Sexueller Missbrauch von Kindern – Verjährung, Vorladung, Anklage
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Das Sexualstrafrecht hat in den vergangenen Jahren vermehrt Änderungen erfahren. Die neueste Gesetzesänderung trat im Juli 2021 in Kraft und soll einen verbesserten Schutz gegen sexualisierte Gewalt gegen Kinder ermöglichen.
Was ist sexueller Missbrauch von Kindern?
Sexueller Missbrauch von Kindern ist vereinfacht ausgedrückt jede sexuelle Handlung, die an bzw. von Kindern vorgenommen bzw. vorgenommen gelassen wird sowie das Anbieten oder nachzuweisen Versprechen eines Kindes hierzu (§ 176 Abs.1 StGB).
Kinder sind Menschen, die jünger als 14 Jahre alt sind.
Sexueller Missbrauch von Personen im Alter zwischen 14 und 18 Jahren ist als sexueller Missbrauch Jugendlicher strafbar.
Sexueller Missbrauch von Kindern ist in Deutschland in den §§ 176 ff. Strafgesetzbuch geregelt und unter Strafe gestellt. Der Gesetzgeber differenziert zwischen verschiedenen Arten des Kindesmissbrauchs.
Die verschiedenen Fälle sexuellen Missbrauchs von Kindern
Die Grundnorm des sexuellen Missbrauchs von Kindern bildet der § 176 StGB, in dem die Vornahme oder das Vornehmen lassen sexueller Handlungen an bzw. von einem Kind, die Bestimmung eines Kindes zur Vornahme oder zum Vornehmen lassen sexueller Handlungen an oder von einer anderen Person sowie das Anbieten und das nachzuweisen Versprechen eines Kindes zu sexuellen Handlungen an dem Kind bzw. von dem Kind an dem Täter selbst oder an einer anderen Person.
Strafbarer sexueller Missbrauch setzt nicht Körperkontakt zu dem Kind voraus. Auch sexueller Missbrauch ohne Körperkontakt mit dem Kind ist strafbar (§ 176a StGB). Hierunter fällt dann zum Beispiel die Vornahme sexueller Handlungen vor einem Kind (§ 176a Abs.1 Nr.1 StGB).
Ebenso strafbewehrt ist die Vorbereitung von sexuellem Missbrauch von Kindern (§ 176b StGB). Dies kann beispielsweise dadurch erfolgen, dass auf das Kind durch das Zeigen von Abbildungen eingewirkt wird, damit das Kind sexuelle Handlungen an dem Täter vornimmt (§ 176b Abs.1 Nr.1 StGB).
Von einem Fall des schweren sexuellen Missbrauchs von Kindern (§ 176c StGB) spricht man zum Beispiel dann, wenn der Täter bereits volljährig ist und mit dem Kind Geschlechtsverkehr hat (§ 176c Abs.1 Nr.1 lit.a StGB).
Stirbt das Kind durch den sexuellen Missbrauch, kann eine höhere Strafe drohen ( sexueller Missbrauch von Kindern mit Todesfolge, § 176d StGB).
Die Verbreitung und der Besitz von Anleitungen zum Kindesmissbrauch ist in § 176e StGB unter Strafe gestellt.
Wann verjährt sexueller Missbrauch von Kindern?
Die meisten Straftaten können nicht bis in alle Ewigkeit strafrechtlich verfolgt werden. Es gibt einen Zeitpunkt, ab dem die strafrechtliche Verfolgung der begangenen Straftat ausgeschlossen ist. Man spricht hierbei von der Verjährung einer Straftat.
Im deutschen Strafrecht ist diese in den §§ 78 ff. StGB geregelt.
Die Länge der Verjährungsfrist – also bis wann die Tat noch strafrechtlich verfolgt werden kann – richtet sich insbesondere nach der für die Tat angedrohten Strafe. Je höher die angedrohte Strafe, desto länger die Verjährungsfrist.
Die Verjährung beginnt normalerweise mit der Beendigung der Tat.
Der sexuelle Missbrauch von Kindern nach § 176 Abs.1 StGB ist mit einer Freiheitsstrafe von mindestens einem Jahr bedroht. Daher verjährt dieser nach 20 Jahren.
