Welche Strafen drohen bei rechtsextremer Gewalt durch Minderjährige?

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Ob beim Christopher Street Day in diesem Jahr in Berlin oder am Bahnhof Ostkreuz in Berlin Friedrichshain; rechtsextreme Gewalttaten in Berlin scheinen sich zu häufen und werden präsenter in den Medien. Aber auch in Berlin Marzahn, Berlin Pankow, Berlin Hellersdorf und Berlin Weißensee wurden zuletzt rechtsextreme Gewalttaten öffentlich. Eines scheint dabei besonders aufzufallen: viele der Täter sind dabei minderjährig. Es stellt sich die Frage, welche Konsequenzen für Minderjährige bei (rechtsextremen) Gewalttaten folgen können.


Ab wann kann ein Jugendlicher bestraft werden? 

Kinder bis einschließlich 13 Jahren gelten in Deutschland als schuldunfähig (§ 19 StGB). Da im deutschen Recht jemand nur verurteilt werden kann, wenn er auch schuldfähig/ schuldig ist, ist es demzufolge nicht möglich, ein Kind bis einschließlich 13 Jahren strafrechtlich zu belangen.

Weiterhin wird zwischen einem Jugendlichen und einem Heranwachsenden im Jugendstrafrecht differenziert. 

Ein Mensch gilt dabei als Jugendlicher, wenn er zwischen 14 und 17 Jahre alt ist. Anschließend gilt er als Heranwachsender, solange wie er maximal 20 Jahre alt ist. Bei Jugendlichen wird stets Jugendstrafrecht mit all seinen Besonderheiten (v.a. betreffend die Strafen) angewandt, bei Heranwachsenden kann auch „normales“ Erwachsenenstrafrecht angewandt werden.


Welche Besonderheit in Bezug auf die strafrechtliche Verantwortlichkeit gilt bei Jugendlichen? 

Ein Jugendlicher gilt grundsätzlich erst dann als strafrechtlich verantwortlich, wenn er reif genug ist, um das Unrecht seiner Tat einzusehen und zu verstehen. Dabei gilt keine pauschale Altersgrenze.


Welche Strafen drohen Jugendlichen? 

Anders als im regulären Strafrecht bestehen die Sanktionsmöglichkeiten nicht pauschal bei der Zahlung einer Geldstrafe oder einer Freiheitsstrafe. Viel mehr wird der Erziehungsgedanke bei den Sanktionen in den Vordergrund gestellt.

Demzufolge können in erster Linie Erziehungsmaßnahmen verhängt werden. Wenn diese als nicht ausreichend bewertet werden, dann kann das Gericht noch Zuchtmittel oder die Jugendstrafe verhängen.

Dabei können Erziehungsmaßregeln und Zuchtmittel auch nebeneinander angeordnet werden.


Was sind Erziehungsmaßregeln für Jugendliche? 

Erziehungsmaßregeln sind Maßnahmen, die, wie der Name schon sagt, auf die Erziehung der Jugendlichen ausgerichtet sind. 

Diese Maßregeln können unter anderem sein:

  • Erteilung von Weisungen (bspw. eine Ausbildung zu machen, einen sozialen Trainingskurs zu besuchen oder ein Täter-Opfer-Ausgleich)
  • Anordnung, Hilfe zur Erziehung nach § 12 JGG in Anspruch zu nehmen (bspw. das Leben in einer betreuten Wohnform)


Was sind Zuchtmittel im Strafverfahren gegen Jugendlichen? 

Zuchtmittel können sein:

  • Verwarnung
  • Auflagen (bspw. eine Arbeitsleistung erbringen oder die Zahlung eines Geldbetrags an eine gemeinnützige Organisation)
  • Jugendarrest 


Was ist die Jugendstrafe? 

Die Jugendstrafe ist ein Freiheitsentzug in einer dafür vorgesehenen Einrichtung. Die Dauer der Jugendstrafe beträgt dabei mindestens sechs Monate. Die Höchstdauer liegt bei fünf Jahren, in Ausnahmefällen bei bis zu zehn Jahren.

Die Höchststrafe darf dabei auch bei mehreren Straftaten nicht überschritten werden.


