Online-Glücksspiel: warum die BGH-Vorlage an den EuGH die richtige Entscheidung ist und warum sie Betroffenen hilft

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Es ist der 25.07.2024, 08:45 Uhr. Das Telefon bei der Pressestelle des BGH klingelt: "Wann mit einer Entscheidung in der Sache I ZR 90/23 zu rechnen sei?", klingt es von Seiten des Anrufers. "Es wird noch etwas dauern, der Senat verkündet gerade noch die vorherige Sache. Eine Entscheidung wird aber innerhalb der nächstes Stunde erwartet." antwortet eine freundliche Dame von der Pressestelle. Gegen 09:20 Uhr ist es dann endlich soweit. Der Senat setzt das "Tipico-Sportwetten"- Verfahren aus und legt seine Entscheidung dem EuGH zur Klärung noch offener europarechtlicher Fragen vor!

Der BGH setzt aus und legt die Sache dem EuGH vor

Jubel bei den Glücksspiel-Anbietern? Ernüchterung auf der Klägervertreterseite? Im ersten Moment mag dies den Anschein machen. Aber nachdem man die Pressemitteilung des I. Zivilsenats, Nr. 155/2024, zur Rechtssache I ZR 90/23 gelesen hat, und dessen Inhalt in den Kontext der bisherigen, insbesondere jüngeren Ereignisse rückt, stellt sich plötzlich ein anderes Bild dar: Der I. Zivilsenat hat richtig entschieden. Es war die einzig richtige Entscheidung, die Rechtssache auszusetzen und dem EuGH vorzulegen.

Warum? 

Wer in der mündlichen Verhandlung zu der streitgegenständlichen Rechtssache am 27.06.2024 zugegen war, hat gehört, in welche Richtung der I. Zivilsenat unter Leitung seines Vorsitzenden, Prof. Dr. Koch, tendiert. Der Vorsitzende hatte deutlich gemacht, dass man grds. bei seiner Rechtsauffassung bleibe, welche man bereits mit Beschluss vom 22.03.2024 - I ZR 88/23 - kundgetan hat. Man erachte Online-Glücksspielverträge als nichtig, wenn die genutzten Online-Glücksspiele ohne Vorliegen einer nationalen Lizenz angeboten worden sind. Allerdings unterscheide sich der streitgegenständlichen Fall - I ZR 90/23 - vom Fall im Verfahren - I ZR 88/23 - insoweit, dass Tipico eine Lizenz zum Vermitteln und Veranstalten von Online-Glücksspielen (konkret: Sportwetten) beantragt aber nicht erhalten hatte und man prozessual unterstellen muss, dass Tipico auch die Voraussetzungen der Lizenzerteilung nachträglich eingehalten hätte. Gerade Letzteres war in dem Verfahren - I ZR 88/23 - nicht der Fall. Obgleich der Senat dazu tendiere, auch in dieser Konstellation aller Voraussicht zum gleichen Ergebnis zu gelangen, würde er die Angelegenheit nochmal prüfen. Insbesondere vor dem Hintergrund einer möglichen Aussetzung des Verfahrens wegen bereits anhängiger Verfahren vor dem EuGH oder aufgrund einer etwaigen eigenen Vorlage an den EuGH.

Warum die Aussetzung des Verfahrens und die eigene Vorlage an den EuGH im Ergebnis die einzig richtigen Entscheidungen sind, lässt sich dann verstehen, wenn man die letzten Monate Revue passieren lässt.

Näheres hierzu erklären wir auf auf unserer Kanzleihomepage unter:

https://www.redell.com/blog/online-gl%C3%BCcksspiel/bgh-entscheidung-vorlage-eugh-richtige-entscheidung-gut-f%C3%BCr-geschaedigte

Ausblick

Es ist damit zu rechnen, dass sich nun etliche Gerichte dazu berufen sehen, vergleichbare Gerichtsverfahren auszusetzen. 

Dabei gilt aber: nicht letztinstanzliche Gerichte müssen Verfahren nicht aussetzen, Ihnen ist insoweit ein Ermessen eingeräumt. Bei der eigenen Ermessensausübung hat das Gericht die Erfolgsaussichten des anderen Verfahrens und die mit der Aussetzung eintretende Verfahrensverzögerung gegeneinander abzuwägen. Die Entscheidung ist zu begründen, damit sowohl die Ermessensausübung als auch die Erwägungen des Gerichts, die die Annahme einer Vorgreiflichkeit im Sinne der Vorschrift rechtfertigen, vom Beschwerdegericht nachvollzogen werden können.

Verfahren sollten nicht ausgesetzt werden

In diesem Kontext sollte jedoch Folgendes bedacht werden:

Schätzungsweise sind aktuell mehrere tausend Klageverfahren anhängig. Sollten diese Verfahren allesamt - womöglich schon in einem frühen Stadium - ausgesetzt werden, droht ein noch nicht abschätzbares "Klumpenrisiko", denn sämtliche Verfahren sind nach der Entscheidung des EuGH wieder aufzunehmen und fortzuführen. Wer sich noch an die Post-Corona-Zeit zurückerinnert, der ahnt nichts Gutes. 

Den Richter:innen - welche hier teilweise mitlesen - kann daher nur dringend dazu geraten werden, die Verfahren weiterzuführen. Denn allein aus verjährungsrechtlichen Gesichtspunkten wird die Einreichung neuer Klagen durch die Vorlage des BGH an den EuGH nicht beeinflusst.


Weitere Informationen zu diesem Thema finden Sie unter: https://www.redell.com/blog

Sollten Sie auch Verluste beim Online-Glücksspiel erlitten haben, melden Sie sich gerne unverbindlich bei uns über rechtsanwalt@redell.com oder direkt über https://www.redell.com/online-gluecksspiel-geld-zurueck. Ihre Anfrage wird selbstverständlich vertraulich und diskret behandelt.    

Foto(s): Alexander Limbach - adobe.stock.com


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