Vertragsärzte sind nicht berechtigt, eine Filialgenehmigung (Zweigpraxis) anzufechten!

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Das BSG hat durch Urteil vom 28.10.2009 - B 6 KA 42/08 R - entschieden, dass ein Vertragsarzt, auch wenn er im selben räumlichen Bereich die gleichen Leistungen erbringt, nicht berechtigt ist, die Erteilung der Genehmigung für eine Zweigpraxis anzufechten. Dies ergibt sich aus den Grundsätzen, die der 6. Senat des BSG - anknüpfend an die Entscheidung des BVerfG vom 17.8.2004 - in seinen Urteilen zum Drittrechtsschutz niedergelassener Vertragsärzte vom 7.2.2007 (Dialysegenehmigung), vom 17.10.2007 (Ermächtigung) und vom 17.6.2009 (Sonderbedarfszulassung) entwickelt hat.

Denn die Genehmigung einer Zweigpraxis gemäß § 24 Abs. 3 Sätze 1 und 2 Ärzte-ZV begründe, so der 6. Senat in seinem Terminbericht vom 29.10.2009, für den begünstigten Arzt keinen Status, sondern erweitere in tatsächlicher Hinsicht lediglich seine Behandlungs- und Abrechnungsmöglichkeiten. Auch sei die dem begünstigten Arzt gewährte Berechtigung, einen zweiten Standort zu unterhalten, nicht nachrangig gegenüber dem Status der an diesem Ort bereits tätigen Ärzte, denn eine Bedarfsprüfung wie bei Ermächtigungen und Sonderbedarfzulassungen finde insoweit nicht statt. Der Gesetzgeber des VÄndG habe die Versorgung der Versicherten verbessern und die Möglichkeit des Betriebs von Zweigpraxen im Unterschied zum früher geltenden Recht nicht auf Fälle der Behebung von Versorgungsengpässen beschränken wollen. Erforderlich, aber auch ausreichend sei es für die Zweigpraxisgenehmigung, wenn das bestehende Leistungsangebot zum Vorteil für die Versicherten in qualitativer - unter Umständen auch in quantitativer - Hinsicht erweitert wird. Die KÄV werde allerdings gerade in einem überversorgten Planungsbereich im Rahmen des ihr bei Entscheidungen nach § 24 Abs. 3 Sätze 1 und 2 Ärzte-ZV zustehenden Beurteilungsspielraums die Versorgungssituation an dem "weiteren" Ort nicht außer Betracht lassen dürfen. Ob die angefochtene Genehmigung den Anforderungen des § 24 Abs. 3 Ärzte-ZV genügt, hat das BSG wegen des Fehlens einer Anfechtungsberechtigung des Klägers und Revisionsführers nicht geprüft.

Die Entscheidung des BSG erscheint - vorbehaltlich einer eingehenden Würdigung der noch nicht vorliegenden schriftlichen Urteilsgründe - konsequent und die zugrunde liegende Auslegung des § 24 Abs. 3 Ärzte-ZV vertretbar. Auch dürfte die Berufsfreiheit gemäß Art. 12 Abs. 1 GG - anders als bei der Genehmigung von Krankenhausspezialambulanzen nach § 116b SGB V (siehe hierzu SG Dresden, Beschluss vom 29.9.2009 - 11 KA 114/09 ER) - die Anfechtungsberechtigung konkurrierender Vertragsärzte hinsichtlich der Genehmigung von Zweigpraxen nicht gebieten. Denn grundrechtsrelevante Konkurrenzverwerfungen sind wohl noch nicht festzustellen, wenn lediglich der systemimmanente Wettbewerbsdruck zwischen den niedergelassenen Vertragsärzten etwas verschärft wird, ohne dass hier der generelle gesetzliche Vorrang bereits Zugelassener gegenüber auf den Markt drängenden (externen) Konkurrenten aufgehoben oder auch nur berührt wird (vgl. BVerfG, Beschluss vom 23.4.2009 - 1 BvR 3405/08, GesR 2009, 376 f.). Vielmehr konkurrieren die niedergelassenen Vertragsärzte hier auch insofern gleichrangig miteinander, als die Möglichkeit einer Filialbildung jedem von ihnen offen steht.

Eine unter dem Aspekt der Berufsfreiheit nach Rechtsschutz verlangende Verwerfung der Konkurrenzverhältnisse steht nach dem zitierten Beschluss des BVerfG vom 23.4.2009 dann in Frage, "wenn den bereits zum Markt zugelassenen Konkurrenten ein gesetzlicher Vorrang gegenüber auf den Markt drängenden Konkurrenten eingeräumt ist." Nur wenn dieser Vorrang durch die rechtswidrige (weil bedarfswidrige) Zulassung externer Konkurrenten gleichsam gestört wird, schützt Art. 12 Abs. 1 GG den zugelassenen Arzt ausnahmsweise vor Konkurrenz mit der Folge, dass er zur Anfechtung des störenden Zulassungsakts (wie Ermächtigung oder Sonderbedarfszulassung) berechtigt ist. Dies gilt wegen der gleichheitsrechtlichen Dimension der Berufsfreiheit allerdings auch dann, wenn der Gesetzgeber selbst systemwidrig in den ambulanten vertragsärztlichen Markt eingreift und dort Konkurrenten - entgegen den ansonsten von ihm nicht geänderten strikten Bedarfs- und Vorrangsregeln nebst Vergütungsgrenzen - einseitig und ungleich bevorzugt. Dies wiederum trifft (insoweit verkennend Wenner, GesR 2009, 505, 509) sicherlich auf die Zulassung von Krankenhausambulanzen nach § 116b SGB V zu, nicht aber auf die eher vorsichtige interne Deregulierung des Vertragsarztmarktes, wie sie der Gesetzgeber mit der Möglichkeit der Filialbildung durch Zweigpraxen zugelassen hat.

Das Thema des Konkurrentenrechtsschutzes bleibt für weitere Entwicklungen offen.

Holger Barth

Rechtsanwalt

Fachanwalt für Medizinrecht


Rechtstipp aus den Rechtsgebieten

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