Pflege-TÜV gestartet
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„Guten Morgen, wir sind vom Medizinischen Dienst der Krankenversicherungen!" Diese Begrüßung dürfte in der nächsten Zeit häufiger in Pflegeeinrichtungen und ambulanten Pflegediensten zu hören sein. Denn inzwischen haben die ersten Prüfungen für den sog. Pflege-TÜV begonnen. Die Redaktion von anwalt.de gibt einen Überblick, welche Möglichkeiten der neue Pflege-TÜV für Pflegebedürftige, deren Angehörige bietet, sowohl zum Ablauf als auch über die einzelnen Kriterien, die geprüft werden.
Transparenz und Qualitätsverbesserung
Mit der Installierung eines allgemeinen Benotungssystems für Pflegeheime und ambulante Pflegedienste (sog. Pflege-TÜV) soll insbesondere pflegebedürftigen Menschen und ihren Angehörigen die Suche nach einem geeigneten Pflegeheim erleichtert werden. Denn wer auf ein Pflegeheim angewiesen ist oder jemanden dort unterbringen muss, dem fällt die Auswahl oft schwer. Um für diesen Fall Hilfestellung zu leisten, ist der Pflege-TÜV vorgesehen. Mit ihm sollen die Pflegeleistungen und Pflegequalität von Heimen und ambulanten Pflegediensten überprüft und schließlich per Internet oder vor Ort beim Pflegedienstleister veröffentlicht werden. Darüber hinaus verspricht man sich von dem neuen Pflege-TÜV aufgrund der erhöhten Transparenz und des verbesserten Prüfverfahrens durch den Medizinischen Dienst der Krankenkassen (MDK) letztlich eine Verbesserung der Pflegequalität.
MDK startet aktuell Prüfungen
Von dem angestrebten Benotungssystem für Pflegeheime berichteten wir Ihnen bereits, als sich die Beteiligten von Krankenkassen und Pflegeheimen auf ein Bewertungssystem für Pflegeeinrichtungen und ambulante Pflegedienste geeinigt haben. Anfang Juli hat jetzt der MDK seine Qualitätsprüfungen für den Pflege-TÜV gestartet. Und dabei kommt eine gewaltige Aufgabe auf ihn zu. Denn bis Ende 2010 sollen alle 11.029 Heime in Deutschland mindestens einmal überprüft werden und dann jeweils jährlich. Das gleiche Verfahren soll auch für die Bewertung ambulanter Dienste angewendet werden.
Benotung anhand Bewohnerbefragung
Die Besuche des MDK finden stets unangekündigt statt. Die Prüfung erfolgt durch die Kontrolleure des MDK, die auch fünf bis fünfzehn Prozent der Heimbewohner befragen. Die Ergebnisse werden dann im Internet veröffentlicht und ebenfalls im Heim/Pflegedienst vor Ort ausgelegt.
Der Bewertungs- und Fragenkatalog umfasst bei stationären Pflegeeinrichtungen insgesamt 64 Bewertungskriterien aus fünf Bereichen: die Pflege und medizinische Versorgung; den Umgang mit Demenzkranken; die soziale Betreuung und Gestaltung des Alltags; Wohnen, Verpflegung, Hygiene und Hauswirtschaft; Befragung der Bewohner. Die Einzelkriterien werden separat bewertet und aus den Einzelnoten die Gesamtnote errechnet.
Hinweis: Bei der Prüfung ambulanter Pflegedienste testet der MDK entsprechend der anderen Pflegesituation, teilweise andere Punkte, insgesamt 49 Kriterien.
Bewertungskriterien des Pflichtkatalogs
Damit man einen Einblick bekommt, wie eine solche Überprüfung des MDK durchgeführt wird, im Folgenden einige Beispiele für die Einzelkriterien der verschiedenen Gruppen:
1. Pflege und medizinische Versorgung
Die erste Gruppe der Qualitätsstandards erfasst insgesamt 35 Kriterien, die der MDK überprüft. Getestet wird etwa, ob die Durchführung der behandlungspflegerischen Maßnahme den ärztlichen Anordnungen entspricht, ob mit Medikamenten sachgerecht umgegangen wird, ob erforderliche Dekubitusprophylaxen durchgeführt werden, wie der Ernährungszustand (Nahrung und Flüssigkeit) ist, wie das individuelle Sturzrisiko erfasst, dokumentiert und ob die Körperpflege entsprechend den Bedürfnissen des Bewohners durchgeführt wird u.a.
