Die „Coaching-Falle“ Teil 32: Gericht bejaht Widerrufsrecht für Coaching-Vertrag

  • 4 Minuten Lesezeit

Das Landgericht Landshut hat mit einem Urteil vom 10.05.2024 einen Vertrag über das Coaching-Programm „Digital Reselling – Einkommen auf Autopilot” der CopeCart GmbH für nichtig erklärt und somit dem Kläger, einem arbeitssuchenden Kfz-Mechatroniker, Recht gegeben. Der Entscheidung lag zugrunde, dass der Kunde trotz des Verzichts mittels einer Checkbox im Bestellformular ein Widerrufsrecht besaß. Das Gericht stellte klar, dass der bloße Abschluss eines Coaching-Vertrags keine Unternehmensgründung darstellt und kritisierte die irreführende Praxis, Kunden zum Verzicht auf ihr Widerrufsrecht zu bewegen. Der Kläger erhält somit sein Geld zurück. Das Urteil stärkt die Rechte von Verbrauchern gegen zweifelhafte Online-Coaching-Angebote und reiht sich in eine Serie ähnlicher Entscheidungen verschiedener Gerichte ein. 

Die Frage der Rechtmäßigkeit von Coaching-Verträgen wird zunehmend ein Fall für die Gerichte, weil die Zahl zweifelhafter Anbieter und damit auch die der unzufriedenen Kunden rapide zunimmt.


Worum geht es konkret?


Das Landgericht Landshut hatte sich mit einem Fall zu befassen, der sich um das Programm „Digital Reselling – Einkommen auf Autopilot” drehte (LG Landshut, Urteil vom 10.05.2024). Dieses wird von Lukas Lindler angeboten und regelmäßig über Plattformen wie CopeCart verkauft, wobei die CopeCart GmbH allerdings selbst Vertragspartner wird. Der Vertrag wurde am Telefon sowie über ein Bestellformular abgeschlossen, welches eine Checkbox enthielt, mit der der Kunde dem sofortigen Vertragsbeginn zustimmte und zugleich auf sein Widerrufsrecht verzichtete. Das Bestellformular ist jedoch laut Urteil durch den Verkäufer und nicht durch den Kunden selbst ausgefüllt worden.


Gesamtkosten des Vertrags: 5.735,80 €


Der Anbieter wirbt laut Urteil „auf diversen Internetkanälen, unter anderem YouTube und Instagram, damit, dass sich mit seinem Coaching binnen kürzester Zeit und ohne Vorkenntnisse ein garantiertes signifikantes passives Einkommen erwirtschaften ließe und gibt dafür eine „110% Erfolgsgarantie“.


Der Kläger zahlte einen Teil der Kosten in Raten und versuchte später, den Vertrag zu widerrufen. Dieser Widerruf wurde nicht akzeptiert, so dass es schließlich zum Gerichtsverfahren kam.


Das Urteil des Landgerichts Landshut


Das Landgericht Landshut erklärte mit Urteil vom 10.05.2024 den Vertrag für nichtig, weil der Kunde durchaus ein Widerrufsrecht hatte.

Der Kunde hatte argumentiert, dass er arbeitssuchend und gelernter Kfz-Mechatroniker ist. Der Coaching-Anbieter wollte im Abschluss des Vertrags dennoch den Entschluss zur Unternehmensgründung sehen, weshalb der Kunde Unternehmer sei und kein Widerrufsrecht habe. Der in der Coaching-Szene weit verbreiteten Masche, den Kunden zum Unternehmer zu erklären, um sämtliche Verbraucherschutzrechte ausschließen zu können, hat das Landgericht nun einen Riegel vorgeschoben und eindeutig entschieden, dass der bloße Abschluss eines solchen Vertrags keine Unternehmensgründung darstellt:


„Neugier allein verleitet einen Verbraucher nicht dazu, sich im Hinblick auf kaum nachvollziehbare Versprechung ohne jede Substanz (Einkommen ohne jeglichen Arbeitseinsatz, weil „Autopilot“) selbstständig zu machen oder eine selbstständige Tätigkeit vorzubereiten.“


Zudem kritisierte das Gericht die von CopeCart standardmäßig verwendete Check-Box zum Widerrufsverzicht:


