Kindergeld: Die Aussetzung der Vollziehung eines Aufhebungsbescheides
- 3 Minuten Lesezeit
In meiner anwaltlichen Praxis habe ich immer wieder mit Aufhebungsbescheiden von Familienkassen zu tun, die bewilligtes Kindergeld für die Zukunft aufheben. Wenn die Aufhebung der Bewilligung von Kindergeld rechtswidrig ist, kann man gegen den Aufhebungsbescheid Einspruch einlegen. Da das aber nicht sofort dazu führt, dass weiter Kindergeld gezahlt wird, stelle ich natürlich auch immer einen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung des angefochtenen Aufhebungsbescheides nach § 69 Abs. 2 FGO.
Meine traurige Erfahrung ist, dass die Familienkassen mit diesen Aussetzungsanträgen nichts anfangen können. Nahezu jedes mal erhalte ich die Auskunft, dass der Antrag unzulässig sei, weil der Aufhebungsbescheid den Bezug von Kindergeld nur für die Zukunft aufhebe, nicht aber mit einer Rückforderung von zu viel gezahltem Kindergeld verbunden sei und daher keine Beschwer enthalte Dabei erschließt sich doch mit dem logischen Menschenverstand, dass die Aufhebung eines begünstigenden Verwaltungsaktes natürlich auch eine Beschwer darstellt, weil das ehemals bewilligte Kindergeld nun nicht mehr gezahlt wird.
Ein Aussetzungsantrag ist stets dann zulässig, wenn in der Hauptsache eine Anfechtungsklage zu erheben wäre. Bei einem Aufhebungsbescheid der Familienkasse wird zunächst mit dem Einspruch und, sollte dieser erfolglos bleiben, anschließend mit der Anfechtungsklage angegriffen um den Bescheid aus der Welt zu schaffen, der den einst begünstigenden Bewilligungsbescheid über Kindergeld aufgehoben hat. Doch diese Systematik ist den Familienkassen nicht geläufig. Dort geht man davon aus, dass anstelle einer Anfechtungsklage eine Verpflichtungsklage auf Weiterzahlung von Kindergeld zu erheben sei.
Das ist aber Unsinn. In seinem von mir erstrittenen Beschluss des FG Münsters vom 27.12.2022, Az.:
7 V 2607/22 Kg,AO, führt das FG Münster zur Aussetzung eines Aufhebungsbescheides aus:
„A. Der Antrag ist zulässig. Entgegen der Auffassung der Antragsgegnerin handelt es sich bei der Aufhebung der Kindergeldfestsetzung im angefochtenen Bescheid vom 11.08.2022 um einen vollziehbaren Verwaltungsakt im Sinne von § 69 FGO.
I. Die Statthaftigkeit eines Rechtsbehelfs nach § 69 FGO setzt voraus, dass der im Hauptsacheverfahren angefochtene Verwaltungsakt vollziehbar ist, d.h. von seinem Regelungsinhalt in irgendeiner Weise Gebrauch gemacht werden kann (vgl. hierzu Beschluss des Bundesfinanzhofs – BFH – vom 18.09.1995 X B 134/91, BFH/NV 1996, 232, 233, m.w.N.). Diese Eigenschaft haben nicht nur Verwaltungsakte, die ihrem Adressaten eine Leistungspflicht auferlegen, sondern auch solche Verwaltungsakte, durch die eine schon gesicherte Rechtsposition des Betroffenen rückwirkend oder mit Wirkung für die Zukunft beeinträchtigt oder entzogen wird (z.B. BFH-Beschluss vom 20.021998 VI B 205/97, BFH/NV 1998, 963; VI B 36/98, BFH/NV 1999, 30; Beschluss vom 18.12.2000, VI S 15/98, BFH/NV 2001, 637; Finanzgericht Baden-Württemberg Beschluss vom 16.08.2011, 3 V 2447/11, EFG 2012, 720; Gräber/Stapperfend, 9. Aufl. 2019, FGO § 69 Rn. 87).
II. Unter Zugrundelegung dieser Rechtsgrundsätze handelt es sich bei dem Aufhebungsbescheid vom 11.08.2022 um einen vollziehbaren und damit aussetzungsfähigen Verwaltungsakt im Sinne von § 69 FGO.
Der Antragstellerin ist mit den jeweiligen Festsetzungen zugunsten ihrer beiden Kinder jeweils ein Dauerverwaltungsakt zuerkannt worden, mit dem Kindergeld in der gesetzlich vorgesehenen Höhe bis zur Volljährigkeit zuerkannt worden ist. Diese Rechtspositionen wurden ihr durch den angefochtenen Bescheid vom 11.08.2022 wieder genommen. Dies bedeutet eine Vollziehung des Aufhebungsbescheides. Die Aussetzung der Vollziehung des Bescheides vom 11.08.2022 bewirkt, dass vorläufig weiterhin von der in den Festsetzungsbescheiden getroffenen Regelungen, d.h. der Bewilligung des Kindergelds in der dort festgesetzten jeweiligen Höhe, ausgegangen wird.“
Gerade bei der Aufhebung von begünstigende Kindergeldbescheiden habe ich die Erfahrung gemacht, dass die Familienkassen bedauerlicherweise völlig falsch über die Möglichkeit einer Aussetzung der Vollziehung informieren und der Bürger hier sehr darauf angewiesen ist, sich anwaltlichen Beistand zu nehmen um hier keine Schiffbruch zu erleiden. Dabei ist noch zusätzlich darauf hinzuweisen, dass die Kosten des Anwalts zwar vorab zu finanzieren sind, in der Regel aber bei erfolgreichem Widerspruch auch von der Familienkasse zu erstatten sind. Das regelt § 77 Abs. 1 Satz 1 EStG wonach der Einspruchsführer Anspruch auf Ersatz der zur Rechtsverfolgung notwendigen Aufwendungen hat, soweit ein Einspruch gegen die Kindergeldfestsetzung erfolgreich ist.
Artikel teilen: