Urlaubsanspruch des Arbeitnehmers hat höchste Bedeutung - EuGH-22.09.2022, Az.: C 120/21; C-518/20; C 727/20

  • 2 Minuten Lesezeit

Gesetzliche Urlaubsansprüche deutscher Arbeitnehmer verfallen gemäß § 7 BurlG nach Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts, welches einer Grundsatzentscheidung des Europäischen Gerichtshofs vom 06.11.2018 folgte, dann nicht, wenn der Arbeitgeber im Urlaubsjahr seine Mitwirkungspflicht nicht erfüllt hat. 

Sprich der Arbeitgeber trägt die Verantwortung, dafür zu sorgen, dass der Arbeitnehmer seinen Urlaub auch nehmen kann. Der Arbeitgeber muss deutlich hinweisen, aufklären und den Arbeitnehmer in die Lage versetzen, seinen Urlaub rechtzeitig zu nehmen.

Bei fortdauernder Arbeitsunfähigkeit des Arbeitnehmers - so bislang BAG und EuGH - verfallen gesetzliche Urlaubsansprüche jedenfalls aber nach 15 Monaten.

Was ist aber, wenn in diesem Zeitraum bei fortdauernder Arbeitsunfähigkeit des Arbeitnehmers der Arbeitgeber seiner Mitwirkungspflicht nicht nachkam?

Der EuGH hat das nun in seinen mit Spannung erwarteten Entscheidungen vom 22.09.2022, Az.: C 120/21; C-518/20; C 727/20 geklärt. Einmal mehr zeigt das Gericht auf, wie sehr der Anspruch auf Erholungsurlaub als "wesentlicher Grundsatz des Sozialrechts der Union zwingenden Charakter" (EuGH, Urt. v. 06.11.2018, Az. C-684/16) genießt.

Hat bei fortdauernder Arbeitsunfähigkeit der Arbeitgeber nicht über den möglichen Verfall von Urlaub hingewiesen, kann der Urlaubsanspruch auch nicht verfallen oder verjähren. Die deutschen Regelungen zur Verjährung sind insoweit unionsrechtswidrig. Argument der Richter: Arbeitgeber, die Hinweispflichten verletzen, sollen nicht noch mit der Verjährung belohnt werden.

Arbeitnehmer hatten auf Urlaubsabgeltung geklagt. In zwei vom EuGH entschiedenen Fällen ging es um langzeiterkrankte Beschäftigte, die dadurch gehindert waren, ihren Urlaub zu nehmen. Der dritte Fall betraf eine Arbeitnehmerin, die sich wegen des erheblich hohen Arbeitsvolumens den ihr noch zustehen den Urlaub zu nehmen gehindert sah. 

Hinweise im Sinne der von EuGH und BAG postulierten Mitwirkung unterließ der jeweilige Arbeitgeber in allen drei Fällen. 

Erfolgreich setzten sich nun die Arbeitnehmer durch. Das Bundesarbeitsgericht hatte die Fälle in einem sog. Vorabentscheidungsverfahren dem EuGH vorgelegt. Das BAG betonte, die Anspruchsverjährung gem. §§ 194 Abs. 1, 195 BGB sei auch Ausdruck des vom Gesetzgeber verfolgten Zieles, Rechtsfrieden und -sicherheit herzustellen und daher auch aus dem Rechtsstaatsprinzip des Art. 20 Abs. 3 Grundgesetz (GG) abzuleiten.

Den EuGH überzeugte das nicht. Die Interessen des Arbeitgebers müssten dann zurückstehen, wenn der Arbeitgeber den Arbeitnehmer zuvor nicht in die Lage versetzt habe, den Urlaub tatsächlich wahrzunehmen. Bundesdeutsches Verjährungsrecht steht danach den Vorgaben der Arbeitszeitrichtlinie entgegen, soweit dies zum Urlaubsverfall beim nicht aufgeklärten Arbeitnehmer führe.

Fazit der Auffassung des Europäischen Gerichtshofs:

Der Arbeitgeber hat die Verantwortung dafür zu sorgen, was er im Streitfall auch beweisen muss, dass seine Arbeitnehmer positive Kenntnis der tatsächlichen Umstände UND über die Rechtslage erhalten. Ansonsten beginnt die Verjährung nicht und kann kein Verfall der Urlaubsansprüche eintreten. 

Drängt sich die Zusatzfrage auf, ob Ausschlussklauseln/ Verfallklauseln in Arbeitsverträgen noch eine sichere Begrenzung finanzieller Abgeltungsrisiken sein können.

Sie sind Arbeitgeber und wollen die Inanspruchnahme wirksam vermeiden? Dann kontaktieren Sie uns gern!

Wollen Sie als Arbeitnehmer noch Ansprüche durchsetzen? Wir prüfen für Sie, ob Chancen bestehen.

Für die Rechtsanwaltskanzlei Wulf & Collegen

Jan Steinmetz

Rechtsanwalt


Um dieses Video anzuzeigen, lassen Sie bitte die Verwendung von Cookies zu.


Rechtstipp aus dem Rechtsgebiet

Artikel teilen:


Sie haben Fragen? Jetzt Kontakt aufnehmen!

Weitere Rechtstipps von Rechtsanwalt Jan Steinmetz

Beiträge zum Thema