Insolvenz der dii AG bleibt spannend: Moratorium, Finvia, Scheinrechnungen und immer wieder Libanon

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„Die D.i.i. aus Wiesbaden verwaltet an 50 Standorten Immobilien, die insgesamt einen Wert von mehr als vier Milliarden Euro haben sollen, heißt es auf der Webseite des Unternehmens. […]Dem Aufsichtsrat gehört Felix Hufeld an, der ehemalige Chef der Finanzaufsicht Bafin. Den Vorsitz des Gremiums führt mit Herbert Meyer ein früherer Präsident der Deutschen Prüfstelle für Rechnungslegung DPR. Die Dachgesellschaft soll nun in ein Regelinsolvenzverfahren geführt werden. Darüber hinaus wurden Insolvenzanträge für weitere operative Tochtergesellschaften der D.i.i.-Gruppe gestellt, teilte das Unternehmen mit.“ 


(Quelle: Handelsblatt Artikel vom 28.03.2024)

Handelsblatt berichtet im Februar 2024 über Betrug mit Scheinrechnungen

Als das Handelsblatt im  Februar 2024 über einen ungewöhnlichen Compliance-Fall um betrügerische Scheinabrechnungen (Beseitigung von Vogelkot und Ölflecken) beim Wiesbadener Immobilienunternehmen d.i.i. Deutsche Invest Immobilien GmbH (in Wahrheit eine Aktiengesellschaft) berichtete, fiel bereits auf, dass die AG im September 2023 noch immer keinen Jahresabschluss für das Jahr 2022 vorweisen konnte.

Zunächst ließ der CEO Frank Wojtalewicz, ein nach eigenen Angaben an der Havard University ausgebildeter Diplom-Ingenieur und Sohn eines Waffenfabrikanten, gegenüber dem Handelsblatt verlautbaren, dass dies mit dem Compliance-Fall um Scheinrechnungen zu tun habe. Man habe aber die Aufarbeitung mit hochkarätigen Kanzleien aus Frankfurt am Main abgeschlossen und Strafanzeige gegen das externe Betrügernetzwerk gestellt. Außerdem betrage der entstandene Schaden insgesamt -also fondsübergreifend- maximal EUR 600.000

Ende Dezember 2023 hatte die dii Deutsche Invest GmbH, die hauseigene KVG der Unternehmensgruppe, bereits eine Anlegerinformation für die von dem Betrug betroffene Fonds herausgegeben. Angeblich sei der den Fonds entstandene Schaden minimal und die Muttergesellschaft, also die AG, werde den entstandenen Schaden ersetzen, so dass Anleger keine Auswirkungen erleiden würden.

Bereits im Februar 2024 gab es Zweifel an der Geschichte des CEO

Im April 2024 wurde klar, dass die Geschichten des Frank Wojtalewicz mindestens lückenhaft gewesen sind. Alle Verdachtsmomente, die darauf hinwiesen, dass nicht nur durch ein externes Betrügernetzwerk. sondern auch intern geschummelt und gemauschelt wurde, haben sich offenbar bewahrheitet, als bekannt wurde, dass die dii Deutsche Invest Immobilien AG Anfang April 2024 einen Insolvenzantrag gestellt hat.  

Es gab nämlich neben den Scheinrechnungen in Millionenhöhe bereits staatsanwaltschaftliche Ermittlungen gegen aktive Manager der d.i.i. Deutsche Invest Immobilien  (AG) und Untersuchungen der Aufsichtsbehörde BaFin.

Wurden Anleger vollständig und wahrheitsgemäß informiert?

Aus Anlegersicht dürfte noch brisanter sein: Die dii hat vor dem Landgericht Frankfurt bereits im Dezember 2023 (!) zivilprozessuale Schritte gegen (externe) Betrüger wegen Scheinrechnungen iHv EUR 15,8 Mio (!) eingeleitet – also zu einem Zeitpunkt als die Anleger der einzelnen Fonds darüber unterrichtet wurden, dass der Schaden in den Zehntausenden (!) liege. In der Antragsschrift der dii heißt es:

„Geleistete Zahlungen der d.i.i.-ObjektgeseIIschaften 

die d.i.i.-Objektgesellschaften leisteten aufgrund des planvollen und systematischen Zusammenwirkens der Beklagten […] von 2015 bis 2022 insgesamt Zahlungen in Höhe von EUR 15.842.649,35 an die Beklagten zu 1 bis 9. Diese deliktisch und rechtsgrundlos erlangten Beträge kamen letztlich den hinter den Beklagten zu 1 bis 9 stehenden natürlichen Personen und insbesondere dem Beklagten zu 10 zugute.“ 

Dieser eklatante Widerspruch zwischen dem Vortrag im Zivilverfahren und in der Anlegerinformation dürfte für die Verantwortlichen bei der dii noch interessant werden und auch einer gründlichen Insolvenzverwalterin nicht gleichgültig sein.

