Bauen im Bestand

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Zur Vermeidung von Fallstricken beim Planen und Bauen im Bestand (Sanierung, Renovierung und Modernisierung von Altbauten oder deren Restauration, Wiederaufbau bzw. Erweiterungs- oder Umbau) ist ein hoher Grad an Präzision in der Vertragsgestaltung erforderlich.

Voraussetzung dafür ist zunächst die Wahl des zutreffenden Vertragsmodells einerseits sowie andererseits eine genaue und eingehende Bestandserkundung und Bestandsaufnahme auch unter Einbeziehung von Bauteilöffnungen, Ausgrabungen, Durchbrüchen, Materialproben etc. Es kommen das Bauträgermodell und das Käufermodell sowie Mischformen aus beiden in Betracht. Von werbenden Anpreisungen ist wegen der Prospekthaftung zu warnen. Bestandserkundung und Bestandsaufnahme ermöglichen hingegen präzise Beschaffenheitsvereinbarungen und die Erstellung einer sogenannten „negativen Baubeschreibung“ bzw. „Nichtleistungsbeschreibung“ bezüglich ausdrücklich nicht übernommenen Sanierungsarbeiten. 

Es ist zu raten, in jedem Fall nur „punktuelle Sanierungsleistungen“ zu übernehmen. Auf diese Leistungen selbst ist zwar in jedem Fall Werkvertragsrecht mit der werkvertraglichen strengen Mängelhaftung anwendbar. Daneben kommt aber bei entsprechender Vertragsgestaltung die Anwendung des Kaufrechts bezüglich der unberührten und in zulässiger Weise ausgeklammerten Altbausubstanz und damit die Möglichkeit eines weitgehenden Haftungsausschlusses in Betracht. Es bestehen mithin durchaus Instrumente, die enormen Haftungsrisiken bei der Altbausanierung in den Griff zu bekommen. Es empfiehlt sich, bereits in der Phase der Projektentwicklung Klarheit über das zu wählende Vertragsmodell oder die passende Mischung aus den dargestellten Modellen zu schaffen und den Bestand gründlich zu erkunden und präzise zu beschreiben.

1. Haftung für die Altbausubstanz

Bauträgermodelle sind beim Bauen im Bestand verbreitet (Glöckner, Planen und Bauen im Bestand, BauR 2007, S. 254, 255). Die Möglichkeit einer Freizeichnung von der Mängelhaftung ist dabei eng verknüpft mit der Frage, inwieweit Kauf- oder Werkvertragsrecht anwendbar ist. Ein formularmäßiger Ausschluss der Mängelhaftung verstößt bei Anwendung des Werkvertragsrechts gegen § 309 Nr. 8b BGB und damit gegen ein Klauselverbot ohne Wertungsmöglichkeit; das heißt, eine solche Vertragsregelung wäre als allgemeine Geschäftsbedingung (AGB) unter allen Umständen unwirksam.

Insbesondere kann nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH) auch für die von einer Sanierung nicht betroffenen Teile der Altbausubstanz eine Haftung nach Werkvertragsrecht in Betracht kommen, wenn die übernommenen Herstellungsverpflichtungen nach Umfang und Bedeutung mit Neubauarbeiten vergleichbar sind (BGH, Urteile vom 26.04.2007 – VII ZR 210/05 –, und vom 16.12.2004 – VII ZR 257/03). Hierbei kommt es auf das Gesamtbild der bereits erbrachten und ggf. noch zu erbringenden Leistungen an (Pause, Bauträgerkauf und Baumodelle, 5. Aufl. 2011, Rn. 634). Auch bei einer Kernsanierung werde häufig nicht in den Baubestand der Fundamente, Außenwände und Geschossdecken eingegriffen, argumentiert der BGH. Dies hindert die Anwendung des Werkvertragsrechts auch auf diese Bauteile bei entsprechendem Gesamtbild nicht. Eine Vereinbarung der Geltung des Kaufvertragsrechts ist insoweit unwirksam und stellt einen Verstoß gegen § 309 Nr. 8b BGB sowie gegen das sich aus § 307 BGB ergebende Verbot dar, einen Vertrag einem nicht einschlägigen Regelungsbereich zuzuordnen (Basty, Der Bauträgervertrag, 8. Auflage, Köln 2014, Rn. 1124 mit weiteren Nachweisen). 

