Arbeitsrechtliche Abmahnung – Fiktion und Realität
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Unabhängig davon ob Arbeitnehmer* oder Arbeitgeber*, jeder kennt die arbeitsrechtliche Abmahnung. Es wird zu arbeitsrechtlichen Abmahnungen, vor allem im Internet, viel geschrieben. Aber trifft dies denn zu, was im Internet über die arbeitsrechtliche Abmahnung angeführt wird, insbesondere im Verhältnis zur arbeitgeberseitigen Kündigung (sowohl ordentlich, fristgemäß, als auch außerordentlich, fristlos).
Der Artikel richtet sich an Arbeitgeber, wie auch an Arbeitnehmer gleichermaßen.
Grundsätzliches zur Abmahnung
Mithilfe einer Abmahnung wird ein Arbeitnehmer von seinem Arbeitgeber auf die Verletzung seiner arbeitsvertraglichen Pflichten aufmerksam gemacht und auf die künftige Einhaltung seiner arbeitsvertraglichen Pflichten hingewiesen und aufgefordert. Zum Schluss (Im Regelfall) einer jeden Abmahnung droht der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer an, dass bei weiteren arbeitsvertraglichen Verstößen die Kündigung des Arbeitsverhältnisses erfolgen kann.
Die vorbezeichnete Form stellt auch gleichzeitig die drei Funktionen dar, die eine Abmahnung zu erfüllen hat (Rügefunktion, Warn- bzw. Hinweisfunktion und Dokumentationsfunktion).
Erfüllt eine Abmahnung eine dieser Funktionen nicht oder nur unzureichend, so kann dies zur Konsequenz haben, dass die Abmahnung unzulässig ist und bereits aus diesem Grunde aus der Personalakte zu entfernen ist.
Denn eine Abmahnung dient dazu den Arbeitnehmer auf eine konkrete, inhaltlich bestimmte Pflichtverletzung hinzuweisen und ihn zu einem künftig vertragsgemäßen Verhalten anzuhalten.
Bei einer bloß pauschalen Rüge, weiß der Arbeitnehmer im Zweifel nicht, worin genau seine Pflichtverletzung bestanden haben soll, sodass er damit auch nicht weiß, was er künftig zu vermeiden hat bzw. wie er sich künftig vertragstreu verhält, um sodann keine weitere Abmahnung oder gar Kündigung zu riskieren.
Fiktion und Realität zur arbeitsrechtlichen Abmahnung
Behauptung: Es sind stets drei Abmahnungen vom Arbeitgeber auszusprechen, bevor eine Kündigung vom Arbeitgeber erfolgen darf.
Antwort: Nein! Je nach Erheblichkeit der arbeitsvertraglichen Pflichtverletzung bedarf es noch nicht mal einer Abmahnung, sondern es kann unmittelbar die Kündigung, eventuell sogar die außerordentlich, fristlose Kündigung ausgesprochen werden.
Ob es keiner, einer oder mehrerer Abmahnungen bedarf, ist häufig von Fall zu Fall unterschiedlich!
Es kann aber durchaus sinnvoll sein im Wiederholungsfall derselben oder einer gleichartigen Pflichtverletzung, mehrere Abmahnungen auszusprechen, bevor eine arbeitgeberseitige Kündigung ausgesprochen wird:
1.
Die Pflichtverletzung ist nicht derartig gravierend bzw. wird vom Arbeitgeber als nicht derartig gravierend angesehen, dass er im Wiederholungsfall direkt die Kündigung ausspricht/ aussprechen möchte. (Mehrmaliges Zu-spät zur Arbeit erscheinen um wenige Minuten könnte als Beispiel genannt werden, wobei dies durchaus auch als schwerwiegenderer Verstoß angesehen werden könnte).
2.
Ein weiterer Fall kann darin erblickt werden, wenn zwischen der letzten und der neuerlichen Abmahnung eine erhebliche Zeitspanne liegt, sodass aus Gründen der Hinweis- und Warnfunktion, welche die Abmahnung zu erfüllen hat, eine neuerliche Abmahnung sinnvoll und eventuell erforderlich wäre.
Dies schlägt sodann die Brücke zur nächsten These:
Behauptung: Eine Abmahnung verjährt bzw. eine Abmahnung verliert aufgrund abgelaufener Zeit ihre Wirkung und ist sodann aus der Personalakte zu nehmen (ähnlich wie es bei Punkten im Fahreignungsregister (Punkte in Flensburg) oder mit Eintragungen im BZR der Fall ist).
