Webshops in der Geschlechterfalle: Wie veraltete Formulare jetzt zur Rechtsfalle werden

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Jüngeren Entscheidungen des Bundesgerichtshofs (BGH) und des Oberlandesgerichts (OLG) Frankfurt am Main haben erhebliche Auswirkungen auf die Gestaltung von Webshops, Onlineformularen sowie gedruckten Formularen. Diese Urteile fordern von Unternehmen, ihre Eingabefelder und Pflichtangaben sorgfältig zu prüfen und gegebenenfalls zu ändern, um der aktuellen Rechtslage zu entsprechen.

Hintergrund: Die Rechtslage seit 2018

Bereits seit 2018 eröffnet das deutsche Personenstandsgesetz (PStG) - insbesondere die §§ 45b und 22 Abs. 3 PStG - die Möglichkeit, im Geburtenregister neben "männlich" und "weiblich" die Angabe "divers" eintragen zu lassen. Damit wurde die rechtliche Anerkennung nicht-binärer Personen in Deutschland eingeführt und das Grundrecht auf geschlechtliche Identität gestärkt.

Aufgrund dieser gesetzlichen Änderungen besteht für Unternehmen die Verpflichtung, in Formularen und Eingabemasken nicht nur die Auswahl "Herr" bzw. "Mann" und "Frau" anzubieten. Pflichtfelder, die ausschließlich binäre Geschlechteroptionen vorsehen, entsprechen nicht mehr der aktuellen Rechtslage und stellen eine Diskriminierung von Personen dar, die sich weder dem männlichen noch dem weiblichen Geschlecht zuordnen. Diese Diskriminierung kann unter Umständen zu Schadensersatzforderungen führen.

Die Urteile des BGH und des OLG Frankfurt am Main

Der Bundesgerichtshof hat mit Beschluss vom 27. August 2024, Az. X ZR 71/22, die Nichtzulassungsbeschwerde gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main vom 21. Juni 2022, Az. 9 U 92/20, abgewiesen. Das OLG Frankfurt hatte in seinem Urteil klargestellt, dass Formulare und Eingabemasken, die ausschließlich die Auswahl "Herr" bzw. "Mann" und "Frau" vorsehen, unzulässig sind.

Die Abweisung der Nichtzulassungsbeschwerde durch den BGH bestätigt damit die Rechtsprechung des OLG Frankfurt. Die Urteile betonen die Verpflichtung für Unternehmen, bei der Erhebung personenbezogener Daten auch die Geschlechteridentitäten von nicht-binären oder diversen Personen zu berücksichtigen.

Konsequenzen für Webshops und Formulare

Für Betreiber von Online-Shops, Dienstleistungsunternehmen sowie Anbieter von Formularen auf Papier bedeutet dies, dass sie ihre Eingabemasken und Formulare dringend überprüfen müssen. Insbesondere Shop-Software und Onlineformulare, die die Angabe "Herr" bzw. "Frau" als Pflichtfeld vorsehen, müssen angepasst werden, um der aktuellen Rechtslage zu genügen. Es ist empfehlenswert, neben den traditionellen Optionen "Herr" und "Frau" zumindest eine weitere Auswahlmöglichkeit wie "Divers" zu integrieren.

Die Nichtbeachtung dieser rechtlichen Vorgaben kann für Unternehmen unangenehme Folgen haben. Zum einen können betroffene Personen unter Umständen Schadenersatzansprüche geltend machen. Zum anderen kann die Diskriminierung aufgrund des Geschlechts gegen das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) verstoßen und weitere rechtliche Konsequenzen nach sich ziehen.

Rechtstipp:

Überprüfung und Anpassung: Unternehmen sollten ihre Webshops, Onlineformulare und Papierformulare hinsichtlich der Erhebung personenbezogener Daten überprüfen und ggf. überarbeiten.       

Integrierung weiterer Optionen: Es sollten mindestens zusätzliche Auswahlmöglichkeiten wie "Divers" eingeführt werden, um die geltenden gesetzlichen Anforderungen zu erfüllen.

Datenschutz beachten: Bei der Erhebung von Geschlechtsangaben ist auch der Datenschutz zu berücksichtigen. Die Abfrage von Geschlechtsmerkmalen sollte nur dann erfolgen, wenn sie sachlich gerechtfertigt ist.

Sensibilisierung der Mitarbeiter: Mitarbeiter, die mit der Erstellung von Formularen und Software befasst sind, sollten für die aktuellen rechtlichen Vorgaben sensibilisiert und entsprechend geschult werden.

Fazit

Die Entscheidungen des BGH und des OLG Frankfurt am Main setzen einen deutlichen rechtlichen Rahmen: Unternehmen müssen in ihren Formularen und Eingabemasken die Vielfalt der Geschlechteridentitäten berücksichtigen. Pflichtangaben, die lediglich eine binäre Auswahl zwischen "Herr" bzw. "Mann" und "Frau" vorsehen, verstoßen gegen die geltende Rechtslage und können rechtliche Konsequenzen nach sich ziehen. Durch die Integration zusätzlicher Optionen wie "Divers" können Unternehmen jedoch relativ einfach sicherstellen, dass sie den gesetzlichen Anforderungen gerecht werden und Diskriminierung vermeiden. Im Zweifelsfall sollte immer rechtlicher Rat eingeholt werden.

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Foto(s): pixabay


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