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TÜRKISCHES WOHNUNGSMIETRECHT

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DER WOHNUNGSMIETVERTRAG

Die in der türkischen Verfassung verankerte Privatautonomie ist unter anderem im türkischen Zivilrecht mit der Vertragsfreiheit im Türkischen Schuldgesetz gesetzlich geregelt und gilt grundsätzlich ebenso für das Wohnungsmietrecht. Aus sozialstaatlichen Verpflichtungen von Verfassungsrang wird die Vertragsfreiheit zum Schutz der Mieter allerdings eingeschränkt, womit vom Gesetz abweichende Vereinbarungen zum Nachteil der Mieter rechtswidrig sind.

MAKLERPROVISION

Anders als das seit Juni 2015 in Deutschland geltende Bestellerprinzip, gilt die Provisionspflicht des Mieters in der Türkei auch dann, wenn dem Mieter ohne eigenen Suchauftrag auf eine Wohnungsanzeige hin die Wohnung von einem Makler vermittelt wird. Die Maklerprovision in Höhe von bis zu einer Monatsmiete zuzüglich 18 % MwSt. hat folglich der Mieter zu bezahlen, wenn keine abweichende Vereinbarung getroffen wurde.

MIETKAUTION

Ist im Mietvertrag die Zahlung einer Sicherheits-leistung vereinbart, darf die sogenannte Kaution drei Monatsmieten nicht übersteigen. Die Kaution ist auf einer Art Mietkautionskonto oder einem Gemeinschaftskonto anzulegen und, wenn nach Beendigung des Mietverhältnisses alle Forderungen beglichen sind, innerhalb von drei Monaten dem Mieter zurückzuzahlen. Die Sicherheitsleistung kann auch durch Aushändigung eines Wertpapiers erfolgen. Der Vermieter hat dann das Wertpapier bei einer Bank zu deponieren.

VERTRAGSDAUER

Der Wohnungsmietvertrag kann auf unbestimmte Zeit oder mit einer bestimmten Laufzeit abgeschlossen werden. Ist im Mietvertrag eine Laufzeit vereinbart, wird der Vertrag mit denselben Bedingungen – eine Mieterhöhung ist hiervon ausgenommen – um ein weiteres Jahr verlängert, wenn der Mieter nicht bis zu 15 Tage vor Vertragsende den Mietvertrag kündigt.

MIETE UND NEBENKOSTEN

Falls nicht anders vereinbart, hat der Mieter neben der Grundmiete auch Nebenkosten wie Heiz-, Wasser- und Stromkosten, Kosten für Hausmeister, Gärtner, Sicherheitspersonal und Reinigungskosten und die jährlich mit der Grundstückssteuer fällige Steuer für Abfall zu tragen.

ZAHLUNGSVERZUG

Entrichtet der Mieter seine monatliche Miete nicht innerhalb der vereinbarten Frist, kann ihn der Vermieter entweder mit einem notariellen Mahnschreiben oder einem Zahlbefehl vom Vollstreckungsamt (vergleichbar dem gerichtlichen Mahnschreiben in Deutschland) zur Zahlung auffordern. Legt der Mieter weder innerhalb von sieben Tagen ab Zustellung des Mahnschreibens oder Zahlbefehls Widerspruch ein noch kommt er der Zahlungsverpflichtung innerhalb von 30 Tagen nach, kann der Vermieter beim zuständigen Amts- beziehungsweise Vollstreckungsgericht eine Räumungsklage einreichen.

Zahlt der Mieter innerhalb der Frist von 30 Tagen ab Zustellung, droht ihm wiederum die Räumung, wenn er innerhalb eines Mietjahrs oder der vertraglich bestimmten längeren Vertragslaufzeit ein weiteres Mal in Verzug gerät.

MIETERHÖHUNG

Soweit keine abweichende Vereinbarung zugunsten des Mieters getroffen wurde, kann der Vermieter die Miete jedes Jahr erhöhen. Die Mieterhöhung richtet sich seit 2019 nach der durchschnittlichen prozentualen Veränderungsrate des Verbraucherpreisindex der vergangenen zwölf Monate und darf diesen Wert nicht übersteigen. Danach kann der Vermieter zum Beispiel im Januar 2021 die Miete um bis zu 12,28 % erhöhen. In der Vergangenheit richtete sich die gesetzlich oder höchstrichterlich zulässige Mieterhöhung nach Richtwerten wie Inflationsrate, Erzeuger- oder Großhandelspreis-index.

