„From river to the sea“ – mache ich mich bei Verwendung der Parole strafbar?

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Die Frage nach der Strafbarkeit des Verwendens des Slogans „from river to the sea, palestine be free“ ist umstritten und sorgt für Uneinigkeit zwischen den Gerichten. Eine einheitliche Beurteilung, ob man sich strafbar macht, wenn man z.B. bei social media die Aussage „from river to the sea“ postet, gibt es noch nicht.


Ermittelt wird aber durchaus. Hausdurchsuchungen finden statt, Strafbefehle werden erlassen.


Ist es strafbar, „from river to the sea“ zu posten? Strafe für Kundgabe „from river to the sea“ bei Pro-Palästina Demos?


Die in diesem Zusammenhang drohenden strafrechtlichen Vorwürfe beziehen sich insbesondere auf …

  • Verwenden von Kennzeichen verfassungswidriger und terroristischer Organisationen
  • Volksverhetzung
  • Belohnung und Billigung von Straftaten


Ein (unter vielen) maßgeblicher Faktor hinsichtlich des „Ob“ der Strafbarkeit des Verwendens der Parole „from river to the sea“ ist der zeitliche Faktor, namentlich ob die vorgeworfene Tat vor oder nach dem 07. Oktober 2023 stattgefunden hat.


Wie hoch ist die Strafe für die Verwendung der Parole „from river to the sea“?

Das kommt darauf an, ob und welche Straftat tatsächlich durch das Verwenden der Parole verwirklicht wird.


Für Volksverhetzung droht zum Beispiel je nach konkretem Vorwurf eine Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren, teilweise Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren. In manchen Konstellationen ist eine Geldstrafe möglich.


Für das Verwenden von Kennzeichen verfassungswidriger und terroristischer Organisationen droht das Gesetz in § 86a StGB eine Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder eine Geldstrafe an.


Bei einer Verurteilung wegen Belohnung und Billigung von Straftaten durch Kundgabe der Parole „from river to the sea“ droht nach § 140 StGB ebenso eine Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder eine Geldstrafe.


Strafe wegen Volksverhetzung für Verwendung „from river to the sea“?

Zunächst könnte das Posten oder sonstige Verwenden der Parole „from river to the sea, palestine will be free“ eine Strafe wegen Volksverhetzung darstellen.

Der Parole wird durchaus ein antisemitischer Inhalt zugesprochen.


Rechtlich betrachtet muss hier aber beachtet werden, dass Volksverhetzung eine Straftat ist, die mit der Meinungsfreiheit in gewisser Weise kollidiert.


Vorab ist festzuhalten: Meinungsfreiheit gilt nicht absolut. Meinungsfreiheit hat Grenzen. Grenzen sind zum Beispiel strafbare Beleidigungen oder strafbare volksverhetzende Äußerungen.

Aber: Bei solchen Äußerungsdelikten muss das Grundrecht der Meinungsfreiheit bei der Beurteilung der Strafbarkeit dennoch beachtet werden.


Dies führt insbesondere dazu, dass eine Verurteilung wegen Volksverhetzung (beispielsweise) nur dann in Betracht kommt, wenn die Äußerung nicht so verstanden werden kann, dass ihr Inhalt straffrei wäre. Sobald eine straffreie Interpretation der in Frage stehenden Aussage nicht begründet ausgeschlossen werden kann, darf man vor dem Hintergrund der Meinungsfreiheit grundsätzlich nicht strafrechtlich verurteilt werden (BVerfG, Beschluss v. 28.03.2017 – 1 BvR 1384/16 – zu § 130 StGB Volksverhetzung).


Sie sehen: Hier gibt es nicht selten Argumentationsspielraum. Genau hier setzt also (unter anderem) eine Strafverteidigung an: in der genauen rechtlichen Analyse der vorgeworfenen Aussage.


Im Hinblick auf „from river to the sea“ wird hinsichtlich des Vorwurfs Volksverhetzung daher angeführt, dass die Parole auch anders verstanden werden kann, in anderem Kontext – in den 1960ern – bekannt wurde und daher nicht rein antisemitisch zu verstehen sei.


Ein weiterer Aspekt, der gegen eine Strafe wegen Volksverhetzung in diesem Zusammenhang spricht der fehlende sogenannte Inlandsbezug.

Eine Verurteilung wegen Volksverhetzung droht nämlich nur dann, wenn sich die Tat gegen eine Person bzw. Bevölkerungsgruppe im Inland richtet. Das wird bei „from river to the sea“ weitestgehend verneint, da zwar auch in Deutschland jüdische Personen leben, die Parole sich aber – so wird es angeführt – nicht auf die in Deutschland lebenden Personen bezieht.


Der fehlende Bezug zum Inland ist übrigens auch ein wesentliches Argument gegen eine Strafbarkeit wegen Öffentlicher Aufforderung zu Straftaten durch die Parole „from river to the sea“.


Eine Strafe wegen Volksverhetzung durch das Posten oder sonstige Verwenden der Parole ist demnach unwahrscheinlich, da einige Argumente dagegensprechen.


Wie immer, ist die strafrechtliche Beurteilung einer Situation immer und ausnahmslos eine Frage des Einzelfalls. Die hier dargestellten Argumente und Ausführungen können immer nur eine verallgemeinerte Darstellung zur Orientierung bieten.


