Engel & Völkers Digital Invest mehrfach zum Schadensersatz verurteilt
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Das Landgericht Berlin stellt mit drei Urteilen vom 26.07.2024 eine Pflichtverletzung von grundsätzlicher Bedeutung fest, die auch bei zahlreichen anderen gescheiterten Projekten der Engel & Völkers Digital Invest geltend gemacht werden könnte. Versprechungen gegenüber den Anlegerinnen und Anlegern wurden nach den Urteilen in einem wesentlichen Punkt nicht eingehalten.
1. Plattform muss bei dem Projekt Atelier-Wohnungen an der Burg II Schadensersatz leisten
Die Plattform Engel & Völkers Digital Invest bzw. die EV Digital Invest AG muss nach drei Urteilen des Landgerichts Berlin vom 26.07.2024 drei Anlegern des kläglich gescheiterten Projekts Atelier-Wohnungen an der Burg II umfassenden Schadensersatz leisten. Das bedeutet, dass den drei Klägern ihr Einsatz abzüglich der minimalen Zinszahlungen, die Sie während der Laufzeit erhalten hatten, vollständig erstattet und die Kosten der Prozesse übernommen werden müssen.
Die Geschädigten wurden in den Klageverfahren von Witt Rechtsanwälte vertreten, die damit nach der Exporo AG auch bei Engel & Völkers Digital Invest Schadensersatzansprüche gerichtlich durchsetzen konnten.
Den aktuellen Urteilen gegen die EV Digital Invest AG kommt dabei große Bedeutung auch über das konkrete Projekt hinaus zu, da sich die Begründung des Landgerichts Berlin nach der Bewertung von Witt Rechtsanwälte auch auf weitere gescheiterte Projekte übertragen lässt.
2. Zentrales Versprechen nicht eingehalten
Nach der Urteilsbegründung des Landgerichts Berlin hat die EV Digital Invest AG den Anlegerinnen und Anlegern eine Prüfung bzw. Analyse des Projekts versprochen, die in dieser Form aber gar nicht durchgeführt worden sei. Witt Rechtsanwälte hatten der Plattform von Anfang an vorgeworfen, dass die schweren Mängel des Projekts Atelier-Wohnungen an der Burg II im Rahmen der vermeintlich durchgeführten Analyse und Bewertung keinesfalls hätten verborgen bleiben dürfen. Das Rahmendarlehen als größte Säule der Projektfinanzierung war schon Monate vor dem Start des Angebotes außerordentlich gekündigt worden, schon zuvor war es zu mehreren Kontenpfändungen gegen die Projektgesellschaft gekommen und die Baustelle glich einer Ruine.
Die EV Digital Invest AG als Lizenzpartner der Engel & Völkers Marken GmbH & Co. KG verwendet sowohl auf ihrer Plattform als auch in den Exposés für die Projekte nicht nur die Bezeichnung Engel & Völkers Digital Invest und das typische Rot, das man mit Engel & Völkers verbindet, sondern es wird auch ausdrücklich mit der Kompetenz geworben, die im Immobilienbereich mit Engel & Völkers verbunden wird. Der Analyse der Projekte auf der Plattform geht in der Regel der folgende Hinweis voraus:
Dabei erfolgt zunächst eine Analyse durch Engel & Völkers Digital Invest, bei der wir auf das umfangreiche Know-how aus dem Engel & Völkers-Netzwerk zurückgreifen – wie das umfangreiche Engel & Völkers-Research-Material und persönliche Kontakte vor Ort.
So war es auch bei dem Projekte Atelier-Wohnungen an der Burg II. Diesem Projekt lag ein Bauvorhaben in der Dr. Blaich-Straße 6 in 81245 München zugrunde. Projektgesellschaft war die Royal Residenz 4 GmbH, die auch als Emittentin der Vermögensanlage und Darlehensnehmerin der Nachrangdarlehen auftrat.
Die Vermögensanlage wurde Ende Juli 2022 über die Plattform der EV Digital Invest AG angeboten. Nach einem vermeintlich einzigartigen Konzept sollte das Projekt zuvor intensiv analysiert und eigenverantwortlich von der EV Digital Invest AG bewertet worden sein, was zu einem Scorering mit 659 von 800 möglichen Punkten geführt und für die zweitbeste Klasse A gereicht haben sollte. Dazu hieß es in dem Exposé:
Das Finanzierungsprojekt wird wie alle unsere Projekte in einem eigens von Engel & Völkers Digital Invest für die Finanzierung von Bauvorhaben und Grundstücken entwickelten, einzigartigen Konzeptes mit einer Vielzahl an starken Partnern analysiert. Die oben dargestellte Projekteinschätzung wurde von Engel & Völkers Digital Invest alleinverantwortlich verfasst.