Welche Strafen sind für 18- bis 20-Jährige möglich? 

Heranwachsende können grundsätzlich nach dem regulären Strafrecht bestraft werden, dies unter Milderung der regulären Strafrahmen.

Wenn ein Heranwachsender der geistigen Entwicklung eines Jugendlichen gleichsteht, dann kann er nach dem Jugendstrafrecht bestraft werden. Hat die Straftat z.B. das Gepräge einer jugendtypischen Mutprobe oder wohnt der Beschuldigte noch bei seinen Eltern und ist von diesen finanziell abhängig, geht er oder sie noch zur Schule, so können dies Faktoren sein, die für die Anwendung von Jugendstrafrecht (anstatt Erwachsenenstrafrecht) sprechen. Die Höchststrafe für den Freiheitsentzug liegt dann bei zehn Jahren, in Ausnahmefällen bei 15 Jahren.


Welche Straftaten werden häufig im Rahmen von rechtsextremer Gewalt verübt?

Häufig werden Körperverletzungsdelikte begangen. Also die “einfache“ Körperverletzung, schwere Körperverletzung und die gefährliche Körperverletzung. Aber auch Beleidigungen, Bedrohungen oder das Tragen von verfassungswidrigen Symbolen sind Straftaten, welche häufig diesem Spektrum zugeordnet werden können.


Wann mache ich mich wegen Körperverletzung strafbar? 

Eine Körperverletzung begeht derjenige, der einen anderen Menschen körperlich misshandelt oder an der Gesundheit schädigt.

Eine körperliche Misshandlung ist jede üble, unangemessene Behandlung gegen den Willen des Opfers, durch die das Opfer in seinem körperlichen Wohlbefinden mehr als nur unerheblich beeinträchtigt wird. 

Das körperliche Wohlbefinden meint dabei die körperliche Integrität in Gänze.

Eine Gesundheitsschädigung ist das Hervorrufen, Beibehalten oder Steigern eines pathologischen Zustandes.

Ein pathologischer Zustand ist dabei ein heilbedürftiger Zustand, also eine nachteilig abweichende Veränderung der körperlichen Beschaffenheit (bspw. eine blutende Wunde, aber auch ein Hämatom). 


Welche Strafe droht bei Körperverletzung?

Im regulären Strafrecht wird eine Körperverletzung mit einer Freiheitsstrafe von bis zu fünf Jahren oder mit einer Geldstrafe bestraft.


Wann droht eine Strafe wegen gefährlicher Körperverletzung? 

Eine gefährliche Körperverletzung ist grundsätzlich eine Körperverletzung (vgl. oben), die aufgrund der Tatbegehung für das Opfer gefährlicher werden kann als eine einfache Körperverletzung.

Die Körperverletzung muss dabei

  • Durch Gift oder einen anderen gesundheitsgefährlichen Stoff oder
  • Mittels Waffe oder gefährlichem Werkzeug oder

Eine Waffe im Sinne dieser Vorschrift ist jeder Gegenstand, der dazu hergestellt wurde, um Menschen zu verletzen oder zu töten.

Ein gefährliches Werkzeug ist dabei jeder bewegliche Gegenstand, welcher in der konkreten Situation dazu geeignet ist, um erhebliche Verletzungen hervorzurufen (bspw. Eisenstange oder Eishockeyschläger).


  • Mittels eines hinterlistigen Überfalls oder
  • Mit mindestens einem anderen gemeinschaftlich oder
  • Mittels einer das Leben gefährdenden Behandlung (bspw. [mehrfaches] starkes Schlagen gegen den Kopf oder ein Würgegriff an den Hals)

begangen werden.


Wie wird gefährliche Körperverletzung bestraft? 

Das StGB sieht für die gefährliche Körperverletzung eine Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren vor.


Was ist eine schwere Körperverletzung? 

Eine schwere Körperverletzung ist eine Körperverletzung, die einen besonders gravierenden Taterfolg hervorruft.