Es ist unbedeutend, ob sich die Parteien im Vertrag als „Käufer“ und „Verkäufer“ oder als „Erwerber“ und „Veräußerer“ bezeichnen. Entscheidend ist vielmehr, dass sich aus dem Inhalt des Vertrags, aus seinem Zweck und seiner wirtschaftlichen Bedeutung sowie aus der Interessenlage die Verpflichtung des Veräußerers zur mangelfreien Erstellung eines Bauwerks ergibt. An eine solche Verpflichtung knüpft die Sachmängelhaftung nach Werkvertragsrecht an. Dies gilt auch dann noch, wenn die „verkaufte“ Altbauwohnung bei Vertragsschluss bereits fertig saniert ist. Ein Haftungsausschluss kommt dann wegen Verstoßes gegen das vorgenannte Klauselverbot ohne Wertungsmöglichkeit nicht in Betracht. Denn beim Bauträgervertrag wird nach Inhalt und Gestaltung das Vorliegen allgemeiner Geschäftsbedingungen vermutet, so das Urteil des BGH vom 14.05.1992 – VII ZR 204/90. Ist der Erwerber ein Verbraucher, gelten allgemeine Geschäftsbedingungen als vom Unternehmer gestellt. Damit ist die AGB-Kontrolle in der Regel eröffnet. Insbesondere bringt es nach ständiger Rechtsprechung nichts, sich das „Aushandeln“ von Bestimmungen im Vertrag bestätigen zu lassen, vgl. Urteil des BGH vom 20.03.2014 – VII ZR 248/13. Die AGB-Kontrolle kann damit nicht umgangen werden.

2. Prospekthaftung

Erhöhte Haftungsrisiken können sich auch aus Prospektangaben, der Werbung oder sonstigen – im Zusammenhang mit dem Vertragsschluss auch nur beiläufig getätigten – Äußerungen ergeben, die für die Ermittlung der vereinbarten Beschaffenheit herangezogen werden und die „berechtigte Erwartung“ des Erwerbers dem Veräußerer zurechenbar erhöhen können. 

So kann es für die vereinbarte Beschaffenheit (hierzu mein Rechtstipp über die Abnahmereife) maßgeblich auf einen – im Zusammenhang mit dem Vertragsschluss übergebenen – Werbeprospekt ankommen, Urteil des BGH vom 25.10.2007 – VII ZR 205/06. Von pauschalen Erfolgsversprechen ist dabei im Hinblick auf den funktionalen Mangelbegriff des BGH abzuraten. Sie können den Umfang der geschuldeten Leistungen dramatisch erhöhen. Verspricht der Veräußerer eines Altbaus weitgehende Sanierungsleistungen, darf der Erwerber dies grundsätzlich dahingehend verstehen, dass der Veräußerer zu diesem Zweck im Rahmen des technisch Möglichen die Maßnahmen angewandt hat, die erforderlich sind, um den Stand der anerkannten Regeln der Technik zu gewährleisten, Urteil des BGH vom 16.12.2004 –VII ZR 257/03. Etwas anderes kann sich je nach der berechtigten Erwartung des Erwerbers unter Berücksichtigung der gesamten Vertragsumstände, insbesondere des konkreten Vertragsgegenstands und der jeweiligen Gegebenheiten des Bauwerks, ergeben.

Regelmäßig kann die ordnungsgemäße Herstellung der von der Instandsetzung auch nur berührten Bauteile erwartet werden, so zum Beispiel die Überarbeitung und Abdichtung der Balkone bei einer Fassadensanierung nach dem Stand des Dachdeckerhandwerks und dem Stand der Technik zum Zeitpunkt der Sanierung, Urteil des OLG Düsseldorf vom 22.05.2003 – I-5 U 33/00.

Können Anforderungen des Stands der Technik und technische Normen, beispielsweise des Wärme- und Schallschutzes, nur durch erhebliche Eingriffe in die Altbausubstanz erfüllt werden, die jedoch nicht übernommen werden sollen, sind präzise und transparente vertragliche Regelungen erforderlich, um die Mängelhaftung zu begrenzen.

