Update BGH: Das Fälschen und Gebrauchen von Impfausweisen ist und war immer strafbar
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Das Fälschen von Impfausweisen ist strafbar. Und das ist nicht erst seit der Gesetzesänderung vom 24. November 2021 der Fall, sondern bereits nach der zuvor geltenden Rechtslage (BGH, Urteil v. 10.11.2022 - 5 StR 283/22).
Was war die Situation mit den Impfpässen?
Einher mit den Impfungen gegen das Coronavirus und dann insbesondere ab Einführungen von Regeln wie 2G, 2G+ oder 3G ging das Interesse einher, eine Impfung nachzuweisen. Nur wollte bzw. will sich nicht jeder impfen lassen. Ohne Impfung hatte man aber eine Zeit lang keinen Zutritt zu bestimmten Einrichtungen, insbesondere im gastronomischen oder kulturellen Bereich.
Die Folge war auch, dass Impfausweise gefälscht wurden. Impfungen gegen das Coronavirus, die niemals stattfanden, wurden in Impfausweise eingetragen. Zum Teil geschah dies dann nicht nur einmal, sondern gegen Entgelt in großer Zahl.
Etwas Unrichtiges in ein Dokument von (gerade in Zeiten der Corona-Pandemie) recht großer Bedeutung einzutragen ruft recht schnell die Frage hervor, ob dies strafbar ist. Strafverfahren wurden eingeleitet, es wurde ermittelt, es wurde angeklagt, es wurde verhandelt und es wurden Verurteilungen zu Strafen ausgesprochen. Aber auch Freisprüche gab es. Und das oftmals aus rechtlichen Gründen.
Die Gerichte waren sich nämlich nicht darüber einig, ob die Fälschung von Impfausweisen zu diesen Zwecken nun strafbar war oder nicht.
Was war das Problem bei der Strafbarkeit der Impfpässe?
Keine Strafe ohne Gesetz. Das ergibt sich schon aus dem Grundgesetz (Art. 103 Abs.2 GG).
Es bedarf also für eine Verurteilung in einem Strafverfahren einen entsprechenden Straftatbestand, der das begangene Verhalten unter Strafe stellt.
Aber gab es den?
Ab dem 24. November 2021 – der Tag an dem eine den Konflikt auflösende Gesetzesänderung in Kraft trat – gab es eine solche Norm. Nämlich die Straftat des Unbefugten Ausstellens von Gesundheitszeugnissen nach § 277 StGB. Impfausweise sind Gesundheitszeugnisse.
Wichtig: Das Gesetz, das ein Verhalten unter Strafe stellt, muss bereits zum Zeitpunkt der Tatbegehung bestehen. Das rückwirkende unter Strafe Stellen bestimmter Verhaltensweisen ist nicht möglich.
Für Fälschungen von Impfausweisen ab dem 24.November 2021 war die rechtliche Bewertung also weniger problematisch.
Aber was ist mit den Fälschungen, die bereits vor dem 24. November 2021 vorgenommen wurden? War das strafbar?
Die Fälschung von Gesundheitszeugnissen nach § 277 StGB a.F.
Die Straftat des § 277 StGB gab es schon zuvor. Diese Straftat wurde nicht gänzlich neu eingeführt, sondern lediglich ihre Voraussetzungen und ihre amtliche Überschrift geändert. Der Tatbestand wurde erweitert und nun ist es nicht mehr die „Fälschung von Gesundheitszeugnissen“, die bestraft wird, sondern „Unbefugtes Ausstellen von Gesundheitszeugnissen“.
Vor der Gesetzesänderung machte man sich wegen Fälschung von Gesundheitszeugnissen nach § 277 StGB nämlich nur strafbar, wenn man die Fälschung zur Täuschung von Behörden oder Versicherungsgesellschaften einsetzte.
Die Impfausweise wurden aber in der Regel gefälscht, um sie insbesondere in der Gastronomie oder in der Apotheke (um ein digitales Impfzertifikat zu erhalten) vorzuzeigen. Weder Gastronomie, noch Apotheken sind Behörden oder Versicherungsgesellschaften.
Keine Strafbarkeit wegen Fälschung von Gesundheitszeugnissen nach § 277 StGB.
Inzwischen wurde der Tatbestand insbesondere dahingehend geändert, dass eine Täuschung im Rechtsverkehr genügt, um sich strafbar zu machen. Zum Rechtsverkehr gehören auch gastronomische Betriebe und Apotheken.
Auch das „bloße“ Gebrauchen gefälschter Impfpässe (ohne sie selbst gefälscht zu haben) ist mit Strafe bedroht (vgl. § 279 StGB).
Das Fälschen von Impfausweisen als Urkundenfälschung?