Auch wenn der Compliance-Fall im Zusammenhang mit Scheinrechnungen in Millionenhöhe wohl nur die Spitze des Eisbergs ist, so lässt sich im Umgang mit Compliance und Corporate Governance ein gefährliches Muster erkennen, das sich nun in der Insolvenz der dii materialisiert hat.

Oft rächt es sich zu glauben, schlauer zu sein als alle anderen und über dem Gesetz zu stehen. Auch in dieser Denke offenbart sich bei manchen Entscheidern der dii ein Muster - wie die erneute Verhaftung der Herren Sanktjohanser und Dr. Goetz offenbart hat. Die erneute Anordnung der Untersuchungshaft, die nicht im Zusammenhang mit der dii steht, hat scheinbar endgültig den Stecker beim kleinen Wirecard von Wiesbaden, wie manche Anleger die dii inzwischen nennen, gezogen. 

Doch damit nicht genug:

BaFin stellt Insolvenzantrag betreffend d.i.i. Investment GmbH

Die Finanzaufsicht BaFin hat am 17. April 2024 gegen die d.i.i. Investment GmbH ein Veräußerungs- und Zahlungsverbot erlassen (nachfolgend: Moratorium) und einen Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens über die Gesellschaft gestellt. Die d.i.i. Investment GmbH ist eine Tochtergesellschaft der d.i.i. deutsche Invest Immobilien AG und eine Kapitalverwaltungsgesellschaft (KVG), die über die Erlaubnis verfügt, Investmentvermögen (Fonds) zu verwalten. Sie ist die Tochtergesellschaft der dii AG. Aktuell verwaltet sie 16 Alternative Investmentfonds mit einem Volumen von insgesamt rund EUR 621 Mio.

Die vorläufige Insolvenzverwalterin der d.i.i. Deutsche Invest Immobilien GmbH (AG) und der Insolvenzverwalter der d.i.i. Investment GmbH (KVG) stehen nun jeweils vor einer Mammutaufgabe. Sie werden Licht in das tiefe Dunkel aus Scheinrechnungen und in das Netzwerk von Steigbügelhaltern und Profiteuren der Vernichtung von Anlegergeldern bringen müssen. Widerstreitende Interessen der Muttergesellschaft und der KVG werden diese Aufgabe erwartungsgemäß erschweren.

Insolvenzverwalterin beurlaubt CEO Wojtalewicz mit sofortiger Wirkung wegen "Unregelmäßigkeiten"

Bei Prüfungen im Zuge des Insolvenzverfahrens der d.i.i. Deutsche Invest Immobilien AG sind Unregelmäßigkeiten aufgefallen, ließ das Unternehmen durch eine Pressemitteilung am 25. April 2024 mitteilen. Diese müssten nun vertieft untersucht werden. Vor diesem Hintergrund haben sich die Insolvenzverwalterin Dr. Romy Metzger und Frank Wojtalewicz, Vorstandsvorsitzender der d.i.i. Deutsche Invest Immobilien AG auf eine Beurlaubung des Managers mit sofortiger Wirkung verständigt. 

Weshalb Wojtalewicz nicht bei der Behebung und Aufklärung der "Unregelmäßigkeiten" mithelfen darf und den Mitarbeitern stattdessen ein Kontaktverbot zu ihrem ehemaligen Chef auferlegt wurde, ist noch nicht bekannt. Auch ist nicht bekannt, ob die Beurlaubung des Konzernchefs mit den bei der Staatsanwaltschaft anhängigen Ermittlungsverfahren gegen zwei aktive Manager zu tun hat.

Medien berichten über Interessenskonflikte

Die Immobilienzeitung etwa titelt auf ihrer Webpräsenz "Es gibt Interessenkonflikte bei D.i.i.-Fonds" und berichtet darüber, dass die „Paribus Kapitalverwaltungsgesellschaft mit Wirkung zum 31. Mai 2024 das Verwaltungsrecht als Kapitalverwaltungsgesellschaft über die bislang von der D.i.i. verwalteten Spezial-AIFs (mit Ausnahme des D.i.i. 2) übernommen“ habe. Dies habe das Büro der Insolvenzverwalterin bestätigt.

Unerwähnt bleibt bisher leider, dass es angesichts der personellen Überschneidungen im Hause Dii nie ganz ohne Interessenskonflikte zugehen konnte. Dabei sind die Interessenskonflikte, die entstehen, wenn dieselbe Person (i.e. Wojtalewicz) einerseits Vorstand der Dii AG und gleichzeitig Geschäftsführer der hauseigenen Kapitalverwaltungsgesellschaft Dii GmbH ist, noch fast unschuldig anmutend.

