Anerkannte Regeln der Technik und technische Regelwerke
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In Bauverträgen wie auch Planerverträgen wird häufig vereinbart, dass Planung und Bauausführung den anerkannten Regeln der Technik (a.R.d.T.) entsprechen müssen. Eine Abweichung von den a.R.d.T. führt daher in der Regel zu Sachmängelhaftungsansprüchen gegen Planer oder Bauunternehmen. Ein relativ neues Urteil des OLG Hamm (Urteil vom 14.08.2019 – 12 U 73/18) hat die Diskussion zu diesem Thema erneut befeuert.
Um zu ermitteln, was den a.R.d.T. entspricht, sind zunächst die einschlägigen Regelwerke heranzuziehen. Dies können DIN-Normen, Europäische Normen (DIN-EN ISO) oder Regelwerke von Branchenverbänden (z. B. DVGW-Regelwerke, VDE-Normen, VDI-Richtlinien) sein. Diese Regelwerke werden meist von qualifiziert besetzten Gremien erarbeitet, stellen jedoch keine Rechtsnormen dar, sondern sind technische Regelungen mit Empfehlungscharakter. Wenn sich diese jedoch in der technischen Wissenschaft als theoretisch richtig erwiesen haben und aufgrund fortdauernder praktischer Erfahrung als technisch geeignet, angemessen und notwendig anerkannt sind, bilden sie die a.R.d.T. ab. Allerdings müssen die technischen Regelwerke nicht zwingend den a.R.d.T. entsprechen. Die Fortentwicklung dieser Regelwerke ist von vielen Einflüssen abhängig und vollzieht sich manchmal schleppend, sodass in der Vergangenheit bereits technische Regelwerke von der Rechtsprechung als solche erkannt wurden, die den anerkannten Regeln der Technik nicht mehr entsprechen, sodass eine Bauausführung entsprechend dieser noch gültigen Regelwerke gleichwohl eine mangelhafte Leistung darstellte. So entspricht die Außenwandabdichtung mit kunststoffmodifizierter Bitumendickbeschichtung und Anschluss an WU-Betonbodenplatten für den Lastfall Druckwasser – trotz Konformität mit den Regelungen der Abdichtungsnorm – nicht den a.R.d.T. (vgl. OLG Hamm, Urteil vom 14.08.2019 – 12 U 73/18 (nicht rechtskräftig)). Eine veraltete DIN-Norm, die über einen längeren Zeitraum nicht mehr fortgeschrieben worden ist, kann daher unter Umständen auch nicht mehr als anerkannte Regel der Technik gelten, wie dies z. B. beim Schallschutz entschieden wurde (BGH, ZfBR 2007, 671).
Allerdings besteht für DIN-Normen eine, wenn auch widerlegbare, Vermutung, dass sie den a.R.d.T. entsprechen. Existiert jedoch bereits ein sogenannter „Gelbdruck“ für eine DIN-Norm oder ist aus wissenschaftlichen Publikationen bekannt, dass Bedenken gegen die Richtigkeit der DIN-Normen bestehen, kann diese Vermutung möglicherweise entkräftet werden.
Allein ein wissenschaftlicher Meinungsstreit über die Frage, ob die DIN-Normen – noch – den a.R.d.T. entsprechen, genügt jedoch nicht. Es muss sich in der Praxis auch bereits eine abweichende und bessere Ausführung durchgesetzt und bewährt haben.
Fraglich ist dabei, welcher Zeitpunkt maßgeblich ist. In Betracht kommt der Zeitpunkt des Vertragsschlusses, der Zeitpunkt der Planung oder der Abnahme der Bauleistung. Nach herrschender Meinung – und dies ergibt sich auch aus § 13 Abs. 1 Satz 1 und 2 VOB/B – hat die Bauleistung zum Zeitpunkt der Abnahme den a.R.d.T. zu entsprechen. Wenn sich zwischen Vertragsschluss und Abnahme jedoch Regeländerungen ergeben haben, ist es unter Umständen notwendig, in anderer Form zu bauen als bei Vertragsschluss noch vorgesehen und kalkuliert wurde. Gleichwohl ist der Bauunternehmer wie auch der Planer verpflichtet, ein zum Zeitpunkt der Abnahme den a.R.d.T. entsprechendes Werk zu erstellen.
Bei einer Regeländerung zwischen Vertragsschluss und Abnahme gibt es dabei zwei Möglichkeiten:
- Der Bauherr wird auf die Regeländerung und die sich hieraus ergebenden Änderungen hingewiesen, dies auch unter Hinweis auf den sich hieraus ergebenden Mehrvergütungsanspruch, oder
- der Bauherr entscheidet sich in Kenntnis der Situation dazu, die Änderung der Bauausführung nicht vorzunehmen und entsprechend der bei Vertragsschluss geltenden Regeln zu bauen, um z. B. Mehrkosten zu vermeiden. Wenn eine solche Vereinbarung getroffen wird, entspricht die von den a.R.d.T. abweichende Beschaffenheit des Werkes der Vereinbarung der Parteien und ist dann kein Mangel. Dies geht selbstredend nur bei solchen Regeländerungen, die keinen zwingenden gesetzlichen Charakter tragen.
Planer und Bauunternehmer sind also gut beraten, technische Regelwerke nicht kritiklos hinzunehmen sondern sich über neue technische Entwicklungen auf dem Laufenden zu halten, um festzustellen, ob sich zwischen Vertragsschluss und Abnahme eine Regeländerung ergeben hat oder die geltenden Regeln den a.R.d.T. ggf. nicht mehr entsprechen. Selbst ein nach dem Regelwerk errichtetes Bauvorhaben ist jedenfalls mangelhaft, wenn es bei Abnahme den a.R.d.T. nicht entspricht, es sei denn, dies ist mit den Bauherren ausdrücklich so vereinbart.
Borufka
Rechtsanwalt
Rechtsanwaltssozietät WIGU
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