Die Grundsätze des „Werkstattrisikos“ im Haftpflichtschadensfall; Urteil AG Coburg vom 12.07.2023; Az.: 18 C 1213/23
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Die Parteien streiten um restliche Reparaturkosten nach einem Verkehrsunfall. Die Haftung dem Grunde nach ist zwischen den Parteien unstreitig. Reparaturkosten sind von der Beklagten lediglich gekürzt um die Verbringungskosten sowie die Kosten für die Fahrzeugreinigung und den Batteriestützbetrieb gezahlt worden.
Aus den Gründen:
Nach Ansicht des erkennenden Gerichts ist die Klage vollumfänglich begründet.
Nach § 249 Abs.2 S.1 BGB sind diejenigen Aufwendungen ersatzfähig, die ein verständiger, wirtschaftlich denkender Mensch in der Lage des Geschädigten für zweckmäßig und notwendig erachten durfte. Den Erkenntnis- und Einflussmöglichkeiten des Geschädigten sind regelmäßig Grenzen gesetzt, da die Reparatur in einer für ihn fremden Sphäre stattfinden muss. Es würde dem Sinn und Zweck des § 249 BGB widersprechen, wenn der Geschädigte mit Mehraufwendungen belastet bliebe, deren Entstehung seinem Einfluss entzogen sind und die ihren Grund darin haben, dass die Reparatur in einer fremden, für ihn nicht kontrollierbaren Einflusssphäre stattfinden muss. Das Werkstattrisiko geht insofern zulasten des Schädigers. Ein Geschädigter darf grundsätzlich darauf vertrauen, dass die in dem von ihm eingeholten Sachverständigengutachten kalkulierten Arbeitsschritte und das hierfür benötigte Material zur Schadenbeseitigung erforderlich sind. Er darf demgemäß einer Werkstatt den Auftrag erteilen, gemäß Gutachten zu reparieren.
Es macht keinen Unterschied, ob die ausführende Werkstatt unnötige Arbeiten in Rechnung stellt oder hierfür überhöhte Preise ansetzt. Es besteht kein Grund, dem Schädiger das Risiko für ein solches Verhalten abzunehmen. Ein Auswahlverschulden des Klägers war im vorliegenden Fall weder vorgetragen noch zu erkennen. Die durch die Werkstatt in der Reparaturrechnung belegten Aufwendungen sind im Allgemeinen ein aussagekräftiges Indiz für die Erforderlichkeit der Reparaturkosten.
Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze sind die ausstehenden Kosten vollumfänglich von der Beklagten zu erstatten. Es kommt auch nicht darauf an, ob die Rechnung vom Kläger bereits ausgeglichen wurde oder nicht.
Das Urteil zeigt eindrucksvoll, dass es sich für den Geschädigten im Haftpflichtschadensfall lohnt, auch nur geringfügige Kürzungen der Haftpflichtversicherer einer rechtlichen Überprüfung zu unterziehen.
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