2. Umgang mit demenzkranken Bewohnern
In diesem Prüfungsschritt wird nicht nur die Pflegesituation von Demenzkranken anhand von insgesamt 10 Gesichtspunkten bewertet, sondern die Pflege von allen Bewohnern mit einer eingeschränkten Alltagskompetenz. Geprüft wird beispielsweise, wie die Tagesgestaltung des Bewohners ist, ob seine Selbstbestimmung bei der Pflege berücksichtigt wird, ob ausreichend Platz - auch im Freien - vorhanden ist, damit sich der Bewohner ausreichend aufhalten und bewegen kann, ob mit individuellen Orientierungshilfen gearbeitet wird und ob es ein entsprechendes Speisenangebot für die Pflegebedürftigen gibt.
3. Soziale Betreuung und Alltagsgestaltung
Die dritte Gruppe beinhaltet ebenfalls 10 Prüfungspunkte. Der MDK erfasst etwa, ob Gruppenangebote und Einzelangebote gemacht werden, ob es im Heim jahreszeitliche Feste gibt, wie die Kontaktpflege zu den Angehörigen abläuft, wie die Hilfestellungen bei der Eingewöhnung aussehen, ob in der Einrichtung ein Beschwerdemanagement vorhanden ist, ob es Sterbebegleitung gibt etc.
4. Wohnen, Verpflegung, Hauswirtschaft und Hygiene
Schließlich beachtet der MDK die Gestaltung der Bewohnerzimmer (eigene Möbel, Erinnerungsstücke, Mitsprache bei der Aufstellung etc.), der Gemeinschaftsräume (Mitwirkung der Bewohner an der Gestaltung), die allgemeine Sauberkeit und Hygiene im Heim, Essenszeiten (Zeitkorridore), Diätkost, Speiseplan, Portionsgrößen und Speiseräume. Der vierte Prüfungsabschnitt umfasst insgesamt 9 Kriterien.
5. Befragung der Bewohner
Schließlich führt der MDK auch eine Befragung der Bewohner durch. Wird mit dem Bewohner der Zeitpunkt von Pflege- und Betreuungsmaßnahmen abgestimmt? Entscheidet der Bewohner selbst, ob seine Zimmertür offen oder geschlossen ist? Hat sich etwas positiv geändert, nachdem man sich beschwert hat? Nehmen sich die Pflegenden ausreichend Zeit für ihn, sind sie zu ihm höflich und freundlich? Wird der Bewohner gefragt, welche Kleidung er anziehen will? Diese und weitere der insgesamt 18 Fragen werden direkt dem Bewohner gestellt.
Notenbildung problematisch
In der Kritik steht allerdings das Zustandekommen der Benotung. Denn es besteht die Möglichkeit, eine schlechte Bewertung aus einem Bereich mit einer guten Benotung aus einem anderen zu verrechnen. Damit kann eine positive Gesamtnote zustande kommen, obwohl gravierende Pflegemängel bestehen, wie etwa Mängel bei der Flüssigkeitsaufnahme. Um schlechte Pflegeheime zu erfassen, wurde in letzter Minute Mitte Juni das Prüfverfahren noch erweitert. Ergeben sich Hinweise auf Beschwerden, muss der MDK diese Fälle gesondert überprüfen und dokumentieren.
Allerdings verweisen die Kritiker auf eine weitere Schwäche des Pflege-TÜV. Denn bei der Notenvergabe fehlt eine differenzierte Gewichtung der einzelnen Kriterien. Fehler könnte etwa dadurch behoben werden, dass bestimmte gravierende Pflegemängel zwangsläufig zu einer schlechten Gesamtnote des Heimes führen.
Fazit und Ausblick
Letztlich wird sich der Pflege-TÜV erst in der Praxis beweisen müssen. Ob er zu mehr Transparenz und zu verbesserten Qualitätsstandards bei der Pflege führt, ist noch nicht klar. Wichtig ist, dass die Betroffenen wissen, wo sie adäquate Informationen finden können, um überhaupt eine Vergleichsmöglichkeit der Pflegeeinrichtungen und ambulanten Dienste zu haben. Der Pflege-TÜV ist dafür allemal ein erster Schritt in die richtige Richtung. Bei Bedarf muss das Prüfverfahren eben noch besser an die Pflegesituation angepasst werden. Sollte sich der Pflege-TÜV auf lange Sicht hin bewähren, so ist der Einsatz durchaus auch in anderen Bereichen des Gesundheitssystems denkbar.
Im anwalt.de-Rechtstipp „Heimvertrag: Leistungen genau festlegen“ finden Sie ausführliche Informationen, was man in Hinblick auf einen Heimvertrag beachten sollte.
(WEL)
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