Lügen und unwahre Aussagen im Wirtschaftsprozess: Rechtliche Strategien zur Verteidigung
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Von Rechtsanwalt Dr. Marc Laukemann
„Die Wahrheit triumphiert nie, ihre Gegner sterben nur aus.“ Besonders im Wirtschaftsrecht, wo es oft um erhebliche Vermögenswerte und Reputationen geht, spielen unwahre Behauptungen eine zentrale Rolle. Doch wie kann man sich als Unternehmen effektiv gegen falsche Äußerungen wehren?
1. Die Bedeutung der Wahrheit im Wirtschaftsprozess
In wirtschaftsrechtlichen Streitigkeiten können falsche Behauptungen erheblichen Schaden anrichten. Sie gefährden nicht nur das Unternehmensergebnis, sondern auch die Reputation eines Unternehmens oder einer Führungskraft. Dabei gelten im Gerichtsverfahren strenge Anforderungen: Aussagen müssen belegt und nachweisbar sein, sonst drohen rechtliche Sanktionen.
Warum wird gelogen?
Lügen in Gerichtsverfahren haben oft taktische Gründe:
- Zeitgewinn: Verzögerungstaktiken erhöhen den Druck auf die Gegenseite.
- Reputationsschädigung: Falsche Behauptungen sollen die Glaubwürdigkeit der Gegenseite untergraben.
- Strategische Vorteile: In komplexen wirtschaftlichen Auseinandersetzungen soll die Wahrheit verdreht werden, um die eigene Verhandlungsposition zu stärken.
2. Das Persönlichkeitsrecht des Unternehmens
Das Persönlichkeitsrecht schützt nicht nur Einzelpersonen, sondern auch Unternehmen. Falsche Tatsachenbehauptungen, die das Ansehen eines Unternehmens schädigen, können erhebliche wirtschaftliche Folgen haben. Unternehmen haben das Recht, gegen solche Behauptungen vorzugehen und beispielsweise eine Unterlassung oder Gegendarstellung zu fordern. Besonders in Fällen, wo die öffentliche Wahrnehmung stark beeinflusst wird, wie bei negativen Bewertungen oder gezielten Rufschädigungskampagnen, ist schnelles Handeln entscheidend.
3. Meinungsfreiheit und Tatsachenbehauptungen
Während die Meinungsfreiheit ein hohes Gut ist, stößt sie an ihre Grenzen, wenn es um unwahre Tatsachenbehauptungen geht. Diese sind nicht durch die Meinungsfreiheit gedeckt und können rechtlich angegriffen werden. In wirtschaftsrechtlichen Verfahren ist es entscheidend, zwischen zulässigen Meinungsäußerungen und unzulässigen Tatsachenbehauptungen klar zu unterscheiden. Unwahre Tatsachenbehauptungen können nicht nur rechtlich geahndet werden, sondern auch die Grundlage für Schadensersatzforderungen bilden, wenn sie nachweislich zu geschäftlichen Nachteilen führen.
4. Hohe Anforderungen im Gerichtsverfahren
Gerichtsverfahren setzen hohe Anforderungen an die Beweisführung. Es reicht nicht aus, einfach zu behaupten, dass eine Aussage falsch ist. Die betroffene Partei muss klar nachweisen, dass die Behauptung unwahr ist. Dies erfordert eine gründliche Dokumentation aller relevanten Vorgänge. Zeugen, schriftliche Nachweise und digitale Belege spielen hierbei eine entscheidende Rolle. Auch die Prozessführung selbst muss strategisch darauf ausgerichtet sein, die eigene Glaubwürdigkeit zu stärken und die Unwahrheit der gegnerischen Behauptungen offenzulegen.
5. Praxisbeispiele und Strategien
- Negative Bewertungen: Falsche oder irreführende Bewertungen im Internet können das Ansehen eines Unternehmens nachhaltig schädigen. Unternehmen sollten in solchen Fällen sofort reagieren und, falls nötig, rechtliche Schritte einleiten, um die Löschung der Bewertungen oder eine Gegendarstellung zu erwirken.
- Unternehmenskritik: Unberechtigte Kritik, die auf falschen Tatsachen basiert, kann und sollte rechtlich verfolgt werden. Hier ist es wichtig, die Tatsachenbehauptungen klar zu widerlegen und den taktischen Hintergrund solcher Aussagen aufzudecken.
5.1. Rechtliche Angriffsgrundlage: Unlautere geschäftliche Handlungen
Unwahre Aussagen Dritter können unter das Wettbewerbsrecht fallen, wenn sie im geschäftlichen Kontext erfolgen. Eine geschäftliche Handlung liegt vor, wenn die Äußerung nicht nur private Freizeitinteressen verfolgt, sondern geschäftliche Ziele unterstützt. Ein klassisches Beispiel bietet die BGH-Entscheidung „Vorsicht Falle“ (GRUR 2021, 1207): Hier wurde ein Unternehmen durch öffentliche Warnungen über angeblich unseriöse Praktiken eines Mitbewerbers in Misskredit gebracht. Der BGH stellte klar, dass die Warnung, verbunden mit dem Ziel, eigene Kunden zu gewinnen, eine geschäftliche Handlung darstellt. Dies kann auch dann relevant sein, wenn ein Unternehmer vor den Praktiken eines Konkurrenten warnt, um sich selbst als vertrauenswürdigen Anbieter zu positionieren.