3. Beschaffenheitsvereinbarung und Nichtleistungsbeschreibung

Von zentraler Bedeutung sind ausdrückliche vertragliche Beschaffenheitsvereinbarungen im Vertragstext selbst und in der Bau- bzw. Sanierungsbeschreibung, die – auch bei der Totalsanierung – durch eine „negative Baubeschreibung“ bzw. „Nichtleistungsbeschreibung“ komplettiert werden sollte. Dies bedeutet, dass zum einen die unveränderte Beschaffenheit der vorhandenen Bausubstanz präzise beschrieben und vorhandene Mängel, wie z. B. eine Braunfärbung des Wassers, ausdrücklich mit in den Vertrag aufgenommen werden.

Zum anderen sind bestimmte Leistungen oder auch Untersuchungen, die ansonsten hätten erwartet werden können, aber nicht durchgeführt werden sollen, ausdrücklich vom Leistungsumfang auszuschließen. Die Nichteinhaltung aktueller technischer Normen und üblicher technischer Standards ist präzise offenzulegen.

Auch bei Übernahme nur „punktueller Leistungen“ ist der Bauträger bzw. Projektentwickler jedoch grundsätzlich zur fehlerfreien Planung und Untersuchung der Sanierungsbedürftigkeit der Altbausubstanz verpflichtet – er haftet dafür nach werkvertraglichen Grundsätzen. Er kann allerdings durch präzise und klare Regelungen objektiv nicht erforderliche Untersuchungspflichten bezüglich Sanierungsleistungen nicht berührter Bauteile ausschließen (Basty, a.a.O., Rn. 915). Der Erwerber muss dabei hinreichend auf die Risiken verborgener Mängel, wie beispielsweise eines Befalls mit Hausschwamm, hingewiesen werden.

Ohnehin ist der Bauträger bezüglich aller ihm bekannter Mängel zur Offenbarung verpflichtet; ansonsten kommt eine Haftung wegen Arglist in Betracht. Hierfür kann sogar die Zusicherung „ins Blaue hinein“ reichen, verborgene Mängel seien nicht bekannt. In einem solchen Fall liegt die Arglist im bewussten Verschweigen der fehlenden Sachkenntnis, Urteil des OLG Frankfurt vom 10.02.2006 – 21 U 57/05.

4. Käufermodell

Beim Käufermodell (hierzu Pause, a.a.O., Rn. 1494 – 1496) wird die Verantwortung für die Sanierung des Gemeinschaftseigentums der (werdenden) Wohnungseigentümergemeinschaft aufgebürdet. Es werden mithin unsanierte Altbauwohnungen unter – in gewissen Grenzen zulässigem – Gewährleistungsausschluss an die Erwerber verkauft und in der Teilungserklärung wird die Verpflichtung der Gemeinschaft niedergelegt, das Gemeinschaftseigentum auf eigene Kosten und auf eigenes Risiko zu sanieren, zu renovieren und zu modernisieren.

Die genauen Sanierungsleistungen können insoweit in der Teilungserklärung oder in einem Beschluss der Wohnungseigentümergemeinschaft mitsamt Baubeschreibung festgelegt werden, in den dann alle folgenden Käufer eintreten. Die Finanzierung der Sanierungsmaßnahmen am Gemeinschaftseigentum kann insbesondere durch ein Bausonderkonto der Wohnungseigentümergemeinschaft geregelt werden, wobei dem Risiko einer erheblichen Erhöhung der Sanierungskosten aufgrund altbauspezifisch unvorhergesehener Schwierigkeiten ausreichend Rechnung zu tragen ist. Das Sondereigentum hat der jeweilige Erwerber bei diesem Modell selbst zu sanieren.

Der Verkäufer haftet auf diese Weise grundsätzlich weder für die Bauleistungen noch für die Umsetzung der – in der Teilungserklärung oder einem Beschluss der Wohnungseigentümergemeinschaft niedergelegten – Planung. Der jeweilige Käufer übernimmt mithin sämtliche, aus der Umsetzung der vorgegebenen Planung erwachsenden Risiken.

Ein Haftungsrisiko des Verkäufers ergibt sich allerdings wiederum aus der Prospekthaftung oder auch aus etwaigen Planungs- und Untersuchungsdefiziten oder -fehlern.

