BGH: Kein Entfallen der Wiederholungsgefahr bei Ablehnung der strafbewehrten Unterlassungserklärung

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In seinem Urteil „Wegfall der Wiederholungsgefahr III“ klärte der BGH die bislang umstrittene Rechtsfrage, ob eine Unterlassungserklärung nach Hamburger Brauch ohne feste Mindestvertragsstrafe ausreicht, um die Wiederholungsgefahr im Falle einer erneuten Zuwiderhandlung auszuräumen (BGH, Urteil vom 01.12.2022, AZ. I ZR 144/21).

Worum ging es?

Der Automobilhersteller Audi verklagte einen Online-Händler wegen wiederholter Markenverletzung. Der Online-Händler hatte bereits früher auf eine Abmahnung von Audi eine Unterlassungserklärung nach dem sogenannten „Hamburger Brauch“ abgegeben. Eine solche überlässt es dem Gläubiger im Falle einer zukünftigen Zuwiderhandlung des Schuldners gegen die vertragliche Unterlassungspflicht, die Strafhöhe nach seinem billigen Ermessen festzulegen. Audi nahm diese Erklärung an, stellte jedoch einige Zeit später eine erneute Markenverletzung des Online-Händlers fest. Sie mahnte diesen daraufhin erneut ab und forderte ihn zur Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung, dieses Mal mit konkret bezifferter Vertragsstrafe ab. Darüber hinaus machten sie eine Vertragsstrafe wegen des begangene Verstoßes gegen die seinerzeitige Erklärung geltend. Der Online-Händler gab daraufhin zwar eine weitere Unterlassungserklärung ab, diese wies jedoch keine konkret bezifferte Vertragsstrafe auf, sondern wieder nach „Hamburger Brauch“.  Das genügte Audi nicht, da der Konzern u.a. die Ernsthaftigkeit der Erklärung bezweifelte. 

Entscheidung des BGH

  1. Neue Wiederholungsgefahr durch erneuten Verstoß
    Der BGH stellte klar, dass eine erneute Markenverletzung nach einer bereits abgegebenen Unterlassungserklärung eine neue Wiederholungsgefahr begründet. Mit der neuen Gefahr entsteht auch ein erneuter Unterlassungsanspruch des Markeninhabers. Dieser Anspruch kann nur durch eine weitere Unterlassungserklärung oder andere geeignete Maßnahmen beseitigt werden.

  2. Erforderliche Höhe der Vertragsstrafe
    Eine zweite Unterlassungserklärung ist nur dann geeignet, die Wiederholungsgefahr auszuräumen, wenn sie eine erheblich höhere Strafandrohung enthält. Eine solche erhöhte Strafandrohung kann auch im Rahmen des „Hamburger Brauchs“ erfolgen, weil dieser dem Markeninhaber die Möglichkeit gibt, die Höhe der Strafe deutlich zu steigern. Der BGH erkannte den „Hamburger Brauch“ daher weiterhin als ein „besonders geeignetes Mittel“ zur Verhinderung zukünftiger Verstöße an.

  3. Wiederaufleben der Wiederholungsgefahr bei Ablehnung der zweiten Erklärung
    Der BGH betonte jedoch, dass die Wiederholungsgefahr und damit der Unterlassungsanspruch wieder auflebt, wenn der Markeninhaber die erneute Unterlassungserklärung ablehnt. Diese Ablehnung verhindert das Zustandekommen eines neuen Unterlassungsvertrags, der Voraussetzung für die Durchsetzung einer Vertragsstrafe bei künftigen Verstößen ist. Nur ein solcher wirksamer Unterlassungsvertrag kann die Wiederholungsgefahr tatsächlich dauerhaft entfallen lassen.

  4. Änderung der bisherigen Rechtsprechung
    In diesem Punkt änderte der BGH seine bisherige Rechtsprechung: Früher galt, dass die Wiederholungsgefahr bereits mit Zugang einer geeigneten Unterlassungserklärung dauerhaft entfällt, unabhängig davon, ob der Gläubiger sie akzeptiert oder nicht. Diese Auffassung gab der BGH auf. Künftig entfällt die Wiederholungsgefahr nur vorübergehend mit der Abgabe einer Unterlassungserklärung, bis der Gläubiger sie ablehnt. Mit der Ablehnung lebt die Wiederholungsgefahr wieder auf, und der Unterlassungsanspruch bleibt bestehen.

Folgen der Entscheidung

Durch diese Entscheidung hat der BGH dem Markeninhaber mehr Kontrolle darüber gegeben, ob eine Unterlassungserklärung die Wiederholungsgefahr tatsächlich beseitigt. Der Gläubiger kann durch Ablehnung der Erklärung dafür sorgen, dass der Unterlassungsanspruch weiterhin besteht und er gerichtlich vorgehen kann. Für den Schuldner bedeutet dies, dass er nicht darauf vertrauen kann, dass eine erneute Unterlassungserklärung ohne Zustimmung des Gläubigers immer ausreicht, um den Unterlassungsanspruch aus der Welt zu schaffen.

Praxishinweise

  1. Für Markenverletzer (oder Verletzer wettbewerbsrechtlicher Schutznormen) (Schuldner)
    Eine Unterlassungserklärung nach „Hamburger Brauch“ kann auch bei wiederholten Verstößen die Wiederholungsgefahr beseitigen. Allerdings muss der Gläubiger die Erklärung akzeptieren. Sollte die Erklärung abgelehnt werden, kann der Schuldner entweder gegenüber einem Dritten eine neue Erklärung abgeben oder den Unterlassungsanspruch sofort vor Gericht anerkennen, was die Wiederholungsgefahr ebenfalls beseitigen kann.

  2. Für Markeninhaber (oder verletzte Wettbewerber (Gläubiger)
    Der Gläubiger hat es in der Hand, durch Ablehnung einer erneuten Unterlassungserklärung den Unterlassungsanspruch aufrechtzuerhalten und weiter gegen den Schuldner vorzugehen. Die Entscheidung des BGH stärkt damit die Position des Gläubigers bei der Durchsetzung von Unterlassungsansprüchen.

Fazit

Das Urteil des BGH schafft Klarheit darüber, wie Unterlassungserklärungen in Fällen wiederholter Markenverletzungen zu behandeln sind. Der BGH erkennt den „Hamburger Brauch“ weiterhin als wirksames Mittel an, um Wiederholungsgefahren zu beseitigen, gibt aber dem Gläubiger die Kontrolle darüber, ob eine zweite Erklärung tatsächlich die Wiederholungsgefahr beendet.

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