5.2. Wettbewerbshandeln von Einzelpersonen
Ein weiteres relevantes Kriterium ist, ob die Äußerung durch eine Person erfolgt, die als Mitbewerber des geschädigten Unternehmens handelt. Hier ist die Abgrenzung zwischen privatem und geschäftlichem Kontext entscheidend. Die Rechtsprechung zeigt unterschiedliche Fallkonstellationen:
- Bezeichnung als „Scharlatan“ oder „merkwürdiger Anbieter“: Diese Aussagen wurden in der Entscheidung „Coaching-Newsletter“ (BGH Urteil vom 19. Mai 2011 – I ZR 147/09, GRUR 2012, 74) als wettbewerbswidrig eingestuft, weil sie die Wertschätzung des betroffenen Unternehmens herabsetzen.
- Falsche Tatsachenbehauptungen in sozialen Medien: Kommentare wie „Wie ich diese Markenklauer hasse“ (OLG Frankfurt, MMR 2019, 649) oder „Schmuddelkind“ für eine Bank (OLG Frankfurt, GRUR-RR 2016, 14) wurden ebenfalls als unzulässige Herabsetzungen gewertet.
Diese Beispiele zeigen, dass auch scheinbar beiläufige Äußerungen in sozialen Medien oder anderen öffentlichen Plattformen rechtliche Konsequenzen nach sich ziehen können, wenn sie die geschäftliche Reputation eines Unternehmens angreifen.
5.3. Unzulässigkeit und Interessenabwägung
Ein zentraler Aspekt ist die lauterkeitsrechtliche Unzulässigkeit der Äußerung, die durch eine umfassende Interessenabwägung bestimmt wird. Die Rechtsprechung legt dabei den Fokus auf:
- Bedeutung der Meinungsfreiheit: Je größer das öffentliche Interesse an der geäußerten Kritik, desto eher wird sie zulässig sein. Kritik, die auf private Streitigkeiten abzielt oder rein wettbewerbliche Ziele verfolgt, unterliegt jedoch strengeren Anforderungen.
- Grad der Herabsetzung: Pauschale Abwertungen ohne sachliche Grundlage werden regelmäßig als unzulässig eingestuft. Beispielsweise führte die pauschale Kritik an Mitbewerbern ohne Angabe konkreter Umstände im Fall „Coaching-Newsletter“ (BGH Urteil vom 19. Mai 2011 – I ZR 147/09, GRUR 2012, 74 zur Unlauterkeit.
5.4. Unternehmerpersönlichkeitsrecht und Recht am Gewerbebetrieb
Unwahre oder diffamierende Aussagen können auch das Unternehmerpersönlichkeitsrecht und das Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb verletzen. Diese Rechte schützen nicht nur die persönliche Integrität von Einzelpersonen, sondern auch den geschäftlichen Ruf und die wirtschaftliche Existenz eines Unternehmens.
- Unternehmerpersönlichkeitsrecht: Dieses Recht schützt das Ansehen eines Unternehmens vor herabsetzenden Äußerungen. Wenn die Aussagen geeignet sind, die Geschäftsbeziehungen zu beeinträchtigen, kann dies eine Verletzung des Persönlichkeitsrechts darstellen.
- Gewerbebetrieb: Angriffe auf die Geschäftsgrundlage, etwa durch die Verbreitung falscher Tatsachen über Produkte oder Dienstleistungen, können als Eingriff in den eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb bewertet werden.
Fazit: Rechtliche Verteidigung gegen unwahre Aussagen
Unwahre oder herabsetzende Aussagen im geschäftlichen Kontext können erhebliche rechtliche Konsequenzen haben. Unternehmen sollten:
- Schnell handeln, um die Verbreitung falscher Informationen zu stoppen.
- Rechtliche Schritte einleiten, um Unterlassungsansprüche und Schadensersatzforderungen durchzusetzen.
- Eine umfassende Dokumentation führen, um die eigenen Ansprüche im Streitfall belegen zu können.
Die Abwehr solcher Angriffe erfordert eine sorgfältige Abwägung zwischen Meinungsfreiheit und den berechtigten Interessen des Unternehmens, wobei die Rechtsprechung klaren Leitlinien folgt, um die unlautere Herabsetzung von Mitbewerbern zu verhindern.
* Rechtsanwalt Dr. Marc Laukemann ist Gründungspartner von LFR Wirtschaftsanwälte München, Fachanwalt für Handels- und Gesellschaftsrecht sowie für gewerblichen Rechtsschutz, zertifizierter Wirtschaftsmediator (IHK) und systemischer Business Coach (IHK). Der Beitrag basiert auf seinen persönlichen Erfahrungen als Interessenvertreter in hochkonfliktären Wirtschafts- und Gesellschaftskonflikten.
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Weitere Informationen unter: https://www.lfr-law.de/prozessfuehrung-adr/
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