Diese basiert auf dem Expertenwissen des Netzwerkes an den zahlreichen von Engel & Völkers bearbeiteten Standorten sowie auf der Expertise von etablierten Partnern wie dem Immobilienbewertungs- und Marktforschungsunternehmen bulwiengesa appraisal GmbH, dem Beratungsunternehmen CBRE sowie der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft Mazars.
Diese Versprechungen von Engel & Völkers Digital Invest sind nicht mit der Realität des Projektes in den Monaten vor dem Angebot in Einklang zu bringen. Die Auflösung ergab sich im Rahmen der Prozesse vor dem Landgericht Berlin, denn dort räumte die EV Digital Invest AG ein, dass die dargestellte Analyse unter der Einbeziehung externer Partner, insbesondere einer Wirtschaftsprüfungsgesellschaft, im Jahr 2022 gar nicht durchgeführt worden sei. Stattdessen habe man diesbezüglich lediglich auf die Ergebnisse aus dem Jahr 2020 zurückgegriffen, als das Bauvorhaben unter der Bezeichnung Atelier-Wohnungen an der Burg erstmals über die Plattform finanziert worden war. Im Jahr 2022 sei dann nach dem Vortrag in den Prozessen nur noch intern geprüft worden, ob Umstände vorlägen, die eine nochmalige Prüfung durch die sachverständigen Partner erforderlich mache, dafür hätten sich aber keine Anhaltspunkte ergeben, sondern nach den Erkenntnissen aus dem Jahr 2022 sei das Bauvorhaben nicht gefährdet gewesen. Das Landgericht Berlin fasste die entsprechende Verteidigungslinie der EV Digital Invest AG in den Urteilen wie folgt zusammen:
Sie behauptet, sie habe lediglich Angaben der Projektgesellschaft in Bezug auf den Bauträger selbst, den Bautenstand, den Verkaufstand und die Sicherheiten wiedergegeben, sich diese aber nicht zu eigen gemacht, die Projektgesellschaft habe ihr gegenüber die Richtigkeit der Informationen bestätigt, mehrfach erklärt, dass die Finanzierung sichergestellt gewesen sei, und Rückfragen auch zu vereinzelten negativen Presseberichten plausibel beantwortet. Sie habe die erforderliche Plausibilitätsprüfung sogar übererfüllt. Sie habe die fortschreitende Projektentwicklung einschließlich des Bautenstands im Rahmen eines Controllings nachvollzogen, dabei sei eine geringfügige nicht außergewöhnliche Verzögerung festgestellt worden. Im Rahmen einer Prolongationsprüfung habe sie überprüft, ob sich wesentliche, für die Gesamtbeurteilung des Projekts erhebliche Faktoren derart verändert hatten, dass eine nochmalige externe Begutachtung des Bauträgers notwendig wäre, was aber nicht der Fall gewesen sei. Deshalb habe sie nochmals eine eigenständige Projektprüfung durchgeführt und dabei die wesentlichen Gesichtspunkte aus den Prüfungen der externen Gutachten erneut bewertet, geprüft, ob aktuelle Entwicklungen Anlass für eine abweichende Beurteilung des Projekts gaben, und wiederum die Wirtschaftlichkeit und Umsetzbarkeit des Projekts untersucht, dabei hätten sich keine wesentlichen Auffälligkeiten oder Gesichtspunkte, die auf eine drohende Insolvenz oder eine Gefährdung des Abschlusses des Projekts hätten schließen lassen können, ergeben, wegen der vertraglich vereinbarten Baukosten und wegen des bereits begonnenen Baus habe sich das Bau- und Baukostenrisiko sogar leicht verringert. Von Schwierigkeiten bei der Finanzierung habe sie erst im September 2022 erfahren, die Projektgesellschaft habe sie vom Insolvenzantrag und von der Kündigung des Darlehensvertrags vertragswidrig nicht informiert.
Mit dieser Verteidigung versuchte Engel & Völkers Digital Invest die gesamte Verantwortung auf die Projektgesellschaft und letztlich auch auf die Anlegerinnen und Anleger abzuwälzen, da diese vermeintlich hätten erkennen müssen, dass die Plattform nur Angaben der Projektgesellschaft weitergibt und keine Gewähr für diese übernimmt.
Diese Selbstdarstellung der EV Digital Invest AG im Prozess steht nach der Überzeugung von Witt Rechtsanwälte in einem unüberbrückbaren Widerspruch zu den zentralen Versprechen der Plattform, die den Kleinanlegerinnen und Kleinanlegern die Beteiligung an derartigen Projektfinanzierungen gerade dadurch vermitteln will, dass sie diese Projekte zuvor sorgfältig auswählt und professionell analysiert. Eben, weil es in der Regel um keine sehr hohen Anlagesummen geht und die Anlegerinnen und Anleger selbst nicht zu einer umfassenden Bewertung solcher Bauvorhaben in der Lage sind, soll ihnen vermeintlich die Vorarbeit und Kompetenz der Plattform dieses Anlagesegment eröffnen.
