Zweifel an der Arbeitsunfähigkeit (AU)? Wissenswertes für Arbeitgeber

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Zweifel an der Arbeitsunfähigkeit (AU)? Wissenswertes für Arbeitgeber

Ist ein Arbeitnehmer wirklich krank oder macht er "blau"? Welche Gründe können den Arbeitgeber an der Richtigkeit der AU zweifeln lassen?

Grundsätzlich gilt, ab Tag 1 der Krankheit den Arbeitgeber unverzüglich über die AU in Kenntnis zu setzen und ab Tag 4 eine AU-Bescheinigung vorzulegen. Im Arbeits- oder Tarifvertrag kann jedoch abweichend davon geregelt sein, dass die AU-Bescheinigung ab Tag 1 vorzuliegen hat.


Anerkannte Gründe für Zweifel gem. § 275 Abs. 1a SGB IV:

  • Arbeitnehmer sind auffällig häufig oder auffällig häufig nur für kurze Dauer arbeitsunfähig.


  • Der Beginn der AU fällt häufig auf einen Arbeitstag am Beginn oder am Ende einer Woche.


  • Die AU wurde von einem Arzt oder einer Ärztin festgestellt, der oder die durch die Häufigkeit von ausgestellten AU-Bescheinigungen auffällig geworden ist.


Weitere Gründe für Bedenken können sein:


  • Passgenaue Krankschreibung nach Kündigung bis zum Ende des Arbeitsverhältnisses


  • Krankschreibung mit Ansage, beispielsweise nach einem Streit


Ärztliche AU-Bescheinigung hat vor Gericht  hohen Beweiswert


Durch die vorgenannten Gründe kann der Beweiswert allerdings erschüttert werden. So geschehen in einem Arbeitsrechtsstreit vor dem Bundesarbeitsgericht (BAG). Kurzer Abriss:


Eine Arbeitnehmerin kündigte und reichte eine Krankmeldung beginnend ab dem Tag der Kündigung bis zum Ende des Arbeitsverhältnisses ein. Der Arbeitgeber verweigerte die Entgeltfortzahlung, die Arbeitnehmerin erhob Zahlungsklage, ging jedoch leer aus. Arbeitgeber wie auch das BAG (5 AZR 149/21) hielten die Krankmeldung aufgrund des exakten Zeitraumes für erschüttert.


Die Koinzidenz zwischen der Kündigung vom 8. Februar zum 22. Februar 2019 und der am 8. Februar bis zum 22. Februar 2019 bescheinigten Arbeitsunfähigkeit begründet einen ernsthaften Zweifel an der bescheinigten Arbeitsunfähigkeit. Die Arbeitnehmerin sei im Prozess ihrer Darlegungslast zum Bestehen einer Arbeitsunfähigkeit – auch nach Hinweis des Senats – nicht hinreichend konkret nachgekommen, heißt es in der Pressemitteilung des BAG vom 08.09.2021.


Was können Arbeitgeber unternehmen, wenn sie Zweifel an dem Wahrheitsgehalt der Krankmeldung haben?


Es gibt mehrere Maßnahmen, die der Arbeitgeber ergreifen kann.


Ist der Fall allerdings nicht eindeutig, sollte mit Bedacht & Sorgfalt vorgegangen werden, um bei diesem sensiblen Thema nicht zu riskieren, das Vertrauensverhältnis zum Arbeitnehmer zu erschüttern. Der Schutz der Privatsphäre und die Wahrung der Arbeitnehmerrechte sind in diesem Prozess von großer Bedeutung.


Beobachtungen & Dokumentation


Alle relevanten Informationen und Beobachtungen, die den Zweifel untermauern, sollten dokumentiert werden (z. B. auffällige Muster bei Krankmeldungen, Aussagen von Kollegen).


Gespräch mit dem Arbeitnehmer


Ein persönliches Gespräch mit dem Arbeitnehmer kann Gewissheit bringen.


Zusammenhang von Erkrankungen anfragen


Arbeitgeber haben die Möglichkeit, eine Zusammenhangsanfrage bei der Krankenkasse des Arbeitnehmers zu stellen und können so per Datenaustausch abfragen, ob vorherige AU-Bescheinigungen aufgrund derselben Krankheit ausgestellt wurden. Diagnosen werden dabei nicht bekanntgegeben.


Bei mehreren AU-Bescheinigungen mit demselben Grund kann davon ausgegangen werden, dass ein Grundleiden vorliegt und die AU somit gerechtfertigt ist. Im Umkehrschluss können viele verschiedene Krankheiten auf eine vorgetäuschte AU hinweisen.


Medizinischer Dienst der Krankenkassen (MDK)


Der Arbeitgeber kann die Krankenkasse des Arbeitnehmers einbeziehen und eine Überprüfung durch den MDK anregen. Der MDK nimmt sodann eine unabhängige Einschätzung der AU vor.


Weicht die Beurteilung von der AU-Bescheinigung ab, werden der behandelnde Arzt sowie die Krankenkasse darüber informiert. Kann der Arzt seine Entscheidung nicht begründen, wird der Arbeitgeber über das Ergebnis - ob und bis wann eine AU tatsächlich vorgelegen hat – informiert. Auch hier wird keine Diagnose an den Arbeitgeber weitergegeben.


Sofern allerdings die Krankenkasse bereits aus den vorliegenden Diagnosen die AU eindeutig nachvollziehen kann, wird der MDK i. d. R. nicht beauftragt.


Kündigung:


Kann der Arbeitgeber beweisen, dass die AU vorgetäuscht wurde, kann dies unter Umständen eine Kündigung rechtfertigen und sogar ein Grund für eine fristlose Kündigung sein. Dabei müssen jedoch alle gesetzlichen Vorgaben und der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit beachtet werden.


Good to know:


Zu den Aufgaben der Betriebsärzte gehört es nicht, Krankmeldungen der Arbeitnehmer auf ihre Berechtigung zu überprüfen (§ 3 Abs. 3 AsiG).


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