Darüber hinaus stellt sich die Frage, warum die Beklagte ausdrücklich eine Checkbox mit dem Verzicht auf ein Widerrufsrecht aufnimmt, wenn es sich bei den Kunden der von ihr vertriebenen Coachings regelmäßig um Existenzgründer handeln sollte. Eine solche Checkbox wäre im Verkehr unter Unternehmern schlicht überflüssig. In diesem Falle wäre zu erwarten, dass eine solche Checkbox gar nicht erst vorgesehen ist, vielmehr würde dies (für den Fall der tatsächlich vorhandenen Existenzgründereigenschaft) die Vertragspartner eher noch verwirren und ihnen vorspiegeln, dass tatsächlich ein Widerrufsrecht bestehen würde.“


Ergebnis


in diesem Fall für den Coaching-Kunden:


„1.Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 1.927,80 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 %-Punkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit 03.12.2023 zu bezahlen. 

2.Es wird festgestellt, dass der Beklagten kein Anspruch gegenüber dem Kläger auf Zahlung von weiteren 3.808 € aus einem Vertrag über das Coaching „Digital Reselling - Einkommen auf Autopilot“ zusteht. 

3.Im Übrigen wird die Klage abgewiesen. 

4.Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.“


Der Kläger bekommt also sein Geld zurück und der Vertrag gilt als aufgelöst.


Welche Folgen hat das Urteil?


Das Urteil reiht sich in eine lange Liste von Entscheidungen ein, die gegen Anbieter von Onlinecoachings und insbesondere auch gegen die CopeCart GmbH gefällt worden sind:


- So hatte das Landgericht Stade einen Coaching-Vertrag für sittenwidrig erklärt 

- Das Oberlandesgericht Celle hat dann mit nunmehr rechtskräftigem Urteil in der Folge entschieden, dass das Fernunterrichtsschutzgesetz auch für Unternehmer Anwendung findet und den Vertrag auf dieser Grundlage für nichtig erklärt

- Das Landgericht Leipzig, das Landgericht Hamburg, das Landgericht Hannover und das Landgericht Nürnberg-Fürth und jüngst das Landgericht Ulm haben das Fernunterrichtsschutzgesetz für anwendbar erklärt und gegen die Coachingunternehmen entschieden

- Zudem hat das Landgericht Stuttgart die Sittenwidrigkeit eines Coaching-Vertrags des Bestsellerverlags von Dirk Kreuter festgestellt


Auch das Urteil des Landgerichts in Landshut bewegt sich nun weiter auf dieser Linie und wird somit die Rechte von Kunden, die derartige Verträge abgeschlossen haben, weiter stärken. Dies gilt insbesondere mit Blick auf das Widerrufsrecht für Verbraucher, welches Coaching-Unternehmen häufig auszuhebeln versuchen.

Dennoch ist darauf hinzuweisen, dass die Entscheidung nicht ohne weiteres verallgemeinert werden kann – das Urteil bedeutet also nicht, dass für alle Online-Coachings ein Widerrufsrecht besteht. Diese Frage ist grundsätzlich im Einzelfall zu beurteilen, da es immer auf die konkreten Vereinbarungen ankommt. Hierzu sollten sich unzufriedene Coaching-Kunden in jedem Falle rechtlich beraten lassen.


Professionelle Beratung in Anspruch nehmen


Wenn auch Sie einen Vertrag für ein Online-Coaching geschlossen haben und unzufrieden sind, beraten wir Sie mit unserer Erfahrung aus zahlreichen Coachingfällen gern dazu, mit welchen rechtlichen Mitteln Sie vorgehen können und welche Erfolgsaussichten in Ihrem Fall bestehen.

Melden Sie sich hierzu gern für ein unverbindliches Erstgespräch!


Direkt zum Telefontermin: https://calendly.com/kanzleiliebich/erstbesprechung

Website: http://www.ra-marko-liebich.de/

E-Mail: Kanzlei@RA-Marko-Liebich.de

Telefon: 03521 / 71 99 6 99


Foto(s): adobe stock fotos

Rechtstipp aus den Rechtsgebieten

Artikel teilen:


Sie haben Fragen? Jetzt Kontakt aufnehmen!

Weitere Rechtstipps von Rechtsanwalt Marko Liebich

Beiträge zum Thema