Prüfungsrecht: Darf das Tragen einer Jeans in einer mündlichen Prüfung negativ bewertet werden?

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von Rechtsanwalt und Fachanwalt für Verwaltungsrecht Christian Thome, Diplom-Verwaltungswirt (FH)

Ja, sie lesen richtig. Mit dieser Frage musste sich das Verwaltungsgericht Berlin in einer prüfungsrechtlichen Streitigkeit auseinandersetzen (VG Berlin, Urteil vom 19. Februar 2020 - 12 K 529.18).

1. Fall

Die 1989 geborene Klägerin studierte bis 2018 im Masterstudiengang „Recht für die Öffentliche Verwaltung“ an einer Berliner Hochschule. 

Im Vorfeld einer mündlichen Modulprüfung waren die Prüflinge darüber informiert worden, dass ein "angemessener Kleidungsstil" bei der Notengebung berücksichtigt wird. 

In der Prüfung trug die Klägerin dann Jeans und und erzielte die Note 1,7. Der Punktabzug in der Kategorie „Präsentationsweise“ wurde damit begründet, dass der Kleidungsstil der Klägerin „eher einem Alltagsoutfit (u.a. Jeans, Oberteil mit Punkten)“ entsprochen habe.

Auf Rückfrage der Klägerin erklärte die Prüferin, die bei der Prüfung getragene „Blue Jeans“ sei ein „casual“ Kleidungsstück und zudem bei 35 Grad Außentemperatur auch als luftiges Kleidungsstück ungeeignet. Die Klägerin hätte (man höre und staune!) „auf eine weiße Leinenhose und Black Shirt mit Ethnokette oder einem [sic] lieblichen oder auch strengen Blouson zurückgreifen oder auch ein Top mit elegantem Kurzjackett“ ausprobieren können. 

2. Lösung

Das Verwaltungsgericht Berlin hat die Berliner Hochschule verpflichtet, der Klägerin ein neues Abschlusszeugnis mit der Maßgabe auszustellen, ihre im genannten Modul erbrachte Leistung mit der Note 1,3 zu bewerten. Denn der Abzug eines Punktes für die getragene Kleidung der Klägerin sei bewertungsfehlerhaft. 

Zwar sei es nicht grundsätzlich ausgeschlossen, eine Prüfungsleistung auch anhand des Kriteriums „Kleidung“ zu bewerten. Das gelte aber nur für Prüfungen, in denen die Kleidung selbst Prüfungsgegenstand sei (z.B. im Fach Modedesign) oder bei offensichtlichem Bezug zum Prüfungsgegenstand (z.B. Sicherheitskleidung von Feuerwehrleuten). 

3. Eigene Bewertung und Folgen für die Praxis

In der prüfungsrechtlichen Praxis sind Verfahrensfehler und Bewertungsfehler möglich. 

Prüfungsfehler sind in aller Regel aber natürlich nicht so offensichtlich, wie in diesem skurilen Fall. In der Praxis sind entsprechende Fehler für den prüfungsrechtlichen Laien häufig nicht ohne Weiteres erkennbar und nur durch eine sehr sorgfältige Sachverhaltsanalyse der konkreten Prüfungssituation anhand entsprechender Erfahrungen aus der Prüfungspraxis und (ergänzend) einer Akteneinsicht in die Prüfungsakten (Stichwort: Prüfungsprotokoll und Klausureinsicht) aufzuspüren. 

Kontakt:

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