Wenn Sie mit dem Vorwurf der Volksverhetzung konfrontiert sind, empfiehlt es sich, sich an einen erfahrenen und spezialisierten Anwalt für Strafrecht zu wenden.


Mache ich mich wegen Verwendens Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen strafbar, wenn ich „from river to the sea“ poste?

Da die Hamas inzwischen eine durch das Bundesministerium des Inneren und für Heimat verbotene Organisation ist, liegt der Vorwurf des strafbaren Verwendens von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen beim Posten der Parole „from river to the sea“ recht nahe.


Ansatzpunkt für die Strafverteidigung kann hier zunächst das Merkmal des Kennzeichens sein; namentlich ob die Parole „from river to the sea“ ein Kennzeichen der Hamas ist.

Parolen können ein Kennzeichen in diesem Sinne sein (§ 86a Abs.2 StGB). Allerdings muss dieses Kennzeichen der verbotenen Organisation auch – insbesondere auch hier wieder vor dem Hintergrund der Meinungsfreiheit – eindeutig und deutlich zuzuordnen sein.

Das Verwaltungsgericht Frankfurt führte beispielsweise in einem Beschluss unter anderem auf, dass die Parole zwar im Zusammenhang mit der Hamas steht, aber nicht ausschließlich dieser zugeordnet wird (VG Frankfurt, Beschluss v. 21.03.2024 – 5 L 940/24.F). In diesem Beschluss bezweifelt das Verwaltungsgericht Frankfurt die Strafbarkeit nach § 86a StGB wegen Verwenden von Kennzeichen verfassungswidriger und terroristischer Organisationen bei der Verwendung der Parole „from river to the sea“, auch unter anderem im Hinblick auf die Meinungsfreiheit.


Billigung von Straftaten bei Verwendung „from river to the sea“ Parole?

Vor allem bei Verwenden der Parole „from river to the sea“ unmittelbar nach dem 07. Oktober 2023, drohte der Vorwurf „Billigung von Straftaten“ (§ 140 StGB).


Knackpunkte hinsichtlich des Vorwurfs der Billigung von Straftaten ist insbesondere, dass die Aussage „from river to the sea“ tatsächlich im Zusammenhang mit den Geschehnissen am 07. Oktober stand. Gerade hier spielt demnach die zeitliche Komponente – wie nah an den Geschehnissen lag die Aussage – eine große Rolle bei der Frage nach der Strafbarkeit des Verwendens der Parole.


Auch hinsichtlich des Vorwurf Billigung von Straftaten ist wieder die Meinungsfreiheit zu berücksichtigen.

Folge auch hier: eine Verurteilung wegen Billigung von Straftaten ist von Vornherein nur möglich, wenn andere – straflose – Interpretationen der in Frage stehenden Aussage begründet und überzeugend ausgeschlossen werden (BVerfG, Beschluss v. 28.03.2017 – 1 BvR 1384/16 – zu § 130 StGB Volksverhetzung). Hessischer Verwaltungsgerichtshof, Beschluss v. 22.03.2024 – 8 B 560/24.


Was soll ich tun bei einer Hausdurchsuchung wegen Posting „from river to the sea“?

Fälle der Kundgabe der Parole von „from river to the sea“ werden ungeachtet der Streitigkeiten über deren Strafbarkeit durchaus teils von den Strafverfolgungsbehörden verfolgt. Noch vor Erlass eines Strafbefehls oder einer Anklage kann zum Beispiel eine Hausdurchsuchung und Beschlagnahme elektronischer Geräte wie Laptop, Handy und Co durch die Polizei erfolgen. Das betrifft insbesondere (aber nicht nur) Fälle, in denen die vorgeworfene Straftat im Internet begangen wurde, z.B. durch einen Post bei social media.


Hier gilt es, sich richtig zu verhalten, um die eigene Situation nicht schlimmstenfalls noch schlimmer zu machen.

Die drei elementaren Grundregeln sind auch hier vor allem:

  • Ruhe bewahren
  • zum Tatvorwurf schweigen
  • Strafverteidiger kontaktieren


Sie sind nicht zur aktiven Mitwirkung verpflichtet, Sie dürfen die Beamten aber auch nicht bei ihrer Arbeit behindern, insbesondere nicht die Beamten angreifen. Sonst drohen schlimmstenfalls weitere strafrechtliche Vorwürfe, z.B. wegen Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte oder Körperverletzung.


Schweigen Sie als Beschuldigter einer Straftat erst einmal zum Tatvorwurf. Das gilt auch hinsichtlich Smalltalks mit den Beamten. Die Beamten sind in Vernehmungsmethoden geschult und Aussagen, die Sie tätigen, haben Sie getätigt und sind im Nachhinein meistens nur noch schwer oder gar nicht mehr „aus der Welt zu schaffen“. Daher gilt allgemein: Bevor Sie nicht mit einem Strafverteidiger Rücksprache gehalten und mit dem Anwalt für Strafrecht das weitere Vorgehen abgesprochen haben, sollten Sie lieber zum Tatvorwurf schweigen.


Je schneller Sie sich bei einem Strafverteidiger melden, desto besser. Gerade zu Beginn des Verfahrens werden wichtige Weichen für den weiteren Verlauf und mögliche Beendigungen des Strafverfahrens gestellt. Je eher Sie sich professionelle Hilfe suchen, desto geringer das Risiko, sich Verteidigungsmöglichkeiten durch unbedachtes Verhalten zu verbauen.

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Foto(s): @BHG

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