Streit mit dem Nachbarn - was muss man dulden und was nicht?

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Nachbarschaftsstreitigkeiten sind vor allem in Deutschland oft ein Thema. Schätzungen zu Folge finden jährlich rund 500.000 Gerichtsprozesse auf diesem Gebiet statt. Und obwohl vieles gesetzlich geregelt ist, hängt ebenso vieles vom jeweiligen Einzelfall ab, etwa wenn der Hund zu laut bellt, wenn die schöne Aussicht verbaut wird (vgl. VG Augsburg, Au 4 S 09.1084) oder wenn der Nachbar laut in seiner Wohnung musiziert.

Grenzen und Abstände

Viele Regelungen finden sich zu den Grundstücksgrenzen und Abständen von Bäumen und Gewächsen. Aufschluss geben hier unter anderen der jeweilige Bebauungsplan sowie die Nachbarrechtsgesetze der einzelnen Bundesländer. Wird bei der Errichtung eines Gebäudes die Grundstücksgrenze leicht verschuldet überbaut, muss der Nachbar – gegen Entschädigung – den Überbau dulden, sofern er nicht spätestens sofort nach Grenzüberschreitung widerspricht (§ 912 BGB).

Und was ist, wenn die Wurzeln des Nachbar-Baumes das eigene Grundstück beeinträchtigen? Dann darf der beeinträchtigte Grundstückseigentümer die Wurzeln abschneiden und behalten (§ 910 BGB). Bei herüberragenden Ästen und Zweigen ist das anders: Diese darf nur der Eigentümer der Bäume stutzen, es sei denn, der Beeinträchtigte hat diesem erfolglos eine angemessene Frist zur Beseitigung gesetzt. Doch Vorsicht: Das Stutzen ist auch dann nicht erlaubt, sofern der Baum geschützt ist, es sei denn, es besteht eine akute Gefahr (OLG Hamm, 3 Ss OWi 494/07).

Immissionen

Unwesentliche Beeinträchtigungen sind zu dulden, heißt es in § 906 BGB. Was unwesentlich ist und was nicht, wurde bereits in vielen Urteilen genauer beschrieben, gerade im Hinblick auf Gestank und Lärm.

Eine Grillfete vereint beides in einem. Sofern im Mietvertrag nicht ausdrücklich verboten, muss der Nachbar das ortsübliche Grillen zumindest im Sommer grundsätzlich hinnehmen oder aber eine unzumutbare Belästigung – etwa durch Rauch oder Lärm – beweisen (LG München, 15 S 22735/03). Zu welcher Tageszeit das Grillen erlaubt ist, richtet sich nach etwaig vorgegebenen Ruhezeiten. Wie häufig Grillpartys zumutbar sind, wird von der Rechtsprechung ganz uneinheitlich beurteilt (LG Aachen, 6 S 2/02: zwei im Monat; OLG Oldenburg 13 U 53/02: vier im Jahr bis 24 Uhr, ansonsten bis 22 Uhr).

Regelmäßig dulden müssen Nachbarn Geräusche von Kindern und Säuglingen (draußen wie drinnen) sowie Gerüche von Landwirtschaftsbetrieben. Hier sind die Anforderungen an unzulässige Störungen relativ hoch (vgl. zuletzt VG Trier, 5 K 1542; OVG Nordrhein-Westfalen, 8 A 1760/13). Bei landwirtschaftlich bedingtem Gestank gilt das umso mehr, wenn der Nachbar in einem ländlicheren Gebiet wohnt (Stichwort „Ortsüblichkeit“: OLG Brandenburg, 5 U 123/05).

Krach machen können auch Musikinstrumente, Kettensägen, Fernseher, Duschen oder Staubsauger. Hier kommt es maßgeblich auf die Tageszeit an. Fernsehen und Musik hören/machen darf man in jedem Fall in Zimmerlautstärke. Vieles hängt aber wiederum vom Einzelfall ab, wobei in Ruhezeiten besondere Rücksicht genommen werden muss. Für Rasenmäher, Laubbläser und Co. werden diese meist in kommunalen Lärmschutzverordnungen geregelt. Ansonsten finden sich oft in Mietverträgen Vorschriften. Natürlich kann man aber auch außerhalb der Ruhezeiten nicht über Stunden hinweg Schlagzeug spielen oder mit der Kettensäge werkeln. Hier müssen Kompromisse gefunden werden, die etwa die Art des Gerätes/Musikinstruments sowie die Dauer des Einsatzes berücksichtigen.

