Update: Scheinselbstständigkeit bei Dozenten
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In dem Artikel „Scheinselbstständigkeit bei Lehrern, Dozenten, Trainern, Coaches und Erziehern“ hatte ich auf ein neues Urteil des Bundessozialgerichts vom 28. Juni 2022 hingewiesen. Darin stellt das BSG fest, dass der sozialversicherungsrechtliche Status von Dozenten, Lehrern, Erziehern etc, im Dienst von Bildungsträgern nach den sogenannten „allgemeinen Kriterien“ zu beurteilen ist. Dieses Urteil wird allgemein so verstanden, dass die frühere „Sonderrechtsprechung“ zur Abgrenzung von Selbstständigkeit und Beschäftigung bei Dozenten, die Selbstständigkeit in bestimmten Konstellationen begünstigt hatte, künftig nicht mehr angewendet werden soll. Eine selbstständige Tätigkeit im Dienst von Bildungsträgern würde damit erschwert.
Rechtsprechung zu Altfällen
Die Sozialgerichte der unteren Instanzen wenden diese Entscheidung bislang allerdings nicht auf Altfälle an. Bereits im vergangenen Jahr hatte das Niedersächsische Landessozialgericht entschieden, dass für Altfälle Vertrauensschutz gelten muss, wenn eine Lehrtätigkeit nach den Sonderkriterien, die das BSG immerhin selbst entwickelt hatte, als selbstständige Tätigkeit angesehen werden muss. Allerdings wurde die Revision zugelassen. Sie ist beim BSG anhängig. Wann die Entscheidung dazu ergeht, steht noch nicht fest.
Sozialgericht Hannover 04.05.2023
Nunmehr hat sich auch das Sozialgericht Hannover in einem Urteil vom 04.05.2023 (S 17 BA 13/19) dem Nds. LSG angeschlossen und festgestellt, dass eine Dozententätigkeit die vor Juni 2022 (dem Zeitpunkt der BSG-Entscheidung) ausgeübt wurde, als selbstständig anzuerkennen ist, wenn die bisherigen Sonderkriterien zur Selbstständigkeit erfüllt werden. Diese Tendenz ist erfreulich. Ob die Entscheidung hält, ist jedoch offen. Das Urteil erging in einem sogenannten Anfrageverfahren bei der Clearingstelle der Deutschen Rentenversicherung Bund in Berlin. Die DRV Bund hat gegen diese Entscheidung Berufung eingelegt, sodass eine obergerichtliche Klärung erfolgen wird.
Berufungsverfahren der Rentenversicherungsträger
Auch die Prüfdienste der Deutschen Rentenversicherung berufen sich in Verfahren, in denen der sozialversicherungsrechtliche Status von Lehrern zu klären ist, bereits auf das aktuelle BSG-Urteil und lehnen in einschlägigen Fallgestaltungen die Anerkennung selbstständiger Dozententätigkeiten ab.
Bei dieser unsicheren Ausgangslage tun Bildungsträger, die mit selbstständigen Dozenten arbeiten, gut daran, Ihre Vertragskonstruktionen einem Check zu unterziehen und ggf. für die Zukunft vorsorglich an sich ändernde Rahmenbedingungen anzupassen.
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