Verhaltensbedingte Kündigung ohne vorherige Abmahnung?

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Ein angestellter Berufsfahrer, der im Sommer 2021 die vom Arbeitgeber angeordneten Corona Schnelltests mehrfach verweigerte und schließlich gekündigt wurde, bekam Recht im Kündigungsschutzverfahren (Arbeitsgericht Hamburg, Urteil vom 24.11.2021, 27 Ca 208/21).

Was ist passiert?

Der bei einem Personenbeförderungsunternehmen beschäftige Berufsfahrer, der bis Ende Mai 2021 in Kurzarbeit war, sollte ab dem 01.06.2021 mit der Wiederaufnahme des regulären Fahrtbetriebs seiner Tätigkeit weiter nachgehen. Kurz davor ordnete der Arbeitgeber jedoch einen Vor-Ort-Corona Schnelltest am ersten Arbeitstag vor Schichtbeginn an. Diesen verweigerte der Fahrer zunächst am 01.06.2021 und 02.06.2021, sodass er an diesen beiden Tagen jeweils unbezahlt freigestellt wurde. Als er am 03.06.2021 den Schnelltest erneut verweigerte und auch keinen alternativen Test nachweisen konnte, erteilte ihm die Firma Hausverbot und verwies ihn vom Betriebsgelände. Kurz danach erhielt der Fahrer die schriftliche Kündigung zum 15.07.2021. Mit der Kündigungsschutzklage am 15.06.2021 begehrte er die Feststellung, dass das bestehende Arbeitsverhältnis durch die Kündigung nicht aufgelöst wurde, sowie die Weiterbeschäftigung bis zum rechtskräftigen Abschluss des Kündigungsschutzverfahrens zu den bisherigen Arbeitsbedingungen.

Die Entscheidung des Gerichts

Das Gericht wies darauf hin, dass das Anordnen einer Corona-Testpflicht für Arbeitnehmer grundsätzlich vom Weisungsrecht des Arbeitgebers gem. § 611a Abs. 1 Satz 1, 2 BGB, § 106 GewO gedeckt ist. Nach Auffassung des Gerichts hat das Unternehmen ferner hinsichtlich der Art und Weise der Anordnung der Testpflicht nach billigem Ermessen im Sinne von § 315 Abs. 3 BGB gehandelt. Indem der Fahrer den Schnelltest vor Arbeitsbeginn mehrfach verweigerte, verletzte er daher grundsätzlich eine Primärleistungspflicht aus dem Arbeitsvertrag. Entscheidend war jedoch die Frage, ob vor der Kündigung des Fahrers eine Abmahnung seitens des Arbeitgebers erforderlich war. Dies bejahte das Gericht im vorliegenden Fall. Da das Unternehmen eine solche nicht beweisen konnte, gab das Gericht schließlich der Klage des Fahrers statt.

Fazit: Abmahnung vorher erforderlich?

Eine arbeitsrechtliche Kündigung ist keine Sanktion für vergangenes Fehlverhalten, sondern Ausdruck einer Prognoseentscheidung des Arbeitgebers, dass eine gedeihliche Zusammenarbeit mit dem Arbeitnehmer nicht mehr möglich ist. Jedoch muss der Arbeitnehmer vor einer verhaltensbedingten Kündigung grundsätzlich abgemahnt werden, sofern anzunehmen ist, dass dies zu einer positiven Verhaltensänderung führen wird. Eine Abmahnung ist nur dann nicht erforderlich, wenn die verhaltensbedingte Pflichtverletzung nicht nur auf der Leistungsebene, sondern auch auf der Vertrauensebene beruht und zudem so schwerwiegend ist, dass eine Hinnahme durch den Arbeitgeber unzumutbar und offensichtlich ausgeschlossen ist. Wann dies der Fall ist, muss anhand der konkreten Umstände jedes Einzelfalls festgestellt werden.

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