Darüber hinaus kann nach jedem fünften Mietjahr im Rahmen einer Feststellungsklage auf gerichtliche Feststellung der Miethöhe geklagt werden. Dabei hat das Gericht neben der oben genannten Veränderungsrate des Verbraucherpreisindex auch den Zustand der Mietsache und Vergleichsmieten zu berücksichtigen.

Ist der Mietzins vertraglich in einer fremden Währung vereinbart, kann fünf Jahre nach Mietbeginn, wiederum auf dem Weg einer Feststellungsklage, eine Mietänderung unter Berücksichtigung der erwähnten Veränderungsrate des Verbraucherpreisindex, des Zustands der Mietsache, der Vergleichsmieten und des veränderten Werts der fremden Währung erfolgen. Tritt allerdings nach Vertragsschluss ein unerwarteter und bei Vertragsschluss nicht vorhersehbarer Zustand, wie zum Beispiel Krieg, Wirtschaftskrise oder starker Geldwertverlust ein, kann auf Anpassung des Mietzinses auch vor Ablauf von fünf Jahren geklagt werden.

UNTERMIETE

Wenn im Mietvertrag nicht anders vereinbart, kann der Mieter die Mietsache nur nach schriftlicher Einverständniserklärung des Vermieters unter-vermieten oder überlassen.

VERTRAGSBEENDIGUNG

KÜNDIGUNG DURCH MIETER

Bei einem Mietvertrag mit bestimmter Laufzeit kann der Mieter mit einer Frist von bis zu 15 Tagen vor Vertragsende den Mietvertrag ordentlich kündigen. Ist der Mietvertrag auf unbestimmte Zeit abgeschlossen worden, kann der Mieter den Mietvertrag jederzeit mit einer Frist von drei Monaten kündigen.

Die Kündigung hat schriftlich zu erfolgen und muss innerhalb der Kündigungsfrist beim Vermieter eingehen.

VERANLASST DURCH MIETER

Hat der Mieter nach Vertragsschluss dem Vermieter eine schriftliche Räumungsverpflichtungserklärung abgegeben, kann der Vermieter innerhalb von einem Monat nach dem vom Mieter erklärten Räumungsdatum kündigen, wenn der Mieter nicht bis zu diesem Datum die Mietsache räumt.

Sind der Mieter oder dessen Ehepartner Eigentümer einer bewohnbaren Immobilie in derselben Gemeinde, in der sich die Mietsache befindet, kann ihnen der Vermieter innerhalb eines Monats nach Ende der Mietdauer gerichtlich kündigen.

KÜNDIGUNG DURCH VERMIETER

Bei einem Mietvertrag mit bestimmter Laufzeit kann der Vermieter ab dem zehnten Vertragsjahr mit einer Frist von bis zu drei Monaten vor Ende eines jeden Mietjahrs dem Mieter ohne Angabe von Gründen kündigen. Bei Mietverträgen ohne bestimmte Laufzeit kann der Vermieter ab dem zehnten Vertragsjahr mit einer Frist von drei Monaten zu einer verbleibenden Mietdauer von sechs Monaten kündigen.

Unter Einhaltung der oben genannten Fristen für eine schriftliche Kündigung und durch Einreichung einer Klage von einer Monatsfrist kann der Vermieter dem Mieter kündigen, wenn Eigenbedarf für sich selbst, seinen Ehepartner, Kinder, Eltern und Sorgeberechtigte besteht oder die Mietsache wegen eines Neubaus, erforderlichen Umbaus oder Ausbaus geräumt werden muss.

KÜNDIGUNG DURCH NEUEN EIGENTÜMER

Ein neuer Eigentümer kann wegen Eigenbedarfs der oben genannten Berechtigten dem Mieter durch entsprechende schriftliche Mitteilung innerhalb eines Monats nach Erwerb und Klageeinreichung nach sechs Monaten kündigen

Rechtsanwaltskanzlei M&S Law Istanbul

Foto(s): Ipek Topal


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