Eine dieser Folgen muss eintreten, damit eine Körperverletzung als schwer eingestuft wird:

  • Verlust des Sehvermögens auf einem oder beiden Augen, des Gehörs, des Sprechvermögens oder der Fortpflanzungsfähigkeit
  • Verlust oder dauerhafte Unbrauchbarkeit eines wichtigen Glieds
  • Dauernde, erhebliche Entstellung, Lähmung, Siechtum, geistige Krankheit oder Behinderung.


Vorwurf schwere Körperverletzung – welche Strafe droht?

Das Strafgesetzbuch sieht für die schwere Körperverletzung eine Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren vor.


Wie wird eine Bedrohung bestraft? 

Bestraft wird, wer einen anderen Menschen oder eine diesem nahestehende Person mit einer rechtswidrigen Tat bedroht.

Eine Bedrohung wird im regulären Strafrecht mit einer Freiheitsstrafe von bis zu einem oder zwei Jahren oder einer Geldstrafe bestraft. Sollte die Bedrohung öffentlich stattfinden, dann liegt die maximale Freiheitsstrafe bei drei Jahren.

Sollte es sich bei der rechtswidrigen Tat um ein Verbrechen (also eine rechtswidrige Tat mit einer Mindestfreiheitsstrafe von einem Jahr oder mehr) handeln, dann erhöht sich die angedrohte Strafe.


Wie muss die Drohung bei einer strafbaren Bedrohung gestaltet sein?

Drohen ist grundsätzlich das explizite oder implizite Inaussichtstellen eines zukünftigen Übels.

Das zukünftige Übel muss eine rechtswidrige Tat sein, die gegen 

  • die sexuelle Selbstbestimmung, 
  • die körperliche Unversehrtheit, 
  • die persönliche Freiheit oder
  • eine Sache von bedeutendem Wert (regelmäßig ca. 750 – 1.300 EUR)

gerichtet oder ein Verbrechen im strafrechtlichen Sinne ist (z.B. schwere Körperverletzung, Tötung).


Vorladung wegen Verwendung von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen

Strafbar i.S.d. Vorschrift ist dabei das Verwenden, also das sicht- oder hörbar machen, von Kennzeichen verfassungsfeindlicher Organisationen.

Als Strafe für das Verwenden von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen sieht das Gesetz eine Freiheitsstrafe von bis zu drei Jahren oder eine Geldstrafe vor.


Welche Kennzeichen sind Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen? 

Kennzeichen i.S.d. Vorschrift sind Objekte, die sicht- oder hörbar sind. Es können körperliche oder nicht körperliche Symbole sein. 

Dabei muss sich die verfassungswidrige Organisation das Kennzeichen zu eigen gemacht haben.

Prominente Beispiele sind unter anderem das Hakenkreuz als Symbol der NSDAP, die Grußformel „Heil-Hitler“ oder auch das Motto der damaligen Hitlerjugend (HJ) „Blut und Ehre“.


Welche Konsequenzen drohen Jugendlichen beim Vorwurf rechtsextremer Gewalt?

Grundsätzlich gelten natürlich auch für die Jugendlichen die Strafgesetze. Allerdings werden sie nicht nach den Vorschriften des Strafgesetzbuches bestraft, sondern mit den besonderen Regelungen des Jugendstrafrechts. Dabei orientieren sich die Jugendstrafen an dem Strafrahmen/ der Schwere der Tat im StGB.


Wenn Sie als Jugendlicher eine polizeiliche Vorladung, eine Anklage oder eine Einladung zu einem Termin bei der Jugendgerichtshilfe erhalten haben, gilt es zunächst Ruhe zu bewahren und sich so zeitnah wie möglich an einen erfahrenen und spezialisierten Anwalt für Jugendstrafrecht zu wenden. 

Im Jugendstrafrecht gelten zahlreiche Besonderheiten, die es zu beachten gilt bei der Erarbeitung einer bestmöglichen Verteidigungsstrategie. Gerade bei Jugendlichen steht bei strafrechtlichen Vorwürfen einiges auf dem Spiel, da eine strafrechtliche Verurteilung unter Umständen bestimmte Karrierewege, Berufliche Optionen blockiert. Schnell ist der Traum vom Wunschberuf geplatzt. Machen Sie daher keine Fehler und suchen sich erfahrene und kompetente Hilfe.


Rechtstipp aus dem Rechtsgebiet

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