Zwar variieren die Strafandrohungen, die Verjährungsfrist für schweren sexuellen Missbrauch von Kindern beläuft sich aber ebenso auf eine Dauer von 20 Jahren.
Anders verhält es bei sexuellem Missbrauch von Kindern ohne Körperkontakt mit dem Kind. Diese Tat verjährt nach 10 Jahren.
Die Vorbereitung sexuellen Kindesmissbrauchs und die Verbreitung sowie der Besitz von Anleitungen zu sexuellem Missbrauch von Kindern verjähren nach 5 Jahren.
Der versuchte sexuelle Missbrauch von Kindern mit Todesfolge verjährt hingegen erst nach 30 Jahren (diese Tat ist nämlich mit einer lebenslangen Freiheitsstrafe oder einer Freiheitsstrafe von mindestens 10 Jahren bedroht).
Wichtig bei der Bestimmung, wann eine Straftat verjährt, ist auch der Zeitpunkt, wann die Tat begangen wurde. Gesetze sind stets im Wandel und werden verändert. Wird beispielsweise, nachdem eine Straftat begangen wurde, die bereits unter Strafe stand, eine Strafnorm eingeführt, die diesen bereits unter Strafe gestellten Fall gesondert erfasst und mit einer höheren Strafe bedroht (mit der Folge einer längeren Verjährungsfrist), so beurteilt sich die Verjährung nach der Rechtslage vor der Gesetzesänderung.
Der Straftatbestand des schweren sexuellen Missbrauchs von Kindern wurde 1998 eingeführt. Diese Tat war aber bereits zuvor strafbewehrt – aber mit einer geringeren Strafe. Bei vor dem 01.04.1998 begangenen Taten betrug die Verjährungsfrist hierfür 10 Jahre. Für Straftaten schweren sexuellen Missbrauchs, die nach dem. 01.04.1998 begangen wurden, läuft eine 20jährige Verjährungsfrist.
Welche Besonderheit gilt bei der Verjährung des sexuellen Missbrauchs von Kindern?
Eine Besonderheit im Hinblick auf die Verjährung ergibt sich bei Sexualstraftaten aus dem § 78b StGB. Nach einer Gesetzesänderung im Januar 2015 ruht die Verjährung bei Sexualstraftaten danach bis zur Vollendung des 30. Lebensjahres des Opfers der Tat, anstatt wie zuvor nur bis zum 21. Lebensjahr.
Das bedeutet, dass die Verjährung bei (beispielsweise) einem sexuellen Missbrauch von Kindern nach § 176 Abs.1 StGB erst zu laufen beginnt, wenn das Opfer 30 Jahre alt geworden ist. Rechnet man nun die 20-jährige Verjährungsfrist hinzu, verjährt die Tat mit dem 50. Geburtstag des Opfers.
Durch diese Regelung soll dem Opfer von sexuellem Missbrauch von Kindern mehr Zeit gegeben werden, den Missbrauch zur Anzeige zu bringen.
Für Taten, deren Verjährungsfrist zum Zeitpunkt einer neuen Gesetzgebung noch läuft, greift im Falle einer Gesetzesänderung zugunsten des Opfers automatisch die neue Verjährungsfrist.
Ist eine begangene Straftat aber in dem Zeitpunkt der Einführung der Gesetzesänderung bereits verjährt, so wirkt die Gesetzesänderung nicht zurück. Es bleibt also bei der bereits eingetretenen Verjährung (vgl. BGH, Beschluss vom 08.02.2012 – 1 StR 658/11 in BeckRS 2012, 4720).
Wie soll ich mich bei Erhalt einer Vorladung oder Anklage wegen sexuellen Missbrauchs von Kindern verhalten?
Sofern Sie in den Verdacht eines sexuellen Missbrauchs geraten, eine Vorladung oder bereits eine Anklage von der Staatsanwaltschaft erhalten haben, sollten Sie dringend einen Strafverteidiger mit Ihrem Fall vertraut machen. Dieser kann für Sie Akteneinsicht beantragen und den aktuellen Stand des Verfahrens einschätzen. Auf Grundlage dieser Einschätzung kann Ihr Anwalt dann eine Verteidigungsstrategie für Sie entwickeln.
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