Vorfälligkeitsentschädigung Immobiliendarlehen: Neue Entscheidungen des EuGH, BGH und OLG Brandenburg

  • 4 Minuten Lesezeit

Bei der Berechnung der Vorfälligkeitsentschädigung muss eine Bank bestimmte Grundsätze beachten, um sicherzustellen, dass die Entschädigung fair und rechtlich korrekt ist. Eine fehlerhafte oder intransparente Berechnung führt in der Regel dazu, dass die Bank keine Vorfälligkeitsentschädigung verlangen darf bzw. diese zurückzahlen muss.

Der nachfolgende Beitrag bespricht die jüngste Entwicklung zum Thema "Vorfälligkeitsentschädigung" anhand aktueller Gerichtsentscheidungen des Europäischen Gerichtshofs, des Bundesgerichtshofs sowie des Oberlandesgerichts Brandenburg.

OLG Brandenburg: Urteil vom 20. März 2024 zu fehlerhafter Klausel und Anwendbarkeit von § 502 Abs.2 Nr.2 BGB bei Kündigung durch Darlehensnehmer

Am 20. März 2024 entschied das Oberlandesgericht (OLG) Brandenburg (Az. 4 U 35/23) zugunsten eines Verbrauchers und gegen die Bank. Das zentrale Thema des Verfahrens war die fehlerhafte Berechnung der Vorfälligkeitsentschädigung bei einem Immobiliendarlehen. Die Bank hatte nicht alle gesetzlichen Informationspflichten erfüllt, was zu einem Fehler in der Berechnung der Vorfälligkeitsentschädigung führte. 

Ein Darlehensnehmer hatte im Jahr 2017 einen Vorfinanzierungskredit über 500.000 Euro sowie einen Bausparvertrag für den Umbau eines Grundstücks aufgenommen. Als er das Grundstück 2021 verkaufte, forderte die Bank eine Vorfälligkeitsentschädigung. 

Konkret ging es in dem Fall um diese Vertragsklausel:

"Durch diese Berechnungsmethode wird die (Name der Bank) so gestellt, als ob der Kredit bis zum Ablauf der Zinsbindung planmäßig fortgeführt worden wäre.“

Das OLG stellte zutreffend fest, dass die Angabe "bis zum Ablauf der Zinsbindung" dem Verbraucher den falschen Eindruck vermittle, der Darlehensgeber erhalte eine Entschädigung bis zum Ablauf der im Vertrag vereinbarten Zinsbindung. Stattdessen besteht der Anspruch auf Vorfälligkeitsentschädigung nur bis zum Ablauf der rechtlich gesicherten Zinserwartung, die maximal bis zu dem Zeitpunkt besteht, zu dem der Darlehensnehmer den Darlehensvertrag ordentlich kündigen kann. Der Darlehensnehmer kann den Darlehensvertrag bis zum Ablauf von zehn Jahren und sechs Monaten nach dem vollständigen Bezug des Darlehens selbst kündigen (§ 489 Abs. 1 Nr. 2 BGB), ohne der Bank hierfür eine Vorfälligkeitsentschädigung zu schulden.

Verbraucherfreundliche Rechtsprechung: § 502 Abs.2 Nr.2 BGB gilt auch bei Kündigung durch den Darlehensnehmer

Wie der Generalanwalt beim EuGH bereits in der Entscheidung vom 14. März 2024 (s. oben) festgestellt hatte, darf im Anwendungsbereich der Richtlinie nicht mehr zwischen einer Vorfälligkeitsentschädigung nach § 490 Abs. 2 Satz 3 BGB und einer solchen nach § 502 BGB unterschieden werden. Für Immobiliendarlehen setzt § 502 BGB Art. 25 Abs. 3 der Richtlinie um. Im Anwendungsbereich der Richtlinie ist § 502 BGB deshalb auch für die Vorfälligkeitsentschädigung nach einer Kündigung (§ 490 Abs. 2 Satz 3 BGB) einschlägig.

§ 502 Abs. 2 Nr. 2 BGB regelt, unter welchen Voraussetzungen Banken im Falle einer vorzeitigen Rückzahlung von Verbraucherdarlehen eine Vorfälligkeitsentschädigung verlangen dürfen. Insbesondere müssen Kreditinstitute die Verbraucher korrekt und vollständig über die Berechnung der Entschädigung informieren. Diese Informationen müssen klar und verständlich im Darlehensvertrag angegeben sein, andernfalls verlieren die Banken ihren Anspruch auf eine Vorfälligkeitsentschädigung.

