Diebstahl unter Verwendung einer Waffe
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besonders schwerer Diebstahl, auch wenn Opfer das Messer nicht sehen kann?
Der Annahme eines vollendeten Verwendens (einer Waffe bei Begehung eines Diebstahls) steht nicht entgegen, dass das Opfer die Waffe oder das gefährliche Werkzeug in der Dunkelheit nicht erkennt, wenn die Drohung mit dem Einsatz akustisch vernommen wird
Der BGH hat mit seinem Beschluss vom 8. April 2020 das Urteil des Landgerichts Mönchengladbach (nachfolgend LG) als zutreffend bestätigt.
Dem Urteil lag folgender Sachverhalt zu Grunde:
Der Angeklagte stieg nachts in ein Haus ein. Während die Bewohnerinnen im ersten Stock schliefen, durchsuchte er das Erdgeschoss, nahm diverse Wertgegenstände an sich und packte diese in seinen Rucksack. Dann bewaffnete er sich mit einem Messer aus der Küche und ging in das obere Stockwerk um dort nach weiterem Diebesgut zu sehen. Eine Bewohnerin erwachte, als der Angeklagt an ihrem Bett stand. Um seine Flucht zu ermöglichen und zudem die Beute zu sichern, rief er ihr mehrfach zu, dass er eine Messer habe. Auf diese Weise, wollte er ihr zu verstehen geben, dass er dieses gegen sie einsetzen werde, sollte sie sich ihm in den Weg stellen. Die Frau konnte das Messer in der Dunkelheit nicht erkennen. Sie hegte allerdings keinen Zweifel daran, dass der Angeklagte dieses tatsächlich in der Hand hielt und sie deshalb in Leib- und Lebensgefahr geriete, sollte sie versuchen, ihn aufzuhalten. Sie blieb auf der Treppe stehen, während dem Angeklagten mitsamt Messer und Diebesgut die Flucht aus dem Haus gelang.
Das LG hatte den Angeklagten wegen besonders schweren räuberischen Diebstahls und wegen tätlichen Angriffs auf einen Vollstreckungsbeamten in Tateinheit mit Körperverletzung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von fünf Jahren und sechs Monaten verurteilt.
Das Gericht begründete seine Entscheidung wie folgt:
Das LG hat die Tat als besonders schweren räuberischen Diebstahl gem. §§ 252, 249 Abs. 1, 250 Abs. 2 Nr. 1 Alt. 2 StGB eingestuft. Der Angeklagte verwendete das Messer, um sich den Besitz des gestohlenen Gutes zu erhalten.
Das Tatbestandsmerkmal des Verwendens i.S.d. § 250 Abs. 2 Nr. 1 Alt. 2 StGB umfasst jeden zweckgerichteten Gebrauch eines objektiv gefährlichen Tatmittels. Das Verwenden bezieht sich auf den Einsatz des Nötigungsmittels zur Verwirklichung des Raubtatbestandes. Es liegt vor, wenn der Täter ein gefährliches Werkzeug oder eine Waffe gerade als Mittel der Ausübung von Gewalt gegen eine Person oder der Drohung mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben gebraucht, um die Wegnahme einer fremden beweglichen Sache zu ermöglichen oder deren Besitz gem. § 252 StGB zu erhalten. Im Falle einer Drohung muss das Tatopfer das Nötigungsmittel sowie die Androhung seines Einsatzes wahrnehmen. Eine Drohung erfordert, dass der Bedrohte Kenntnis von ihr erlangt und hierdurch in eine Zwangslage gerät. Nimmt das Opfer die Drohung des Täters mit dem gefährlichen Werkzeug nicht wahr, wird es nicht in die von § 250 Abs. 2 Nr. 1 Alt. 2 StGB qualifizierte Zwangslage versetzt. Es fehlt mithin an einem vollendeten Verwenden des Drohmittels.
Im vorliegenden Fall lag somit ein Verwenden des Messers zur Beutesicherung vor. Der Angeklagte war mit dem Messer bewaffnet und drohte dem Opfer für den Fall des Widerstands konkludent dessen Einsatz an. Die Bedrohte erkannte das konkrete Nötigungsmittel und die Gefahr seines Gebrauchs durch den Täter. Dieser Annahme steht nicht entgegen, dass die Bewohnerin das Messer in der Dunkelheit nicht erkennen konnte. Sie vernahm die Drohung mit dessen Einsatz akustisch. Dies ist ausreichend. Auf welche Weise oder durch welchen Körpersinn der Täter seinem Gegenüber die Bewaffnung vermittelt, ist für eine Herbeiführung der qualifizierten Zwangslage i.S.d. § 250 Abs. 2 Nr. 1 StGB nicht entscheidend.
Verwenden bedeutet „sich bedienen/sich zu Nutze machen“. Es bezeichnet mithin eine Mittel-Zweck-Relation, aber keine konkrete Art und Weise der Benutzung. Will der Täter ein Werkzeug wie ein Messer einsetzen, kann er verbal auf seine Bewaffnung aufmerksam machen, um die besondere raubspezifische Zwangslage beim Opfer zu bewirken. Gelingt ihm dies und der Bedrohte nimmt wie im vorliegenden Fall zutreffend an, dass der Täter über den gefährlichen Gegenstand verfügt und davon einen gegenwärtige Gefahr für Leib und Leben ausgeht, verwendet der Täter diese Bewaffnung als Drohmittel. Die finale Verknüpfung zwischen Bedrohung mittels gefährlichen Werkzeugs und der Beuteerlangung liegt dann in gleichem Maße vor wie bei einem für das Opfer sichtbar eingesetzten Tatmittel.
Dies bestätigt sich auch in Hinblick auf die Systematik des § 250 StGB. Im Vergleich zum bloßen Beisichführen des gefährlichen Werkzeugs i.S.d. § 250 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a StGB oder zum Gebrauch der Scheinwaffe i.S.d. § 250 Abs. 1 Nr. Buchst. b StGB hat die erhöhte Strafandrohung des § 250 Abs. 2 Nr. 1 StGB ihren Grund in der gesteigerten Verletzungsgefahr für das Opfer sowie in der höheren kriminellen Energie des Täters, der einen anderen Menschen in Angst und Schrecken versetzt, um an seine Beute zu gelangen oder sich deren Erhalt zu sichern.
Beide Straferhöhungsgründe waren im vorliegenden Fall gegeben. Der Angeklagt hätte die Bewohnerin im Falle eines Gerangels nicht nur erheblich verletzen können, er brachte sie durch seinen Ausruf auch gezielt und erfolgreich in die besonders einschüchternde Zwangslage eines bewaffneten Überfalls.
Mithin verwirklichte der Angeklagte ein Tatunrecht, welches das bloße Beisichführen eines Messers oder die Bedrohung mit einer Scheinwaffe erheblich übersteigt.
BGH, Beschl. v. 8.4.2020 – 3 StR 5/20 (LG Mönchengladbach)
Rechtsanwalt Daniel Krug
unter Mitwirkung von stud. iur. Wiebke Senns
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