Antwort: Nein! Abmahnungen verjähren nicht und sie verlieren nicht ihre Wirkung. Eine wesentliche Wirkung, die jede Abmahnung zeitigen kann (unabhängig davon, wie alt die Abmahnung ist) und sehr wahrscheinlich wird, ist die negative Wirkung auf das qualifizierte Arbeitszeugnis.
Behauptung: Für jede Pflichtverletzung ist eine Abmahnung auszusprechen, mehrere Pflichtverletzungen können nicht in eine Abmahnung zusammengefasst werden.
Antwort: Nein! Es kommt relativ häufig vor, dass der Arbeitgeber mehrere Pflichtverletzungen in einer Abmahnung zusammenfasst.
Behauptung: Es ist gut mehrere Pflichtverletzungen in einer Abmahnung zusammenzufassen.
Antwort: Nein! Denn mit der Rspr. des LAG Hamm /Westfalen), Urt. v. 20.5.2005 – 15 Sa 378/05 -, juris) ist darauf hinzuweisen, dass wenn mehrere vermeintliche Pflichtenverstöße in einer einheitlichen Abmahnung gerügt werden, für die Begründetheit eines Entfernungsanspruchs der gesamten Abmahnung (Geltendmachung der Entfernung der Abmahnung aus der Personalakte) ausreichend ist, wenn einer der darin gerügten, vermeintlichen Pflichtenverstöße sich als tatsächlich unzutreffend, auf einer fehlerhaften juristischen Bewertung beruhend oder gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit verstoßend, zu charakterisieren ist.
Wie nun geht man am Besten gegen eine Abmahnung vor?
Es gibt zwei Möglichkeiten auf eine Abmahnung des Arbeitgebers zu reagieren, wobei an sich grds. nur die erste Alternative juristisch die Möglichkeit eröffnet, dass eine Abmahnung aus der Personalakte zu entfernen ist):
1.
Gegen eine Abmahnung kann der Anspruch auf Entfernung in der Weise geltend gemacht werden,
dass die Abmahnung aus der Personalakte zu entfernen ist und der Arbeitgeber es künftig zu unterlassen hat, sich auf die Abmahnung zu berufen.
Dieser Anspruch wird in aller Regel (wenigstens hilfsweise) mit dem Widerspruch gegen die Abmahnung verbunden und der Aufforderung, das Schreiben, in dem man Widerspruch gegen die Abmahnung erklärt und die entsprechende Gegendarstellung zur Personalakte zu nehmen.
Denn in aller Regel wird dem Entfernungsanspruch des Arbeitnehmers im außergerichtlichen Bereich nicht Folge geleistet.
2.
Gegen eine Abmahnung kann ein Widerspruch mit der Aufforderung erklärt werden, diesen Widerspruch gegen die Abmahnung zur Personalakte zu nehmen. Der Widerspruch ist schriftlich (per Post) oder in Textform (per E-Mail) zu erklären. Dies ist aus Beweiszwecken sehr ratsam.
Es ist häufig sinnvoll gegen eine Abmahnung vorzugehen, da viele Abmahnungen unter Fehlern leiden, die die Geltendmachung eines Entfernungsanspruchs erfolgsversprechend erscheinen lassen.
Da man aber vor allem bei der Formulierung der Gegendarstellung vorsichtig sein muss, da sich gerne Emotionen in die Formulierungen mischen und bei der juristischen Begründung Feinheiten zu beachten sind, ist zu raten fachkundige anwaltliche Hilfe in Anspruch zu nehmen.
Haben Sie eine arbeitsrechtliche Abmahnung erhalten und wollen sich gegen diese zu Wehr setzen?
Im Rahmen einer Erstberatung wird geprüft, ob und in welcher Weise es sinnvoll ist, gegen die Abmahnung vorzugehen.
Oder wollen Sie als Arbeitgeber einen Arbeitnehmer abmahnen, sind sich aber unsicher ob das Verhalten abmahnungsbedürftig ist oder wissen nicht, wie Sie die Abmahnung formulieren sollen. Diese und weitere Fragen werden im Rahmen einer Erstberatung geprüft und Lösungsvorschläge an die Hand gegeben.
*die männliche Form wurde nur zur Vereinfachung der Lesbarkeit verwendet.
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