Frag einen Immobilienrechtsprofi: "Was passiert, wenn der Verkäufer die Übergabe nach dem Immobilienkauf verweigert?"

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Auch wenn der Kauf einer Immobilie mit einer Vielzahl von rechtlichen Formalitäten, wie etwa der notariellen Beurkundung des Kaufvertrages und der Eintragung ins Grundbuch, gut geregelt ist, können sich im Verlauf unvorhergesehene Probleme ergeben. Ein unterschätztes Szenario ist die Verweigerung der Übergabe der Immobilie durch den Verkäufer – oft erst nachdem der Käufer bereits den Kaufpreis gezahlt hat. Doch was können Sie als Käufer tun, wenn der Verkäufer die Übergabe verweigert, obwohl der Kaufvertrag bereits unterschrieben ist und der Kaufpreis bereits überwiesen wurde?

1. Vertragliche Grundlagen und die Übergabepflicht des Verkäufers

Grundsätzlich ergibt sich aus einem notariell beurkundeten Immobilienkaufvertrag die Pflicht des Verkäufers, dem Käufer die gekaufte Immobilie zu übergeben. Die Übergabe ist nach § 446 BGB ein entscheidender Moment, denn mit ihr geht das Besitzrecht auf den Käufer über. Sie ist nicht nur ein symbolischer Akt, sondern markiert den Zeitpunkt, ab dem der Käufer die volle Kontrolle über das Grundstück oder die Wohnung hat. Gleichzeitig bedeutet die Übergabe auch, dass der Käufer ab diesem Moment für die Immobilie verantwortlich ist – sowohl für die Nutzung als auch für etwaige Schäden.

Verweigert der Verkäufer die Übergabe, obwohl der Kaufpreis bereits gezahlt wurde, kann der Käufer auf Erfüllung des Vertrages bestehen. Maßgeblich sind die Regelungen zur Übergabe im Kaufvertrag. Je nach Regelung kann es auch sein, dass es keine Rolle spielt, ob der Käufer den Kaufpreis in voller Höhe oder nur einen Teilbetrag beglichen hat – der Verkäufer muss trotzdem die Übergabe durchführen, sofern keine vertraglichen oder gesetzlichen Regelungen etwas anderes vorsehen.

2. Mögliche Gründe für die Verweigerung der Übergabe

Es gibt viele Gründe, warum ein Verkäufer die Übergabe einer Immobilie verweigern könnte. Einige der häufigsten Ursachen sind:

  • Zahlungsprobleme des Käufers: Manchmal versucht der Verkäufer, den Käufer durch die Verweigerung der Übergabe dazu zu bewegen, einen Restbetrag des Kaufpreises zu zahlen oder andere Forderungen zu erfüllen.
  • Unstimmigkeiten bei der Übergabe: Der Verkäufer könnte Unstimmigkeiten bezüglich des Zustands der Immobilie oder noch offene Punkte im Vertrag geltend machen.
  • Rechtliche Probleme mit dem Eigentum: Es kann sein, dass im Grundbuch oder in der rechtlichen Struktur der Immobilie Probleme auftauchen, die die Übergabe verhindern.

In jedem Fall muss jedoch festgestellt werden, ob diese Gründe berechtigt sind und welche Rechte der Käufer hat, um seine Ansprüche durchzusetzen.

3. Rechtsmittel und Handlungsmöglichkeiten des Käufers

Wenn der Verkäufer die Übergabe verweigert, stehen dem Käufer verschiedene rechtliche Mittel zur Verfügung, um sein Recht durchzusetzen:

a) Forderung der Übergabe durch Klage auf Erfüllung

Der Käufer kann zunächst eine sogenannte Klage auf Erfüllung gemäß § 433 BGB erheben, bei der er vom Verkäufer die Übergabe der Immobilie verlangen kann. Sollte der Verkäufer seiner Übergabepflicht nicht nachkommen, kann der Käufer zusätzlich Schadensersatz verlangen.

b) Schadensersatzansprüche

Wenn der Verkäufer die Übergabe ohne triftigen Grund verweigert, kann der Käufer einen Schadensersatzanspruch geltend machen. Dieser kann nicht nur den Verlust der Nutzung der Immobilie, sondern auch alle durch die verspätete Übergabe verursachten zusätzlichen Kosten abdecken.

c) Rücktritt vom Vertrag

Eine weitere Möglichkeit ist der Rücktritt vom Vertrag. Dies ist dann eine Option, wenn die Übergabeverweigerung eine schwerwiegende Vertragsverletzung darstellt. Von dieser Möglichkeit sollte man aber nur Gebrauch machen, wenn hinreichende Aussichten bestehen, den bereits bezahlten Kaufpreis auch wieder zurückzuholen. Ansonsten verliert man bei einer möglichen Insolvenz das Geld und die Immobilie. Hier sollten Käufer sich gut anwaltlich beraten lassen, bevor voreilig ein Rücktritt vom Vertrag erklärt wird.

d) Einschaltung eines Anwalts oder des Notars

Wird der Verkäufer trotz Aufforderung zur Übergabe nicht aktiv, sollten Käufer einen Anwalt für Immobilienrecht zu Rate zu ziehen. Der Anwalt kann nicht nur die Interessen des Käufers vertreten, sondern auch in seinem Namen rechtliche Schritte einleiten. In einigen Fällen kann auch der Notar, der den Kaufvertrag beurkundet hat, zur Vermittlung oder zur Klärung der Situation beitragen.

4. Die Bedeutung der Übergabe im Zusammenhang mit der notariellen Beurkundung

Wichtig zu wissen ist, dass der Kaufvertrag alleine nicht die Übergabe der Immobilie umfasst. Auch wenn der Vertrag unterzeichnet ist und der Kaufpreis gezahlt wurde, stellt die Übergabe den eigentlichen „Übergang“ von Besitz und Eigentum dar. Ein häufiges Missverständnis ist, dass der Käufer durch die notarielle Beurkundung sofort alle Rechte an der Immobilie erhält, was jedoch nicht der Fall ist. Es bedarf der tatsächlichen Übergabe, um alle Rechte des Käufers zu sichern.

5. Fazit: Vorsicht bei der Übergabepflicht

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass die Verweigerung der Übergabe durch den Verkäufer ein schwerwiegendes Problem darstellt, das nicht unbeachtet bleiben sollte. Käufer haben Rechte und sollten diese entschlossen durchsetzen, um sich die Immobilie endgültig und rechtssicher zu sichern. Die ersten Schritte sollten stets die rechtliche Beratung durch einen Anwalt sowie die Einschaltung des Notars sein, um die Übergabe gemäß den vertraglichen Vereinbarungen und dem geltenden Recht zu erzwingen.

Foto(s): Titelbild von WERNER Rechtsanwälte, Konstanz


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