Singulus-Anleihe - Empfehlung für die Anleihengläubiger
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Anfang Januar 2015 keimte Hoffnung für die Anleger der „Singulus Anleihe“ auf: Die Singulus Technologie AG schickte eine Sofortmeldung („Adhoc-Mitteilung“) in die Finanzwelt: „Vertrag für die Lieferung von Vakuum-Beschichtungsanlagen für CIGS-(Solar)-Module unterzeichnet.“
Vier Wochen vor dieser Jubelmeldung hatte die weithin hoch angesehene Maschinenbau-AG aus Kahl am Main am 09.12.2014 schon melden lassen, sie würde das Rückkaufprogramm für die hoch verzinsliche Unternehmensanleihe verlängern. Hierdurch wurde der Eindruck erweckt, die Singulus Technologie AG sei auf das Kapital aus der Anleihe nicht angewiesen.
Ferner meldete Singulus am 05.11.2014, die Personal- und Sachkosten würden gesenkt. Auch das kommt i.d.R. gut bei Anlegern an.
Diese positiven Nachrichten verfingen an der Börse: Anleger waren wieder bereit, steigende Kurse für Singulus-Aktien zu bezahlen. Der Kurs der Singulus-Aktie begann zu steigen, von 0,88 € am 08.01.2015 auf 1,495 € am 06.03.2015.
Entsprechendes galt für die 7,75%-Singulus-Anleihe, auch hier begannen die Kurse zu steigen: Statt kaum mehr als 40% im November und Dezember 2014 bezahlten die Käufer bis Ende März Kurse von 50%, 60% und – in der Spitze – sogar fast 80% der Nennwerte von jeweils 1.000 €. Zu den Käufen ermutigt wurden die Anleger durch gezielte Nachrichten von Dr. Stefan Rinck und Markus Ehret, die als Vorstände mit dem Geld der Singulus-Aktionäre und Anleihegläubiger zu arbeiten hatten.
Am 24.04.2015 mussten die Geldgeber hingegen erfahren, dass die Singulus AG in ernsthaften wirtschaftlichen Schwierigkeiten steckt. Es wurde bekannt, dass die millionenschweren Verluste aus dem Jahr 2014 mehr als die Hälfte des Grundkapitals aufgezehrt haben. Dieses lag Ende 2014 noch bei 48 Millionen Euro.
Um einen Weg aus der Krise zu finden, empfahl der Vorstand auf der Hauptversammlung vom 09.06.2015 einen Kapitalschnitt von sechs zu eins. Dafür sollen die derzeit etwa 48 Millionen Aktien des Unternehmens auf etwa acht Millionen reduziert werden. Ferner soll die Singulus-Anleihe in Aktien umgewandelt werden.
Mit einer Verspätung von sieben Monaten erfuhren die Geldgeber nun, dass Ihnen die Vorstände der Singulus AG mit der Adhoc-Nachricht vom 05.11.2014 nur die halbe Wahrheit mitgeteilt hatten. Dort hieß es nämlich beschönigend: „Nur bei Großaufträgen im Segment Solar könnten wir evtl. zusätzliche Finanzmittel benötigen.“
Auf der Hauptversammlung vom 09.06.2015 musste der Vorstand den Geldgebern dann aber doch reinen Wein einschenken: Sechs bisherige Aktien müssen zu einer neuen Aktie geschrumpft werden. Die Aktionäre der Singulus AG willigten auf der Hauptversammlung vom 09.06.2015 ein, jeweils sechs Aktien mit insgesamt 6,00 € Nennwert in eine Aktie ohne Nennwert zu schrumpfen. Diese Schrumpfung, sowie die zusätzliche Zustimmung zur Ausgabe neuer Aktien ohne Einzahlung neuen Geldes, ist Voraussetzung dafür, dass es mit Singulus überhaupt weitergehen kann. Die Gläubiger der Anleihe sollen in Kürze unter das Kapitalschnittmesser kommen. Einen Termin für die ersten Gläubigerversammlung nach dem Schuldverschreibungsgesetz hat Singulus-Finanzvorstand Markus Ehret noch nicht mitgeteilt.
Unsere Empfehlung:
Die betroffenen Zeichner der Singulus-Anleihe sollten auf das Umtauschangebot nicht eingehen, ohne vorher rechtlichen Rat einzuholen. In einem Restrukturierungsverfahren stehen die Anleihengläubiger nicht rechtlos da. Insbesondere muss sich ein Anleger nicht zu einem Beschluss nach § 5 Schuldverschreibungsgesetz überrollen lassen.
