Corona am Bau

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Die Corona-Krise erschüttert nicht nur die ganze Gesellschaft, sondern wirkt sich auch auf Bauvorhaben aus. Es muss mit Bauzeitverzögerungen, aber auch Kostensteigerungen gerechnet werden, die von den Betrieben angekündigt werden oder schon wurden.

Wie geht man damit um und was ist berechtigt?

Ausgangspunkt ist, dass alle Vertragsparteien ein Interesse daran haben (oder haben sollten) ein Bauvorhaben zügig fertig zu stellen. Der Bauherr kann die Leistung nutzen, der Unternehmer bekommt sein Geld. Allerdings darf man nicht übersehen, dass es Unternehmer gibt, die diese Situation bewusst heranziehen, um den eigenen Verzug zu vertuschen.

Um es vorweg zu nehmen, lässt sich derzeit nicht sicher absehen, wie die Rechtsprechung mit dem Verzug am Bau und möglichen Kostensteigerungen umgeht und welche Voraussetzungen aufgestellt werden, unter denen der Bauherr oder auch der Unternehmer Ansprüche hat. Dennoch lässt sich schon einiges festhalten, was zumindest eine gewisse Sicherheit geben soll.

Dieser Beitrag soll nicht die theoretischen Fragen zur objektiven und subjektiven Unmöglichkeit darstellen, sondern nur einen kleinen Beitrag liefern, was bei einem Bauvorhaben in der Praxis zu tun ist.

1. Rechtliche Situation im Kurzüberblick

a) Verzögerungen

Der Verzug ist in § 286 BGB geregelt. In Absatz 1 heißt es u.a.:

„Leistet der Schuldner auf eine Mahnung des Gläubigers nicht, die nach dem Eintritt der Fälligkeit erfolgt, so kommt er durch die Mahnung in Verzug.“

Das alleine wäre recht einfach, da eine Fertigstellungsfrist oft im Vertrag vereinbart ist, oder der Bauherr auch Fristen setzen kann. Nach Fristablauf könnte er dann ggfs. auch wichtigem Grund kündigen oder Schadensersatz verlangen.

Der Untenehmer wird dann aber einwenden, dass eine höhere Gewalt vorliege, die es unmöglich mache, die Leistung zu erbringen. Deshalb ist zu prüfen, ob eine solche Unmöglichkeit oder zeitweise Unmöglichkeit vorliegt und was dieses für das Bauvorhaben bedeutet.

§ 275 BGB regelt sog. Unmöglichkeiten, also wenn es für den Schuldner, hier den Unternehmer, unmöglich ist die Leistung zu erbringen. Vereinfacht gesagt muss der Unternehmer die Leistung nicht erbringen, wenn

  • dieses für ihn oder jeden anderen unmöglich ist, § 275 Abs. 1 BGB.

Das was sich einfach anhört, ist es aber nicht. Denn die Unmöglichkeit muss – eigentlich - dauerhaft sein. Das wird hoffentlich in unserer Situation nicht der Fall sein. Aber nicht einmal diese Voraussetzung lässt sich sicher feststellen, da eine vorübergehende Unmöglichkeit auch nicht dazu führen darf, dass an dem Vertrag „ewig“ festgehalten wird.

Meistens wird der Unternehmer auch Mitarbeiter beschäftigen, die die eigentliche Arbeit leisten. Dann könnten diese anderen Mitarbeiter doch die Leistung erbringen.

Wenn der Handwerker als „Ein Mann Betrieb“ arbeitet, oder der Inhaber aufgrund des Vertrags verpflichtet ist, die Leistung höchstpersönlich zu erbringen, kann er an der Ausführung gehindert sein. Es kommt also auf den Vertragsinhalt an.

Meist wird nicht der Inhaber selbst verpflichtet und eine dauerhafte Unmöglichkeit wird kaum vorliegen.

Dann könnte ein Fall des § 275 Abs. 3 BGB vorliegen:

(3) Der Schuldner kann die Leistung ferner verweigern, wenn er die Leistung persönlich zu erbringen hat und sie ihm unter Abwägung des seiner Leistung entgegenstehenden Hindernisses mit dem Leistungsinteresse des Gläubigers nicht zugemutet werden kann.

Die Frage ist also, wann ein solches Hindernis vorliegt.