Das Duschen/Baden ist grundsätzlich auch nach 22 Uhr erlaubt (LG Köln, 1 S 304/96). Ist jemand beruflich sehr eingespannt, darf er auch außerhalb der Ruhezeiten die Waschmaschine bzw. den Geschirrspüler anmachen.

Tiere

Wie laut darf ein Tier in der Wohnung oder im Garten sein? Auch mit dieser Frage haben sich schon viele Gerichte beschäftigt. Das laute Bellen eines Schäferhundes (bis zu 99,6 dB) etwa war Gegenstand eines Streits vor dem OLG Brandenburg. Das Gericht beschloss, dass der Hund zwischen 22 Uhr und 7 Uhr leise zu sein habe, nicht hingegen in der Mittagszeit (5 U 152/05). Einen Schritt weiter ging das OLG Hamm, das zumutbare Zeiten für das Bellen zwischen 8 Uhr und 13 Uhr sowie zwischen 15 Uhr und 19 Uhr festlegte sowie nur für höchstens 30 Minuten und nicht länger als 10 Minuten an einem Stück (22 U 265/87). Das teils bis zu 2 Stunden lange Pfeifen eines Papageis kostete nach einem Urteil des OLG Düsseldorf (5 Ss 476/89) den Besitzer des Vogels 500 Euro.

Doch nicht nur der Lärm, sondern auch die Anwesenheit von Tieren kann ein Streitthema sein. Zwar sind zumindest ein oder zwei herumstreuende Katzen an sich kein Problem. Nach einem Urteil des LG Bonn allerdings müssen Nachbarn es nicht hinnehmen, wenn die Katzen in die Räume des Nachbarn gelangen und/oder Ausscheidungen auf der Nachbar-Terrasse/dem Nachbar-Balkon hinterlassen und andere dadurch gefährden (8 S 142/09). Ferner wird bei Reptilien genauer hingeschaut: Mehrere Giftschlangen, Chamäleons, Echsen und Pfeilgiftfrösche beherbergte ein Mieter in seiner Wohnung, woran sich die Nachbarn störten. Teilweise zu Recht, wie das OLG Karlsruhe meinte. Gerade bei giftigen Tieren bestehe die Gefahr, geschädigt zu werden, wenn sie entfliehen würden (14 Wx 51/03).

Pflanzen, Früchte und andere Gegenstände auf dem Nachbargrundstück

Fallen Blätter oder Früchte auf das Nachbargrundstück, so stellt sich die Frage, was damit passiert. Und was ist, wenn Bälle von spielenden Kindern versehentlich auf das Nachbargrundstück gelangen?

Herabfallende Blätter und Baumnadeln müssen als Naturereignis grundsätzlich hingenommen werden. Bei wesentlicher Beeinträchtigung kann der Fall aber anders liegen. Bei Früchten besagt § 911 BGB, dass sie dem Nachbarn gehören. Dieser kann die Äpfel, Kirschen oder Pflaumen also selbst verwerten. Allerdings darf der Nachbar die Früchte weder pflücken noch durch Schütteln das Abfallen erzwingen.

Landet ein Ball oder ein anderer Gegenstand auf dem Nachbargrundstück, so muss der Nachbar entweder das Betreten seines Grundstücks erlauben oder die Sache selbst herausgeben. Umstritten ist, ob ein versehentlich auf dem Nachbargrundstück gelandeter Gegenstand kurz ohne Erlaubnis wiedergeholt werden darf. Die Befürworter leiten einen solchen Anspruch aus dem nachbarschaftlichen Gemeinschaftsverhältnis ab. Im Zweifel sollte man aber lieber um Erlaubnis fragen.

Garten- und Balkonnutzung

Auch im Garten und auf dem Balkon gilt ab 22 Uhr Nachtruhe (LG Frankfurt a.M., 2/21 O 424/88). Sex auf dem Balkon oder dem einsehbaren Garten/der einsehbaren Terrasse kann zu einer Abmahnung durch den Vermieter führen, wenn der Hausfrieden gestört wird (AG Bonn, 8 C 209/05). Hier kommt es also auf eine mögliche Belästigung anderer an.

Darf man sich nackt im Garten oder auf dem Balkon sonnen? Grundsätzlich ja, sofern nicht der Hausfrieden nachhaltig beeinträchtigt wird (AG Merzig, 23 C 1282/04). Dann droht jedenfalls keine (fristlose) Kündigung. Allerdings ist – wie beim Sex auf dem Balkon – ein Bußgeld wegen eines Verstoßes gegen § 118 OWiG („Belästigung der Allgemeinheit“) möglich.


Rechtstipp aus dem Rechtsgebiet

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