die Vertragsgestaltung im Zusammenhang mit MVZ ist äußerst komplex ist und erfordert sorgfältige Überlegungen. Die klare Abgrenzung der Verantwortlichkeiten zwischen dem ärztlichen Leiter und der Geschäftsführung der Träger-GmbH ist von entscheidender Bedeutung, um rechtliche Risiken zu minimieren. Die Satzung der Träger-GmbH, der Arbeitsvertrag des ärztlichen Leiters und der Geschäftsführer-Anstellungsvertrag sollten Regelungen enthalten, die die Weisungsfreiheit des ärztlichen Leiters in medizinischen Angelegenheiten betonen und sicherstellen, dass er die erforderlichen Aufgaben und Pflichten erfüllt.


Des Weiteren sind weitere wichtige Aspekte wie Versicherungen (insbesondere Haftpflicht- und Rechtsschutzversicherungen) und Compliance-Maßnahmen hervorzuheben, die in die Vertragsgestaltung einbezogen werden sollten, um das MVZ effektiv zu schützen und den gesetzlichen Anforderungen gerecht zu werden.


Abschließend bleibt festzuhalten, dass die Frage der angemessenen Absicherung und rechtlichen Strukturierung der Stellung des ärztlichen Leiters im MVZ weiterhin von großer Bedeutung ist. Es bleibt abzuwarten, ob zukünftige regulatorische Vorgaben für Medizinische Versorgungszentren eingeführt werden, die die Position des ärztlichen Leiters weiter präzisieren oder stärkere Belastungen für die Trägerebene vorsehen. Die Entwicklung in diesem Bereich sollte aufmerksam verfolgt werden, um sicherzustellen, dass die rechtlichen Rahmenbedingungen angemessen und zukunftsfähig sind.

Foto(s): iStock


Artikel teilen:


Sie haben Fragen? Jetzt Kontakt aufnehmen!

Weitere Rechtstipps von Rechtsanwalt Dr. Alexander Dorn

Beiträge zum Thema