Dies hat auch unlängst das OLG Frankfurt bestätigt. Mit Urteil vom 17.09.2014 (Az. 4 U 97/14, n. rkr.) hat das OLG Frankfurt festgestellt, dass das Recht auf eine außerordentliche Kündigung trotz Durchführung eines Änderungsverfahrens nach den §§ 5 ff. Schuldverschreibungsgesetzt besteht. Im dortigen Fall waren die Anleihenbedingungen nach Auffassung des Gerichts so auszulegen, dass den Anleihengläubigern auch dann ein Kündigungsrecht zustand, wenn ihnen ein Restrukturierungsvorschlag iSv. § 5 ff. Schuldverschreibungsgesetz unterbreitet wurde.
Nach unserer Auffassung trifft dies auch auf die Anleihenbedingungen der Singulus-Anleihe zu. Rechtsfolge einer außerordentlichen Kündigung wäre die Geltendmachung des vollen Anspruchs gegen den Emittenten, Zug um Zug gegen Herausgabe der Anleihe.
Es stellt sich ferner die Frage, ob der Vorstand hier gegen seine Publizitätspflichten aus § 37b I WpHG verstoßen hat. Nach dieser Vorschrift ist der Emittent verpflichtet, sog. Insiderinformationen“ unverzüglich zu veröffentlichen.
Die Kurse der Singulus-Aktie sowie der 7,75%-Singulus-Anleihe hatten bis Ende März zwischenzeitliche Höchststände erreicht. Sie sind seither massiv abgestürzt. Anleger, die zwischen dem 06.11.2014 und dem 31.3.2015 diese Papiere gekauft haben, müssen sich in die Irre geführt fühlen.
Nach unserer Auffassung hätte dem Vorstand schon Ende des letzten Jahres auffallen müssen, dass – jedenfalls unter konservativer kaufmännischer Annahme – das halbe Grundkapital im Frühjahr 2015 aufgezehrt sein würde. Dies wurde den Investoren jedoch erst Monate später mitgeteilt.
Verletzt der Emittent die Publizitätspflicht, so ist er gemäß § 37b WpHG einem Dritten zum Schadensersatz verpflichtet, wenn der Dritte die Wertpapiere nach der Unterlassung erwirbt und bei Bekanntwerden der Tatsache noch Inhaber der Wertpapiere ist oder die Wertpapiere vor dem Eintritt der Tatsache erwirbt und nach der Unterlassung veräußert. Die Schadensersatzansprüche sind ausgeschlossen, wenn der Emittent nachweist, dass er die Unrichtigkeit der Tatsache nicht gekannt hat und die Unkenntnis nicht auf grober Fahrlässigkeit beruht oder wenn der Dritte die verschwiegene Tatsache oder die Unrichtigkeit der veröffentlichten Information gekannt hat (§ 37c WpHG).
Ergänzend hierzu dürfte eine Haftung des Vorstands nach dem Aktiengesetz (AktG) in Betracht kommen. So schreibt § 92 des Aktiengesetzes vor, dass der Vorstand „unverzüglich“ eine Hauptversammlung einberufen muss, wenn ein Verlust in der Hälfte des Grundkapitals besteht. Sollte den Gläubigern der Gesellschaft aus der Überschuldung ein Schaden entstehen, so haftet der Vorstand nach § 93 Abs. II und Abs. V AktG gegenüber den Gläubigern persönlich, also mit dem kompletten Privatvermögen. Gleiches würde für alle weiteren Vorstandsmitglieder und nach § 116 AktG ggf. auch für alle Mitglieder des Aufsichtsrats gelten.
Unabhängig davon dürfte hier ein fehlerhafter Wertpapierprospekt vorliegen. Im zugrundeliegenden Prospekt fehlt nach unserer Meinung ein hinreichender Risikohinweis derart, dass es zum Zeitpunkt der Emission bekannt war, dass das Kerngeschäft von Singulus endlich sein wird: die Herstellung von Maschinen für die Herstellung von CD, DVD und ähnlichen optischen Datenträgern. Schon im Jahr der Emission (2012) schrumpfte der Umsatz von 157 Mio. € auf 107,5 Mio. €. Noch heute (2014) macht Singulus etwa zwei Drittel des auf 67 Mio. € geschrumpften Umsatzes mit Maschinen für die Herstellung von optischen Datenträgern. Im Falle eines fehlerhaften Wertpapierprospekts können die Zeichner nach § 21 WpHG Schadensersatz verlangen.
Betroffene Investoren sollten daher anwaltliche Hilfe in Anspruch nehmen, bevor sie sich auf die Zwangsumwandlung ihrer Anleihe einlassen.
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