Haftung bei Corona-Infektion - Schadenersatzansprüche geltend machen

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In diesem Rechtstipp habe ich mich damals schon intensiv mit der Frage befasst, ob das Infizieren eines anderen mit dem Corona-Virus eine Straftat darstellen kann. Zusammengefasst gilt, wenn jemand von der eigenen Infektion wusste oder diese zumindest für wahrscheinlich gehalten hat und dann, ohne geeignete Schutzmaßnahmen getroffen zu haben, mit Dritten verkehrt und diese sodann infiziert, hat sehr wahrscheinlich den Tatbestand der gefährlichen Körperverletzung erfüllt.

Im Rahmen eines Strafverfahrens könnte nun im Wege eines sogenannten Adhäsionsverfahrens auch ein Schadenersatzanspruch des Verletzten geprüft werden. Das kann ein Weg zum eigenen Schadenersatzanspruch sein. Doch nicht immer bietet sich der Weg über ein Strafverfahren an. Das ist aber auch nicht nötig. Denn der Geschädigte kann seinen Schadenersatzanspruch durchaus auch selbst als zivilrechtlichen Anspruch unmittelbar vor einem Gericht einfordern.

zivilrechtlichen Schadenersatz prüfen

Aktuell gibt es praktisch keine Urteile zu solchen Schadenersatzansprüchen. In der Arbeitsgerichtsrechtsprechung finden sich eine handvoll Urteile, die aber auch noch zu Zeiten ergangen sind, als die Corona-Schutzverordnung und insbesondere auch noch die SARS-CoV-2-Arbeitsschutzverordnung anzuwenden war. Doch die Pandemie ist inzwischen beendet. Die SARS-CoV-2-Arbeitsschutzverordnung ist zum 2. Februar 2023 aufgrund der Aufhebung der pandemischen Lage ausgelaufen. Das hinterlässt den Eindruck, dass man nun der Gefährdung durch das Virus schutzlos ausgeliefert ist und im Fall einer Infektion keine Ansprüche bestehen würden.

Doch das stimmt nicht. Es besteht sehr wohl ein zivilrechtlicher Anspruch auf Schadenersatz.

Der Schaden liegt dabei in den gesundheitlichen und persönlichen Einschränkungen, die man als Infizierter erleidet. Abgesehen davon, dass vielfach eine Infektion eben nicht bloß mit leichten Symptomen einhergeht, ist zur Vermeidung der Ansteckung anderer eine vorübergehende Isolation insbesondere auch im häuslichen Umfeld notwendig. Kommt z.B. ein Schulkind mit einer Corona-Infektion nach Hause, muss sich das Kind selbst isolieren und die restliche Familie vorübergehend zur Vermeidung eigener Ansteckung zu Hause überwiegend Maske tragen, wo keine Luftfilter eingesetzt werden können.

Diese Umstände begründen neben einem Ersatzanspruch für tatsächliche, materielle Schäden (z.B. Verdienstausfall) auch einen immateriellen Schmerzensgeldanspruch, der je nach Schwere der Krankheitssymptome und Dauer der notwendigen Isolation von einigen 100 € bis zu mehreren 1.000 € reichen kann. Kommt es sogar zu einem tragischen Todesfall aufgrund der Infektion, steht den Hinterbliebenen ein Schmerzensgeldanspruch in einer Größenordnung von wahrscheinlich um die 10.000 € zu.

Verkehrssicherungspflicht und Deliktsrecht

Für die Anspruchsgrundlage kommt es darauf an, wo die Infektion erfolgt ist. Im privaten Umfeld bei einer Infektion durch eine bestimmte Person kommt ein Anspruch direkt aus § 823 Abs. I BGB oder auch Abs. II BGB i.V.m. § 224 StGB in Betracht. Erfolgte die Infektion in einer Gesundheitseinrichtung, z.B. Krankenhaus, Reha-Klinik oder Altenheim, entspringt der Anspruch aus dem entsprechenden Behandlungsvertrag und der sich aus diesem Vertrag ergebenden Verkehrssicherungspflicht. Je nach Umstand kann eine Haftung nach § 241 Abs. 2 BGB oder auch Deliktsrecht gemäß § 823 BGB begründet werden.

Die Gegenmeinung führt hierzu ins Feld, dass eine Corona-Infektion inzwischen zum allgemeinen Lebensrisiko gehören würde, was durch das Beenden der pandemischen Lage dokumentiert sei, und das Schadenersatzrecht nicht vor allgemeinen Gefahren des täglichen Lebens schützen soll. Letzteres stimmt zwar, ersteres aber nicht. Bei dem SARS-CoV-2-Erreger handelt es sich um einen Erreger der Risikogruppe 3. Das hat der Ausschuss für Biologische Arbeitsstoffe in seinem Beschluss 11/2023 vom 24.05.2023 nochmals bestätigt. Damit unterfällt das Virus der TRBA 462 und verlangt daher auch besondere Aufmerksamkeit in Bezug auf geeignete Schutzmaßnahmen. Zwar ist die TRBA 462 eine Arbeitsschutzregelung. Sie zeigt aber, dass es sich um ein allgemein als gefährlich eingestuftes Virus handelt, womit alle berufen sind, im Fall einer möglichen Infektion Dritter geeignete Maßnahmen zu ergreifen.

Veranstalter, Arbeitgeber, Kita- und Schulleitungen

Im Kern bedeutet das, dass z.B. dort, wo viele Menschen zusammen kommen, also z.B. bei Veranstaltungen, in Schulen, Kindergärten und auch auf dem Arbeitsplatz, bei Bekanntwerden einer Infektion oder zumindest der begründeten Annahme, dass eine Infektion möglich ist, geeignete Schutzmaßnahmen zu treffen sind (Verkehrssicherungspflicht). So wäre ein Arbeitgeber oder auch eine Kita- oder Schulleitung wohl verpflichtet, Personen, bei denen eine Infektion bekannt ist, nach Hause zu schicken oder - wenn die Schwere der Symptome einer Teilnahme nicht entgegen steht - zum Tragen einer FFP2-Maske aufzufordern. Kommt die Leitung dieser Pflicht nicht nach und/oder überwacht nicht, dass sich die betroffene Person an die Anweisung hält, und kommt es deswegen zu einer Infektion eines Dritten, hat dieser dann aus den vorstehenden Gründen einen Schadenersatzanspruch gegen die Institution und natürlich auch, wenn persönlich bekannt, gegen diejenige Person, die das Virus übertragen hat.

Ein Schadenersatzanspruch macht nichts ungeschehen. Aber es kann ein Trostpflaster sein. Und außerdem kann die Geltendmachung dazu führen, dass auch gesellschaftlich ein Umdenken eintritt, dass allgemein ein Schutz vor einer Infektion in jedem Fall eine gute Sache ist. Man schützt damit sich selbst eben nicht nur vor Ansteckung sondern auch vor einer Inanspruchnahme durch andere, die man angesteckt hat.



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