Eine Erkrankung allein wird nicht ausreichend sein, wenn andere die Leistung erbringen können. In Betracht kommt ein Hindernis aber auch

  • bei behördlichen Anordnungen einer Quarantäne für den Betrieb
  • Ausgangssperren, wenn diese den Betrieb betreffen
  • Betretensverbote von Baustellen

Daneben sieht das Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat eine höhere Gewalt auch dann, wenn

  • die Beschäftigten aufgrund von Reiseverboten nicht zu der Baustelle gelangen können
  • keine Baumaterialien beschafft werden können

Das Ministerium ist der Ansicht, dass

„Baustellen des Bundes möglichst weiter betrieben werden (sollen). Baumaßnahmen sollen erst eingestellt werden, wenn behördliche Maßnahmen dazu zwingen (z. B. Betretensverbote) oder aufgrund behördlicher Maßnahmen ein sinnvoller Weiterbetrieb nicht möglich ist (z. B. weil überwiegende Teile der Beschäftigten des Auftragnehmers unter Quarantäne gestellt worden sind).“

Dies sei eine Frage des Einzelfalls.

Derzeit gibt es also - noch - keine generellen Verbote einer Weiterbeschäftigung auf einer Baustelle.

§ 6 VOB/B regelt, dass Ausführungsfristen geändert werden können, nach Behinderungsanzeige. Im Falle des Coronavirus wäre Absatz 2 einschlägig:

(2)          1.            Ausführungsfristen werden verlängert, soweit die Behinderung verursacht ist:

c)            durch höhere Gewalt oder andere für den Auftragnehmer unabwendbare Umstände.

Allerdings gilt die VOB/B nur, sofern diese vereinbart ist. Das ist bei Verbraucherverträgen meist nicht der Fall.

b) Rechtsfolgen einer Verzögerung

Kann sich der Unternehmer zu Recht auf eine solche höhere Gewalt berufen, wäre eine Fristsetzung mit Kündigung des Werkvertrags sehr problematisch, weil der wichtige Grund nicht anerkannt würde. Bevor dieser Weg beschritten wird, sollte man anwaltliche Hilfe in Anspruch nehmen.

Natürlich muss der Bauherr nicht in Vorleistung treten und muss auch nichts bezahlen, was nicht geschuldet war. Es kann aber dazu führen, dass ein sogenannter Wegfall der Geschäftsgrundlage gegeben ist und man unter Umständen sogar über eine Preisanpassung reden müsste. Dieses jedenfalls bei einer längeren Dauer der Unterbrechung, wovon wir derzeit noch entfernt sind.

Würde man § 6 VOB/B ergänzend heranziehen, so könnte der Bauherr den Vertrag entsprechend § 6 Abs. 7 VOB/B nach 3 Monaten kündigen. Dieses wäre derzeit aber riskant, weil man die Regelungen der VOB/B nicht einfach auf einen „normalen“ Werkvertrag übertragen kann.

Geht man von einer Bauzeitverlängerung wegen der Corona-Pandemie aus, verlängert sich die Bauzeit zuzüglich einer angemessenen Frist für die Wiederaufnahme der Arbeiten. Schadensersatzansprüche hätte der Bauherr nicht, obwohl er selbst erhebliche Schäden u.U. erleidet.

2. Für die Praxis

Der bloße Hinweis auf Corona reicht nicht aus, um eine Bauzeitverlängerung zu begründen. Dieses erst recht nicht, wenn sich in der Vergangenheit gezeigt hatte, dass der Bauzeitenplan nicht eingehalten wird.

Da der Bauherr eben keinen Schadensersatzanspruch hat, sofern die Behinderung durch die Corona-Krise den Unternehmer tatsächlich an der Fortführung gehindert hat, sollte der Bauherr den Unternehmer ggfs. auffordern konkret mitzuteilen, weshalb der Unternehmer sich an der Erbringung der Leistung gehindert sieht. Denn der pauschale Hinweis auf Corona reicht nicht aus.

Der Unternehmer hingegen sollte konkret darlegen, worauf diese Behinderung gestützt wird, sei es durch

  • Behördliche Anordnung einer Quarantäne und der Unmöglichkeit andere Mitarbeiter auf dem Arbeitsmarkt zu finden
  • die dargestellten Reisebeschränkungen, die dann aber konkret zu bezeichnen sind. Dann müsste auch erklärt werden, in welchen Bereichen diese Mitarbeiter eingesetzt würden und warum diese unverzichtbar sind

Für weitergehende Auskünfte stehen wir gerne zur Verfügung

Joachim Germer
Rechtsanwalt u. Fachanwalt f. Bau- u. Architektenrecht



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