Der Entscheidung des OLG Brandenburg ist zuzustimmen. Darlehensverträge, die eine solche oder ähnlich lautende Klausel zur Vorfälligkeitsentschädigung enthalten, dürften dazu führen, dass die für die vorzeitige Rückzahlung des Darlehens geforderte Vorfälligkeitsentschädigung zurückverlangt bzw. zurückgewiesen werden kann.

Urteil Europäischer Gerichtshof vom 14. März 2024 (C-536/22)

Am 14. März 2024 hat der Europäische Gerichtshof (EuGH) im Fall C-536/22 zur Berechnung der Vorfälligkeitsentschädigung nach Vorlage durch das Landgericht Ravensburg entschieden, dass die deutschen Vorschriften zur Vorfälligkeitsentschädigung im Einklang mit dem Unionsrecht stehen. Insbesondere ging es um die Berechnungsmethoden und den Verbraucherschutz im Zusammenhang mit der vorzeitigen Rückzahlung von Immobiliendarlehen.

Der EuGH bestätigte, dass die in Deutschland übliche Berechnung der Vorfälligkeitsentschädigung nach den Prinzipien des deutschen Schadensrechts zulässig ist. Nach diesen Prinzipien können Banken den finanziellen Schaden, der durch die vorzeitige Rückzahlung eines Darlehens entsteht, unter Berücksichtigung von Marktbedingungen, wie z.B. einem negativen Wiederanlagezins, berechnen. Dies bedeutet, dass auch ein negativer Zinssatz bei der Berechnung der Entschädigung einfließen kann, um die Bank so zu stellen, als wäre das Darlehen bis zum Ende der Zinsbindungsfrist fortgeführt worden.

BGH Urteil vom 12. März 2024 zu negativen Wiederanlagezinsen

Der Bundesgerichtshof (BGH) hat mit Urteil 12. März 2024 (Az. XI ZR 159/23) entschieden, dass bei der Berechnung der Vorfälligkeitsentschädigung negative Wiederanlagezinsen berücksichtigt werden dürfen. In dem Fall ging es darum, ob Banken den Schaden, der ihnen durch die vorzeitige Rückzahlung eines Immobiliendarlehens entsteht, auch dann geltend machen können, wenn sie die freigewordenen Beträge zu negativen Zinsen wieder anlegen müssen.

Der BGH entschied, dass die Bank auch in einem negativen Zinsumfeld berechtigt ist, zwischen der Aktiv-Aktiv-Methode und der Aktiv-Passiv-Methode zu wählen. Bei der Aktiv-Passiv-Methode berechnet sich der Schaden aus der Differenz zwischen den ursprünglich vereinbarten Zinsen und den Renditen, die durch eine Wiederanlage in sicheren Kapitalmarkttiteln (z.B. Hypothekenpfandbriefe) erzielt werden könnten. Nach Ansicht des BGH gilt dies auch in einem negativen Zinsumfeld.

Der BGH stellte klar, dass die Berechnung der Vorfälligkeitsentschädigung dazu dient, den wirtschaftlichen Nachteil der Bank auszugleichen, unabhängig davon, ob dieser Schaden tatsächlich durch eine Wiederanlage entsteht. Damit bestätigte das Gericht die Berechnungsgrundsätze aus früheren Urteilen und entschied, dass die Bank im vorliegenden Fall korrekt gehandelt hat.

Rechtsanwalt Markus Mehlig ist im Schwerpunkt im Bank- und Kapitalmarktrecht tätig. Er vertritt Darlehensnehmer bundesweit, insbesondere bei der Rückforderung von Vorfälligkeitsentschädigungen. Gerne steht er auch Ihnen im Rahmen eines kostenlosen Erstgesprächs zur Verfügung.




Rechtstipp aus dem Rechtsgebiet

Artikel teilen:


Sie haben Fragen? Jetzt Kontakt aufnehmen!

Weitere Rechtstipps von Rechtsanwalt Markus Mehlig

Beiträge zum Thema