Wojtalewicz hält 4,01 % der Anteile an Finvia Holding GmbH

Immer mehr Details zu den Machenschaften innerhalb der Dii drängen nun ans Tageslicht. So ist Wojtalewicz an der Firma Finvia Holding GmbH („Finvia“), welche für die dii KVG (d.i.i. Investment GmbH) Fundraising-Dienstleistungen erbringt und hierfür mit Vermittlungsprovisionen bezahlt wird, mit 4,01% beteiligt. Im August 2022 soll ein Marketing-Vertrag von der dii AG zu Gunsten von Finvia durch Herrn Wojtalewicz höchst selbst abgeschlossen worden sein, ohne dass der Aufsichtsrat oder der Gesamtvorstand darüber informiert wurden. Ob es sich hierbei um eine bewusste Benachteiligung der Anleger zugunsten des Herrn Wojtalewicz handelt, dürfte die Insolvenzverwalterin der Gläubigerversammlung sicher noch erläutern dürfen. Auch dürfte interessant sein, ob die wegen Verdunklungsgefahr in anderer Sache trotz Zahlung einer Kaution in Millionenhöhe noch immer inhaftierten Aufsichtsratsmitglieder von diesem Interessenskonflikt wussten oder ihn gar billigten.

Bürgschaft iHv EUR 10 Mio wirft Fragen zur Insolvenzreife auf

Insider berichten zudem, dass es eine Bürgschaft der Herren Wojtalewicz, Sanktjohanser und Dr. Goetz geben solle. Diese Bürgschaft wurde laut Jahresabschluss von Eigentümern gegenüber der dii AG ausgesprochen, um die Verbindlichkeiten der Tochtergesellschaften (Objektgesellschaft) gegenüber der dii AG abzusichern. Die Bürgschaft zielte darauf ab, die stetig anwachsenden Verbindlichkeiten abzusichern. Die Bürgschaft soll der Wirtschaftsprüfer eingefordert haben, um den Going-Concern der dii AG zu prüfen. Das Going-Concern-Prinzip heißt auf Deutsch Fortführungsprinzip. Es ist für die Aufstellung des Jahresabschlusses und die Erstellung der Steuerbilanz wichtig.

Ob diese Bürgschaft bei den zahlungsfähigen Bürgen zugunsten der dii AG rechtzeitig eingefordert wurde, ist nicht bekannt. Wäre dies erfolgt, hätte dies jedoch denklogisch Auswirkungen auf die Insolvenzreife und den Zeitpunkt des Insolvenzantrags haben dürfen.  

Insider berichten über fragwürdige Firma aus dem Libanon

In den Komplex um Scheinrechnungen passt ferner, dass die dii AG veranlasst und genehmigt durch Frank Wojtalewicz über Jahre jeweils sechsstellige Beträge an eine im Libanon ansässige Firma mit Hilfe einer irischen Korrespondenzbank gezahlt hat. Die Identität der Firma und die Ordnungsmäßigkeit dieser Zahlungen sollen von Wojtalewicz bestätigt worden sein. Nachfragen von Kollegen zu diesen Zahlungen und deren Rechtsgrundlage soll Wojtalewicz stets unwirsch abgeblockt haben. Die uns zugesendete Rechnung dieser Firma, die soweit ersichtlich in keinem Handelsregister der Welt ausfindig gemacht werden konnte, entsprechen nicht den steuerlichen Vorgaben (keine Steuernummer, ausweisbare Umsatzsteuer, keine Nennung konkret erbrachter Leistung, etc.).

Sowohl für geprellte Anleger, für gründliche Ermittler und nicht zuletzt für eine gewissenhafte Insolvenzverwaltung dürften die Rechtsgrundlage dieser Zahlungen als auch der wahre Kontoinhaber des englischen Kontos von größtem Interesse sein. Was Paribus-Gruppe -Geschäftsführer Reul, der sich nach Wiesbaden begeben hat, um Fonds der insolventen Dii wieder "aufs Gleis zu stellen", zu den zutage getretenen Vorkommnissen in Wiesbaden sagt, ist unbekannt.

Reagiert BaFin zügig und entschlossen genug?

Der Frankfurter Fachanwalt für Bankrecht und Kapitalmarktrecht Benjamin Hasan ist Partner im Frankfurter Büro der international aufgestellten Kanzlei Michael Kyprianou & Co LLC. Er ist schlagkräftiger Interessensvertreter, erfahrener Prozessanwalt und war zuvor Chief Compliance Officer und Aufsichtsrat verschiedener Banken. Benjamin Hasan setzt sich mit großem Engagement - ganz gleich ob Millionenklage oder einstweilige Verfügung gegen eine Großbank - für seine Mandanten ein. Er hat über die Jahre hunderte Prospekte von Immobilienfonds analysiert und ebenso viele Prozesse in vergleichbaren Sachverhalten geführt. Er erhält regelmäßig Anfragen von Anlegern unterschiedlicher Unternehmensgruppen und Medien wie "Handelsblatt", "Die Zeit" und "N-TV" und "Börsenzeitung" berichten über seine Arbeit und vertrauen seiner Expertise. Er rät betroffenen Anlegern, sich bei Fragen an das kostenlose Verbrauchertelefon der BaFin unter der Nummer 0800 2 100 500 oder an einen spezialisierten Fachanwalt zu wenden.

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Foto(s): Kyprianou & Hasan GbR

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