Depressionen führen nicht automatisch zur Testierunfähigkeit – OLG Brandenburg 3 W 28/24

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Schwere psychische Erkrankungen wie Depressionen führen nicht automatisch zur Testierunfähigkeit des Erblassers. Das gilt auch dann, wenn der Erblasser sich schließlich das Leben genommen hat. Das hat das Oberlandesgericht Brandenburg mit Beschluss vom 19. März 2024 entschieden (Az.: 3 W 28/24).

„Testierunfähigkeit liegt dann vor, wenn der Testierende aufgrund von Krankheit nicht mehr in der Lage ist, die Auswirkungen seiner letztwilligen Verfügungen zu erkennen. Bei Depressionen oder Alkoholsucht kann aber nicht automatisch davon ausgegangen werden, dass Testierunfähigkeit vorliegt“, sagt Rechtsanwalt Hansjörg Looser, BRÜLLMANN Rechtsanwälte.

Das sah auch das OLG Brandenburg in dem zu Grunde liegenden Fall so. Hier hatte der Erblasser seine Ziehtochter in einem handschriftlichen Testament als Alleinerbin eingesetzt. Neben mehreren körperlichen Gebrechen litt der Erblasser auch an Depressionen bis hin zu einer bipolaren Störung und war deswegen seit Jahren in fachärztlicher Behandlung. Zudem war er Alkoholiker. Seine Krankheiten führten schließlich dazu, dass er Suizid beging, wie er in einem Abschiedsbrief mitteilte. Er habe diese Entscheidung schon seit Langem geplant. Zuvor habe er aber noch die Erbschaftsangelegenheit regeln müssen.

Die Schwester des Erblassers wandte sich gegen den Erbscheinantrag der Ziehtochter. Sie hielt ihren Bruder aufgrund seiner psychischen Erkrankungen für nicht testierfähig. Mit dieser Argumentation kam sie am Amtsgericht nicht durch, denn sowohl der behandelnde Arzt als auch eine Sachverständige hielten den Erblasser für testierfähig. Die Sachverständige führte in ihrem Gutachten aus, dass es keinerlei Hinweise dafür gebe, dass der Erblasser aufgrund seiner Erkrankungen testierunfähig sei.

Das OLG Brandenburg bestätigte die Entscheidung des Amtsgerichts. Der Erblasser sei testierfähig gewesen und der Ziehtochter der Erbschein zu erteilen.

Zur Begründung führte das OLG aus, dass die Alkoholsucht des Erblassers für sich allein keine krankhafte Störung der Geistestätigkeit, die zum Ausschluss der freien Willensbestimmung führt, begründe. Es gebe auch keine belastbaren Anzeichen dafür, dass der Erblasser bei der Errichtung des Testaments derart alkoholisiert war, dass er vorrübergehend unter einer Bewusstseinsstörung litt, die die Testierfähigkeit zu diesem Zeitpunkt ausschließt. Der Text sei flüssig und mit fester Handschrift inhaltlich stringent abgefasst.

Es sei auch nicht davon auszugehen, dass die manisch-depressive Erkrankung die Testierfähigkeit des Erblasser bei der Testamentserrichtung eingeschränkt habe, verwies das OLG auf das Sachverständigengutachten. Dafür spreche auch, dass er in seinem Abschiedsbrief ausdrücklich erwähnt hat, dass er die Erbschaftsangelegenheit noch habe regeln müssen, bevor er in den Freitod ging.

„Testierfähigkeit geht mit schweren psychischen Erkrankungen nicht automatisch verloren. Wesentlich für die Testierfähigkeit ist, dass der Testierende eine ausreichende Einsichts- und Willensbildungsfähigkeit hat. Um Erbstreitigkeiten zu vermeiden, kann es aber sinnvoll sein, ein Testament möglichst frühzeitig zu erstellen, bevor eine Erkrankung weiter voranschreitet und es begründete Zweifel an der Testierfähigkeit geben kann“, so Rechtsanwalt Looser.

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