Wenn Verantwortung zum Risiko wird – was Arbeitnehmer bei gravierenden Missständen tun dürfen und müssen

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Der tragische Absturz eines Touristenhubschraubers in den Hudson River, bei dem sechs Menschen ums Leben kamen, hat nicht nur Entsetzen ausgelöst, sondern auch arbeitsrechtliche Fragen aufgeworfen. Im Fokus steht die Betreiberfirma „New York Helicopter Tours“, gegen die die US-Luftfahrtbehörde (FAA) ein Flugverbot erlassen hat. Hintergrund ist der Verdacht, dass der Betriebsleiter – offenbar aufgrund interner Warnungen zu Sicherheitsrisiken – fristlos entlassen wurde, nachdem er aus eigener Initiative den Flugbetrieb stoppen wollte.

Der Fall zeigt exemplarisch, in welchem Dilemma sich verantwortliche Arbeitnehmer befinden können, wenn sie erhebliche Missstände feststellen – und die Geschäftsführung auf taub stellt. Wie verhält man sich richtig? Was darf man sagen – und wem?

Pflicht zur Loyalität – aber nicht um jeden Preis

Arbeitnehmer in leitenden Positionen trifft eine besondere Loyalitätspflicht gegenüber dem Unternehmen. Sie sollen nach innen wirken und versuchen, erkannte Probleme intern zu lösen. Dazu gehört es, Sicherheitsbedenken oder Rechtsverstöße zunächst innerbetrieblich zu melden – sei es gegenüber der Geschäftsführung, einem Compliance-Beauftragten oder der internen Revision.

Doch was, wenn diese Hinweise ignoriert oder gar unterdrückt werden – wie im New Yorker Fall offenbar geschehen?

Whistleblower-Recht: Der richtige Weg zur Meldung

Seit dem Inkrafttreten des Hinweisgeberschutzgesetzes (HinSchG) in Deutschland ist klar geregelt, wie Hinweise auf Rechtsverstöße oder Gefahren für Leib und Leben weitergegeben werden dürfen. Das Gesetz schützt sogenannte Whistleblower vor Repressalien – allerdings nur, wenn sie bestimmte Regeln beachten:

  1. Zuerst intern melden: Bevor man sich an Behörden oder gar an die Öffentlichkeit wendet, müssen alle zumutbaren internen Meldewege ausgeschöpft werden.

  2. Dann externe Meldung möglich: Erst wenn keine Abhilfe erfolgt, drohende Gefahren bestehen oder interne Meldungen unzumutbar sind, darf man sich an externe Meldestellen, wie z. B. die BAFin oder das Bundesamt für Justiz, wenden.

  3. Letzter Schritt: Strafverfolgungsbehörden oder Öffentlichkeit: Nur in Ausnahmefällen – etwa bei akuter Gefahr oder drohendem Vertuschen – ist eine direkte Meldung an die Staatsanwaltschaft oder Medien rechtlich geschützt.

Wer sich nicht an diese Reihenfolge hält, riskiert arbeitsrechtliche Konsequenzen – auch eine Kündigung ist möglich.

Keine Angst vor anwaltlicher Beratung

Wichtig zu wissen: Bereits im Vorfeld dürfen und sollten sich Hinweisgeber rechtlich beraten lassen. Wer etwa wissen will, ob er bei Bekanntwerden eines Problems zur Meldung verpflichtet ist, ob er haftet oder sich strafbar macht, kann jederzeit einen Anwalt konsultieren. Das verletzt nicht die arbeitsvertragliche Verschwiegenheitspflicht, da Anwälte zur beruflichen Verschwiegenheit verpflichtet sind (§ 203 StGB). Eine frühzeitige juristische Beratung schützt also nicht nur den Arbeitsplatz, sondern oft auch Leben – wie der New Yorker Fall tragisch zeigt.

Verantwortung braucht Rechtssicherheit

Gerade in sicherheitskritischen Branchen, aber auch in allen anderen Arbeitsverhältnissen gilt: Wer Probleme erkennt, muss sie ansprechen – aber richtig. Das Hinweisgeberschutzgesetz schafft einen rechtssicheren Rahmen, um Loyalität, Verantwortungsbewusstsein und Schutz vor Repressalien miteinander zu vereinbaren.

Unser Rat: Wenn Sie als Arbeitnehmer gravierende Missstände erkennen, zögern Sie nicht, rechtlichen Rat einzuholen. Gemeinsam finden wir den Weg, der rechtlich korrekt – und menschlich richtig – ist.



Rechtsanwalt Alexander Meyer Fachanwalt für Arbeitsrecht
abfindung4u.de 

FAQ: Verantwortung, Loyalität und Hinweisgeberschutz im Arbeitsverhältnis

Was muss ich tun, wenn ich als Arbeitnehmer schwerwiegende Missstände erkenne?
Sie sind verpflichtet, zunächst alle internen Meldemöglichkeiten auszuschöpfen – z. B. durch Hinweis an Vorgesetzte, die Geschäftsleitung oder interne Meldestellen. Erst wenn keine Reaktion erfolgt oder die Meldung unzumutbar ist, dürfen Sie externe Stellen einschalten.

Darf ich mich direkt an eine Behörde oder die Presse wenden?
Nein – nur in Ausnahmefällen. Das Hinweisgeberschutzgesetz verlangt grundsätzlich, dass der Arbeitgeber zuerst informiert wird. Erst bei Untätigkeit oder Gefahr im Verzug dürfen Behörden oder Medien kontaktiert werden.

Bin ich durch das Hinweisgeberschutzgesetz vor einer Kündigung geschützt?
Ja, sofern Sie den vorgeschriebenen Meldeweg einhalten. Das Gesetz verbietet jegliche Benachteiligung wegen einer rechtmäßigen Meldung – etwa Abmahnungen, Kündigungen oder Versetzungen.

Verstoße ich gegen meine Verschwiegenheitspflicht, wenn ich einen Anwalt kontaktiere?
Nein. Die Konsultation eines Rechtsanwalts ist jederzeit zulässig – auch ohne Zustimmung des Arbeitgebers. Anwälte unterliegen der gesetzlichen Verschwiegenheitspflicht und dürfen ohne Ihre Einwilligung keine Informationen weitergeben.

Kann ich auch als leitender Angestellter unter den Hinweisgeberschutz fallen?
Ja. Das Hinweisgeberschutzgesetz gilt unabhängig von der Position im Unternehmen – entscheidend ist allein, dass Sie beruflich Zugang zu Informationen über Rechtsverstöße oder Gefahren haben.

Welche Risiken gehe ich ein, wenn ich Missstände einfach ignoriere?
In bestimmten Branchen – etwa Luftfahrt, Medizin oder Lebensmittel – kann Untätigkeit selbst strafbar sein (z. B. wegen Unterlassens). Zudem drohen persönliche Haftungsrisiken, insbesondere bei leitenden Funktionen.

Foto(s): Alexander Meyer

Rechtstipp aus dem Rechtsgebiet

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