Es muss für die Geschädigten daher höchst enttäuschend sein, wenn sie nach dem Scheitern des Projekts erfahren, wie wenig sich die EV Digital Invest AG vor dem Angebot überhaupt mit dem Zustand der Projektgesellschaft und der Baustelle befasst hatte. Das Landgericht Berlin fand dafür in den Urteilen deutliche Worte, wie sich den nachfolgenden Feststellungen aus den jeweiligen Begründungen aller drei Urteile entnehmen lässt:
Der Umfang der Pflichten des Anlagevermittlers richtet sich im Einzelfall auch danach, in welchem Maße der Vermittler Vertrauen und besondere Kenntnisse für sich in Anspruch nimmt, beispielsweise, indem er die Erwartung weckt, er verfüge nicht bloß über die bei einem Anlagevermittler regelmäßig vorauszusetzenden allgemeinen wirtschaftlichen Kenntnisse, sondern über darüber hinausgehendes Wissen beispielsweise auf technischem Gebiet (vgl. BGH, Urteil vom 21.03.2024 - III ZR 70/23, juris Rn. 21).
d) Die Beklagte hat diese Pflichten verletzt, indem sie den Kläger über den Umfang der von ihr durchgeführten Ermittlungen getäuscht hat.
Die Beklagte hat in erheblichem Maße Vertrauen für sich in Anspruch genommen, indem sie auf ihrer Internetseite sowie im Exposé eine Bewertung der Anlage in Form eines „Scorings" vorgenommen und erklärt hat, sie habe auf der Grundlage ihres Analysekonzepts detaillierte Untersuchungen durch externe Unternehmen vornehmen lassen, u.a. durch Analyse des Projektentwicklers (insbesondere der finanziellen Lage/Bonität) durch die Wirtschaftsprüfungsgesellschaft xxx. Die Darstellung suggerierte, dass diese externe Analyse aktuell durchgeführt worden ist und nicht rund zwei Jahre zuvor. Die Angaben im Exposé bezogen sich auch sonst auf die aktuelle Lage des Projekts (z.B. hinsichtlich des Bauten- und Verkaufsstands). Hinzu kommt, dass veraltete Daten und Analysen für die Bewertung sinnlos sind, so dass die Interessenten angesichts der Darstellung nicht damit rechnen konnten: Für die Frage, ob ein Unternehmen aktuell kreditwürdig ist, ist es offensichtlich ohne Belang, wie seine Bonität vor zwei Jahren war.
Vor diesem Hintergrund stellte auch das „Scoring" mit einem Punktwert von 659/800 und der Einstufung in die zweitbeste Kategorie eine Täuschung der Anleger dar. Denn ein „Scoring" ohne taugliche aktuelle Grundlage stellt bestenfalls eine Zahlenspielerei dar und ist keine valide Grundlage für eine Anlageentscheidung. Dabei ist auch zu beachten, dass das „Scoring" der Beklagten den Punkt „Wirtschaftlichkeit" mit einer Gewichtung von 50 % berücksichtigt hatte.
Der Passus „Der Plattformbetreiber beurteilt nicht die Bonität des Projektinhabers und überprüft nicht die von diesem zur Verfügung gestellten Informationen auf ihren Wahrheitsgehalt, ihre Vollständigkeit oder ihre Aktualität." im Exposé und auf der Internetseite steht dieser Beurteilung nicht entgegen. Aus Sicht eines durchschnittlichen potenziellen Anlegers ist diese Erklärung so zu verstehen, dass sich dies nur auf die eigene Tätigkeit der Beklagten bezieht, nicht aber auf die versprochenen Analysen durch externe Experten. So wäre es abwegig, anzunehmen, die „detaillierte" Untersuchung einer Wirtschaftsprüfungsgesellschaft solle sich auf die kritiklose Übernahme von eigenen Bekundungen der Projektgesellschaft beschränken.
Die Urteile sind nicht rechtskräftig und es ist zu erwarten, dass die EV Digital Invest AG gegen sie Berufung zum Kammergericht Berlin einlegen wird. Nach der Überzeugung von Witt Rechtsanwälte entspricht die Bewertung des Landgerichts Berlin aber nicht nur der aktuellen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, sondern in der Urteilsbegründung wurde auch nur ein kleiner Teil der Argumente bzw. geltend gemachten Pflichtverletzungen verwendet, sodass die Schadensersatzansprüche der Geschädigten auch noch auf eine deutlich breitere Basis gestellt sind. Witt Rechtsanwälte erachten es daher für unwahrscheinlich, dass das Kammergericht das Verhalten der Plattform gegenüber den Anlegerinnen und Anlegern für korrekt ansehen wird.