Die Fälschung von Impfausweisen könnte aber schon damals eine strafbare Urkundenfälschung nach § 267 StGB gewesen sein.
Und hier war der Knackpunkt: Die Straftat der Urkundenfälschung war schon früher (ist es auch immer noch) deutlich weiter gefasst als die Straftat der Fälschung von Gesundheitszeugnissen bzw. des unbefugten Ausstellens von Gesundheitszeugnissen.
Hinsichtlich des unter Strafe gestellten Verhaltens stellte eine Fälschung von Gesundheitszeugnissen regelmäßig auch eine Urkundenfälschung dar.
Gesundheitszeugnisse sind nämlich (eine spezielle Form von) Urkunden (nämlich solche, die etwas über den gesundheitlichen Zustand einer Person aussagen).
Die Fälschung von Gesundheitszeugnissen ist also eine spezielle Form einer Urkundenfälschung.
Wenn man tatbestandlich keine Fälschung von Gesundheitszeugnissen vorgenommen hat, kann man sich dann noch wegen der (allgemeiner gefassten) Urkundenfälschung strafbar machen? Ist die Fälschung von Impfausweisen dann nicht abschließend in § 277 StGB geregelt, sodass die Straftat der Urkundenfälschung „gesperrt“ ist?
Hier vertraten die Gerichte unterschiedliche Ansichten. Manche bejahten eine Strafbarkeit wegen Urkundenfälschung, manche verneinten sie unter Annahme einer Sperrwirkung des § 277 StGB a.F.
Nun hat sich der Bundesgerichtshof dazu geäußert und entschieden:
Keine Sperrwirkung; Das Fälschen von Impfausweisen war strafbar
Der Bundesgerichtshof bejahte nun eine Strafbarkeit des Fälschens von Impfausweisen als Urkundenfälschung schon nach alter Rechtslage (BGH, Urteil v. 10.11.2022 - 5 StR 283/22).
Dass eine Strafbarkeit wegen Fälschens von Gesundheitszeugnissen nach § 277 StGB alte Fassung zu verneinen ist, stellt auch der BGH fest.
Das war auch weniger streitig. Schließlich stand explizit im Wortlaut der Norm, welche Stellen getäuscht werden mussten.
Bei der Frage, ob dann eine Strafbarkeit wegen Urkundenfälschung in Betracht kommt, widerspricht der BGH aber der vorher entscheidenden Instanz – dem Landgericht Hamburg.
Die Folge: Aufhebung des Freispruchs und Zurückverweisung an das Landgericht Hamburg. Das Landgericht muss neu entscheiden.
Der BGH entschied, dass § 277 StGB a.F. keine speziellere Straftat zur Urkundenfälschung in dem Sinne ist, dass bei der Fälschung von Gesundheitszeugnissen der Täter zu privilegieren ist. Eine solche Privilegierung wäre nämlich die Folge der Annahme einer Sperrwirkung des § 277 StGB. Wenn dann nämlich ein Tatbestandsmerkmal (wie die Täuschung einer Behörde oder Versicherungsgesellschaft) nicht erfüllt wurde, bliebe diese Person straflos, obgleich sie durchaus eine Urkundenfälschung vorgenommen hat. Der BGH begründet die Verneinung der Sperrwirkung vor allem damit, dass dies nicht der Systematik dieser Urkundendelikte und dem gesetzgeberischen Willen bei Schaffung der Normen entspricht. BGH, Urteil v.10.11.2022 - 5 StR 283/22.
Welche Strafe droht für Urkundenfälschung?
Gem. § 267 Abs.1 StGB droht für Urkundenfälschung grundsätzlich eine Geldstrafe oder eine Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren.
In sogenannten besonders schweren Fällen ist die Strafe aber härter. So zum Beispiel bei gewerbsmäßigen Urkundenfälschungen, also wenn man sich durch die wiederholte Urkundenfälschung eine Einnahmequelle von gewisser Dauer und gewissem Umfang verschaffen will. Dann droht eine Freiheitsstrafe zwischen 6 Monaten und 10 Jahren. Wird zusätzlich zur Gewerbsmäßigkeit die Tat als Mitglied einer Bande im Sinne des § 267 Abs.4 StGB begangen, so droht eine Freiheitsstrafe zwischen einem und 10 Jahren.
Wie sich die Entscheidung des Bundesgerichtshofs konkret auf das gegen Sie gerichtete Strafverfahren auswirkt, besprechen Sie am Besten mit Ihrem Strafverteidiger. Dieser kennt dann die genauen Umstände des Einzelfalls und kann die Situation entsprechend rechtlich würdigen und ein gegebenenfalls notwendiges weiteres Vorgehen mit Ihnen besprechen.
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