LG Koblenz: Abwerben von Mitarbeitern als gezielte Behinderung des Mitbewerbers
- 3 Minuten Lesezeit
Das Abwerben von Mitarbeitern gehört zum freien Wettbewerb und ist rechtlich grundsätzlich erlaubt. Doch unter welchen Umständen überschreitet das Abwerben die Grenze zum unlauteren Wettbewerb? Das Landgericht (LG) Koblenz verdeutlicht in in seiner Entscheidung vom 17.09.2024 (Az.: 11 O 12/24), dass ein Wettbewerbsverstoß in der Regel nur dann vorliegt, wenn das Abwerben mit zusätzlichen unlauteren Umständen verbunden ist. Besonders problematisch ist dabei eine gezielte Behinderungsabsicht, die nicht auf den eigenen Bedarf des Abwerbenden abzielt, sondern primär darauf, den Konkurrenten wirtschaftlich zu schädigen.
Sachverhalt
Im Streitfall warf ein mittelständisches Unternehmen einem Konkurrenten vor, systematisch und gezielt mehrere seiner Schlüsselmitarbeiter abgeworben zu haben. Der Kläger argumentierte, dass das Vorgehen nicht auf den eigenen Bedarf des Abwerbenden gerichtet gewesen sei, sondern allein darauf abgezielt habe, die wirtschaftliche Position des Klägers zu schwächen.
Der Beklagte entgegnete, dass das Abwerben von Mitarbeitern ein legitimer Bestandteil des freien Wettbewerbs sei und keine unlauteren Umstände vorgelegen hätten. Die betroffenen Mitarbeiter hätten aus freien Stücken gewechselt, und es habe weder eine Behinderungsabsicht noch eine Einflussnahme auf bestehende Arbeitsverhältnisse gegeben.
Der Kläger hingegen betonte, dass die Abwerbung gezielt nur auf die Mitarbeiter seines Unternehmens gerichtet gewesen sei und der Konkurrent keine anderen Optionen auf dem Arbeitsmarkt sondiert habe. Zudem warf er dem Beklagten vor, die Mitarbeiter durch überzogene finanzielle Angebote zu einem Wechsel verleitet zu haben.
Entscheidung
Das LG Koblenz stellte in seiner Entscheidung klar, dass das Abwerben von Mitarbeitern grundsätzlich keinen Wettbewerbsverstoß darstellt, solange keine zusätzlichen unlauteren Umstände hinzutreten. Dies entspricht der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH), wonach das Abwerben im freien Wettbewerb zulässig ist, sofern es sich in den Grenzen des lauteren Verhaltens bewegt. Die zentrale Frage war daher, ob im vorliegenden Fall eine gezielte Behinderungsabsicht des Beklagten vorlag.
Wesentliche Aspekte der rechtlichen Bewertung:
Grundsatz der Zulässigkeit:
Das Abwerben ist ein legitimes Mittel des Wettbewerbs und ein Ausdruck der freien Marktwirtschaft. Unternehmen dürfen qualifizierte Mitarbeiter ansprechen und sie für einen Wechsel motivieren, auch wenn dies negative Folgen für den bisherigen Arbeitgeber hat.Unlautere Umstände als Grenze:
Ein Wettbewerbsverstoß liegt nur vor, wenn unlautere Begleitumstände hinzutreten. Solche Umstände können z. B. das Versprechen überzogener finanzieller Vorteile, die Einflussnahme auf bestehende Arbeitsverhältnisse oder der Missbrauch vertraulicher Informationen des bisherigen Arbeitgebers sein.Behinderungsabsicht als zentrales Kriterium:
Ein Verstoß gegen den lauteren Wettbewerb liegt vor, wenn das Abwerben nicht aus einem eigenen unternehmerischen Interesse des Abwerbenden erfolgt, sondern primär darauf abzielt, die wirtschaftliche Entfaltung des Konkurrenten zu behindern. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn:
- Der Abwerbende die Mitarbeiter nicht selbst benötigt, sondern nur darauf abzielt, dem Konkurrenten zu schaden.
- Die Abwerbeversuche gezielt auf ein einziges Unternehmen beschränkt werden, ohne andere Möglichkeiten auf dem Arbeitsmarkt zu prüfen.Entscheidung im konkreten Fall:
Das LG Koblenz kam zu dem Schluss, dass im vorliegenden Fall kein unlauterer Wettbewerbsverstoß vorlag. Der Beklagte konnte nachweisen, dass die abgeworbenen Mitarbeiter tatsächlich benötigt wurden und keine gezielte Behinderungsabsicht bestand. Es gab keine Hinweise darauf, dass der Abwerbende ausschließlich Mitarbeiter des Klägers angesprochen oder andere Arbeitsmarktoptionen ignoriert hatte.
Praxishinweise
Für Arbeitgeber (potenziell Geschädigte):
- Wettbewerbsverbote nutzen: Arbeitgeber können sich durch nachvertragliche Wettbewerbsverbote schützen. Solche Klauseln müssen jedoch rechtswirksam gestaltet sein und eine Karenzentschädigung vorsehen.
- Schutz von Betriebsgeheimnissen: Der Schutz sensibler Unternehmensinformationen ist entscheidend. Hier können Geheimhaltungsvereinbarungen und technische Schutzmaßnahmen helfen, Missbrauch durch (ehemalige) Mitarbeiter zu verhindern.
- Nachweis unlauterer Absichten: Ein Wettbewerbsverstoß durch Abwerben ist schwer nachzuweisen. Unternehmen sollten sorgfältig dokumentieren, wenn sie den Verdacht haben, dass ein Konkurrent gezielt auf ihre Mitarbeiter abzielt, ohne ein eigenes unternehmerisches Interesse zu verfolgen.
Für Abwerbende (Wettbewerber):
- Eigener Bedarf: Das Abwerben von Mitarbeitern ist nur dann zulässig, wenn der Abwerbende die betroffenen Mitarbeiter tatsächlich benötigt. Die Abwerbung allein aus Behinderungsabsicht ist unzulässig.
- Breite Suche: Unternehmen sollten nicht ausschließlich bei einem Konkurrenten rekrutieren, sondern den Arbeitsmarkt insgesamt sondieren.
- Wettbewerb im rechtlichen Rahmen: Das Abwerben von Mitarbeitern ist erlaubt, darf jedoch nicht durch die Nutzung vertraulicher Informationen oder die bewusste Störung des Wettbewerbs erfolgen.
- Transparenz gegenüber neuen Mitarbeitern: Unternehmen sollten sicherstellen, dass potenzielle neue Mitarbeiter keine bestehenden Verpflichtungen (z. B. Wettbewerbsverbote) verletzen, um rechtliche Auseinandersetzungen zu vermeiden.
Für Arbeitnehmer:
- Freiwilligkeit beachten: Arbeitnehmer haben das Recht, ihr Arbeitsverhältnis zu wechseln, sollten dabei jedoch bestehende vertragliche Verpflichtungen wie Kündigungsfristen oder Wettbewerbsverbote beachten.
- Aufklärung über Verpflichtungen: Arbeitnehmer sollten potenzielle neue Arbeitgeber über bestehende vertragliche Einschränkungen informieren, um Konflikte zu vermeiden.
Artikel teilen: