Zugang einer Kündigungserklärung bei Einwurf in den Briefkasten
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Das Bundesarbeitsgericht (BAG) entschied im Rahmen einer Kündigungsschutzklage mit Urteil vom 22.08.2019 (2 AZR 111/19), dass ein in den Hausbriefkasten eingeworfenes Kündigungsschreiben zugegangen ist, sobald nach der Verkehrsanschauung mit der nächsten Entnahme zu rechnen ist.
Das kann für Arbeitnehmer sowie Arbeitgeber bedeutende Auswirkungen haben.
Der Ausgangsfall
In dem oben zitierten Fall stritten die Parteien über die Wirksamkeit einer außerordentlichen Kündigung.
Die Beklagte kündigte das Arbeitsverhältnis mit Schreiben vom 27. Januar 2017 (Freitag) außerordentlich fristlos mit sofortiger Wirkung, hilfsweise ordentlich zum nächstmöglichen Termin. Das Kündigungsschreiben wurde an demselben Tag von Mitarbeitern der Beklagten gegen 13:25 Uhr in den Hausbriefkasten des Klägers geworfen. Der Kläger gibt an, er habe das Kündigungsschreiben erst am 30. Januar 2017 in seinem Briefkasten vorgefunden. Frühestens sei es ihm am Folgetag des 27. Januar 2017 zugegangen, da die Postzustellung in dem Dorf des Klägers gegen 11:00 Uhr beendet sei.
Die Kündigungsschutzklage erhob der Kläger am 20.02.2017 – somit genau drei Wochen nach dem 30. Januar 2017.
Das Arbeitsgericht sowie das Landesarbeitsgericht (LAG) haben die Klage jeweils abgewiesen.
Das Bundesarbeitsgericht entscheidet anders
Das BAG hielt die Revision für begründet und verwies das Verfahren zurück an das LAG.
Das BAG stellte in seiner Entscheidung klar, dass die Möglichkeit der Kenntnisnahme, nach den „gewöhnlichen Verhältnissen“ und den „Gepflogenheiten des Verkehrs“ zu beurteilen ist. Der Einwurf in einen Hausbriefkasten ist somit zugegangen, sobald nach der Verkehrsanschauung mit der nächsten Entnahme zu rechnen ist. Dabei darf zwar nicht auf die individuellen Verhältnisse des Empfängers abgestellt werden, wie z. B. eine Vereinbarung mit dem Postboten über individuelle Zustellzeiten oder krankheits- oder urlaubsbedingte Abwesenheit. Aber nach der Auffassung des BAG zählen örtliche Postzustellzeiten nicht zu diesen unbeachtlichen individuellen Verhältnissen.
Entgegen der Auffassung des LAG, kann nicht nach den gewöhnlichen Verhältnissen und Gepflogenheiten des Verkehrs mit einer Kenntnisnahme von Schriftstücken bis 17:00 Uhr gerechnet werden.
Was gibt es bei einer rechtssicheren Zustellung eines Kündigungsschreibens zu beachten?
Eine rein mündlich erklärte Kündigung ist gemäß § 623 BGB unwirksam. Die Übergabe des Kündigungsschreibens im Laufe des Kündigungsgesprächs stellt eine Zustellung sicher – allerdings könnte die Beweisbarkeit der Zustellung vor Gericht problematisch sein. Deshalb sollten zumindest Zeugen anwesend sein.
Falls die eigenhändige Übergabe nicht möglich oder gewollt ist, kann die Zustellung natürlich postalisch erfolgen.
Der (vermeintlich) heilige Gral der Postzustellung – das Einschreiben mit Rückschein – birgt allerdings einige Probleme. Zum einen kann der Empfänger die Annahme direkt verweigern. Zum anderen besteht die Möglichkeit (bei Abwesenheit), dass der Empfänger lediglich eine Nachricht bekommt, dass er sich den Brief bei einer Postfiliale abholen kann. Dann bleibt offen, ob der Empfänger den Brief überhaupt dort abholt. Falls er es machen sollte, beweist der Rückschein allerdings nicht, welchen Inhalt das empfangene Schreiben hatte. Letzteres ist auch problematisch beim Einschreiben-Einwurf.
Am sichersten ist die Zustellung durch einen Boten (Zeuge), der auch den Inhalt des Schreibens kennt und bezeugen kann, dass das Schreiben in den richtigen Briefkasten geworfen oder dem Empfänger persönlich übergeben wurde. Bildlich gesprochen muss der Bote somit bei der Unterzeichnung und dem „Eintüten“ des Schreibens dabei sein und die Übergabe bzw. den Einwurf selbst mit Sorgfalt ausführen.
Was bedeutet das für eine Klage gegen die Kündigung?
Wenn das Kündigungsschreiben „nur“ in den Briefkasten eingeworfen wurde, bleibt die Gefahr bestehen, dass mit der Kenntnisnahme des Schreibens erst am Folgetag zu rechnen ist – unabhängig davon, wer den Brief eingeworfen hat. Wie dem obigen Urteil des BAG zu entnehmen ist, können die „gewöhnlichen“ Umstände (Verkehrsanschauung), nach denen mit der Kenntnisnahme zu rechnen ist, je nach Wohnort oder anderen Faktoren variieren. Diese unterschiedlichen örtlichen Verhältnisse sind schwierig und nur mit unverhältnismäßigem Aufwand herauszufinden. Deshalb sollte mit der Einleitung rechtlicher Schritte gegen die Kündigung nicht zu lange gewartet werden und die Drei-Wochen-Frist nicht bis zur letzten Sekunde ausgeschöpft werden.
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