3. Grundsätzliche Bedeutung der Urteile
Der Bewertung durch das Landgericht Berlin kommt über das Projekt Atelier-Wohnungen an der Burg II hinaus grundsätzliche Bedeutung zu, da die EV Digital Invest AG auch bei weiteren Anschlussfinanzierungen, also Projekten die mit der Ziffer „II“ oder höher bezeichnet worden sind, die versprochene Analyse unter Einbeziehung externer Sachverständiger ebenfalls nicht mehr erfolgt ist. Das gilt beispielsweise für das Projekt Modernes Wohnen am Nymphenburger Kanal II, zu dem sich die Plattform in den laufenden Klageverfahren zu diesem Punkt bisher in ähnlicher Weise verteidigt wie bei Atelier-Wohnungen an der Burg II. Sie macht also nicht geltend, im Vorfeld des Angebotes tatsächlich eine Analyse durch die ausgewiesenen Gesellschaften in Auftrag gegeben zu haben, sondern beruft sich wiederum auf die Analyse im Rahmen der erstmaligen Finanzierung des Bauvorhabens.
Insgesamt ergab sich für Witt Rechtsanwälte aus den Gerichtsverfahren zu den Projekten Atelier-Wohnungen an der Burg II und Modernes Wohnen am Nymphenburger Kanal II ein erschreckendes Selbstverständnis der EV Digital Invest AG, die entgegen Ihren Versprechungen gegenüber den Anlegerinnen und Anlegern praktisch keine objektive Prüfung der Bauvorhaben mehr vorgenommen hat, sondern sich alleine auf Behauptungen aus dem Bereich der Projektgesellschaften verlassen haben will. Dabei wäre es in beiden Fällen sehr einfach gewesen, die Probleme der Projekte zu erkennen. Man muss daher befürchten, dass auch anderweitig bei der Darstellung gegenüber den Anlegerinnen und Anlegern Risiken übersehen und zu gute Bewertungen abgegeben worden sind.
Aktuell droht bei mehreren Projekten, die über die Plattform Engel & Völkers Digital Invest seit Mitte 2022 finanziert worden sind, ein weitgehender Verlust der gewährten Nachrangdarlehen. Geschädigt ist eine hohe Zahl von Anlegerinnen und Anlegern, die im Vertrauen auf die EV Digital Invest AG mehr als 12 Mio. Euro investierten.
Betroffen sind neben den Projekten Atelier-Wohnungen an der Burg II und Modernes Wohnen am Nymphenburger Kanal II auch die Projekte Wohnquartier Pasing II und Elegantes Wohnen nahe der Isar. Witt Rechtsanwälte befassen sich auch bereits mit den beiden letztgenannten Projekten und zu Elegantes Wohnen nahe der Isar wird kurzfristig die erste Klage erhoben werden, da der EV Digital Invest auch dort mindestens ein schwerwiegender Fehler bei der Aufklärung der Anlegerinnen und Anleger unterlaufen ist, Schadensersatzansprüche aber zurückgewiesen werden.
Bei Elegantes wohnen nahe der Isar wurde sowohl auf der Projektseite als auch in dem Exposé als Referenz für die Projektgesellschaft auf die Grund & Boden Bau GmbH bzw. deren Tätigkeit in der Vergangenheit verwiesen. Die Grund & Boden Bau GmbH, die danach Referenzobjekte in den Jahren 2016, 2017 und 2018 erfolgreich umgesetzt haben sollte, wurde allerdings erst im Jahr 2019 gegründet. Diese Gesellschaft konnte also mit der Realisierung der vermeintlichen Referenzobjekte in den Jahren bis einschließlich 2018 nichts zu tun gehabt haben. Trotzdem gab die Plattform an:
Die Grund & Boden Bau GmbH hat eine Vielzahl hochwertiger Immobilienprojekte umgesetzt.
Erschwerend kommt hinzu, dass die Gesellschaft aus dem Bereich der handelnden Personen, die tatsächlich vor 2019 in der Projektentwicklung tätig geworden war, die Grund & Boden AG, ab 2019 aufgrund wirtschaftlicher Probleme hatte liquidiert werden müssen und schon 2021 gelöscht worden war. Die tatsächlichen Verhältnisse stellten sich 2022 also auch bei diesem Projekt anders und wesentlich schlechter dar, als es die EV Digital Invest AG angegeben hatte.
Für eine individuelle Beratung der geschädigten Anlegerinnen und Anleger stehen wir gerne zur Verfügung.
Witt Rechtsanwälte
Heidelberg München Oranienburg
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