5. Haftungsbegrenzung

Vorzugswürdig erscheint eine auf das konkrete Projekt abgestimmte Mischform aus Bauträger- und Käufermodell dahingehend, dass der Veräußerer zumindest einige genau und eng begrenzte „punktuelle Eingriffe“ in die Altbausubstanz nach hinreichender Untersuchung der Sanierungsbedürftigkeit planen und auch durchführen lässt, wie beispielsweise die Verlegung neuer Steigleitungen.

Der Projektentwickler sollte dabei in eigenem Interesse nur solche Bauleistungen übernehmen, bei denen böse Überraschungen durch hinreichende Untersuchungen weitgehend ausgeschlossen werden können.

Für die unberührte Altbausubstanz kommt bei solch einer Teilsanierung ein Haftungsausschluss in Betracht. Dabei sind aber die Klauselverbote ohne Wertungsmöglichkeit zu beachten, in Sonderheit § 309 Nr. 8b BGB. Danach können bzw. kann bei einem Vertrag über Lieferungen neu hergestellter Sachen und über Werkleistungen und damit insbesondere bei Bauverträgen

  • die Ansprüche gegen den Verwender wegen eines Mangels insgesamt oder bezüglich einzelner Teile nicht ausgeschlossen, auf die Einräumung von Ansprüchen gegen Dritte beschränkt oder von der vorherigen gerichtlichen Inanspruchnahme Dritter abhängig gemacht werden (aa);
  • die Ansprüche gegen den Verwender insgesamt oder bezüglich einzelner Teile auf ein Recht auf Nacherfüllung nicht beschränkt werden, sofern dem anderen Vertragsteil nicht ausdrücklich das Recht vorbehalten wird, bei Fehlschlagen der Nacherfüllung zu mindern oder, wenn nicht eine Bauleistung Gegenstand der Mängelhaftung ist, nach seiner Wahl vom Vertrag zurückzutreten (bb);
  • die Verpflichtungen des Verwenders nicht ausgeschlossen oder beschränkt werden, die zum Zweck der Nacherfüllung erforderlichen Aufwendungen, insbesondere Transport-, Wege-, Arbeits- und Materialkosten, zu tragen (cc);
  • die Nacherfüllung nicht von der vorherigen Zahlung des vollständigen Entgelts oder eines unter Berücksichtigung des Mangels unverhältnismäßig hohen Teils des Entgelts abhängig gemacht werden (dd);
  • dem anderen Vertragsteil für die Anzeige nicht offensichtlicher Mängel keine Ausschlussfrist gesetzt werden, die kürzer ist als die Verjährungsfrist (ee);
  • die Verjährung von Ansprüchen gegen den Verwender wegen eines Mangels des Bauwerks bzw. hierfür verwendeter Sachen nicht erleichtert oder in den sonstigen Fällen eine weniger als ein Jahr betragende Verjährungsfrist ab dem gesetzlichen Verjährungsbeginn vorgeschrieben werden (ff).

Des Weiteren sind bei solchen Haftungsausschlüssen die restriktiven Klauselverbote des § 309 Nr. 7 BGB zu beachten, wonach eine Einschränkung des Verschuldensmaßstabs und eine Haftungsbegrenzung der Höhe nach 

  • im Fall der Verletzung von Leib, Gesundheit und Leben (a) sowie 
  • im Fall einer grob fahrlässigen Pflichtverletzung (b) 

völlig ausscheiden. Eine Schwierigkeit besteht praktisch in der Abgrenzung zwischen leichter und grober Fahrlässigkeit.

In Anbetracht des schwierigen Nachweises einer individualvertraglich „ausgehandelten“ – nicht nur „verhandelten“ – Bestimmung sind diese Klauselverbote insbesondere bei Verbraucherverträgen zu beachten, zumal hier oftmals das Vorliegen von AGB vermutet wird, die zudem gem. § 310 Abs. 3 BGB als vom Unternehmer gestellt gelten. Darüber hinaus kann die Wirksamkeit einer Haftungsbegrenzung auch bei einer individualvertraglichen Regelung an einem gesetzlichen Verbot, an Sittenwidrigkeit, an Treu und Glauben und am Verbot des Haftungsausschlusses für Vorsatz gem. § 276 Abs. 3 BGB scheitern.

Im Ganzen ist das Bauen im Bestand eine riskante Angelegenheit. Ob Projektentwickler oder Erwerber – lassen Sie sich juristisch beraten.



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