Bundesgerichtshof und EU-Kommission räumen zeitgleich mit "Green Claims" in der Werbung auf
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Die neuen EU-Gesetzesvorgaben zielen darauf ab, irreführende umwelt- und klimabezogene Werbeaussagen mittels eines strengeren Regulierungsrahmens zu unterbinden. Sie sind Teil des EU Green Deals und beinhalten die ECGT-Richtlinie zur Vermeidung von Verbrauchertäuschung und die Green-Claims-Richtlinie, die ein kontrolliertes Prüfungsverfahren für mittlere bis größere Unternehmen vorsieht.
Angaben müssen nach objektiv-wissenschaftlichen Standards korrekt sein und dürfen nicht selektiv umweltfreundliche Aspekte herausstellen. Unklare Bezeichnungen wie "grüne Energie" oder "nachhaltig" sollen generell verboten werden. Die Regelungen betreffen auch Online-Shops und gelten uneingeschränkt für kleine und mittelständische Unternehmen mit mehr als 10 Mitarbeitern und einem Umsatz über 2 Millionen Euro, wobei Kleinunternehmen von der Zertifizierungspflicht ausgenommen sind.
Das Urteil des Bundesgerichtshofs (BGH) zum "klimaneutral"-Claim von Katjes zeigt die Notwendigkeit einer konsequenten Durchsetzung solcher Regelungen, um irreführende Werbepraktiken wirksam zu bekämpfen.
Welche klimabezogenen und umweltbezogenen Angaben werden für Hersteller und Händler bald verboten sein?
Derzeit befinden sich neue Gesetzesvorgaben zur Regulierung umweltbezogener Werbeaussagen und Umweltqualitätssiegel im EU-Gesetzgebungsverfahren. Sie sind Teil des sogenannten Green Deals der EU-Kommission. Das Vorhaben hat die dringend nötige Vermeidung weiterer Naturzerstörung und Vernichtung von Lebensgrundlagen wie lebenswertem Klima / Vermeidung weiter zunehmender, klimabedingter Naturkatastrophen, sauberer Luft, sauberem Trinkwasser und Nahrungsmitteln zum Ziel.
Durch die Richtline Empowering Consumers for the Green Transition (ECGT) soll die Verbrauchertäuschung mit irreführenden Angaben, die nach wissenschaftlicher Prüfung falsch sind oder nur selektiv Vorteile von Produkten oder Herstellungsprozessen darstellen, über eine Ergänzung des geltenden Verbraucherschutzrechts konkretisiert und effektiver unterbunden werden. Mit der Green-Claims-Richtlinie werden zudem von mittleren und größeren Unternehmen systematisch eingesetzte, umweltbezogene Werbeaussagen und Qualitätssiegel unter den Vorbehalt eines kontrollierten Prüfungsverfahrens gestellt.
Wir haben die Gesetzesvorhaben vor allem dahingehend geprüft, welche neuen Anforderungen durch die Gesetzesvorhaben auf mittelständische Unternehmen zukommen.
Demnach kommen auf Unternehmen klare Anforderungen zu, denen die Angaben entsprechend müssen. Außerdem droht vielen ein aufwendiges Zertifizierungsverfahren durch Prüfstellen für jede Angabe, ähnlich dem CE-Zertifizierungsverfahren bei Geräten.
So müssen die Angaben nach objektiv-wissenschaftlichen und technischen Standards umfassend richtig sein und dürfen nicht selektiv einzelne Aspekte eines Produkts oder Produktionsablaufs herausstellen, die sich als umweltfreundlich erweisen.
So wären Angaben zu einem höheren Brennwert von Holzpellets gegenüber Brennholz wegen Irreführung nicht zertifizierbar, wenn nicht gleichzeitig die Menge an Gas genannt wird, die für die Holztrocknung eingesetzt wird und klargestellt wird, dass der Energieverbrauch beim Heizen wesentlich niedriger wäre, wenn Gas mit einem doppelt so hohen Heizwert gleich zum Heizen genutzt würde und zudem Feinstaub und die meisten Schadgase wegfielen. Denn mittels "Rosinenpicken" wird über einen Vergleich nur ein Aspekt herausgestellt anstelle des "ganzen Bilds".
Zudem darf die Aussage nicht nur für einen Teil der Nutzungsdauer oder nur dafür, aber ohne Berücksichtigung von Recyclingfähigkeit oder Entsorgungsfragen nach dem Ende der Nutzung zutreffend sein.
Generell gesetzlich verboten werden sollen Zuschreibungen mit unklarer Bedeutung wie beispielsweise grüne Energie, eco, nachhaltig, die sehr unterschiedlich verstanden werden und für die es keine einheitliche und klare Definition bei der Verwendung gibt.
An sich gelten solche Verbote aber bei nachweisbarer Irreführung schon heute. Die Richtline ist also vor allem eine Klarstellung und Konkretisierung.
So zeigte ein aktuelles Urteil des BGH noch vor Inkrafttreten der Regelungen, dass intransparente Werbeaussagen auch schon nach dem geltendem Recht angreifbar sind:
BGH-Entscheidung, die mit dem verbreiteten "Klimaneutral-Claim" aufräumt, zeigt ausreichende Rechtslage, aber mangelnde Wettbewerbskontrolle in der Durchsetzung auf
Doch schon vor Inkrafttreten der neuen Gesetzgebung befasste sich der Bundesgerichtshof mit der Angabe „klimaneutral“ auf Katjes Grün-Ohr-Hasen.
Das Urteil "klimaneutral" vom 7. Juni 2024 - mit dem Aktenzeichen I ZR 98/24 beweist, dass eine effektive Wettbewerbskontrolle schon jetzt den Werbefake effektiv zurückdrängen könnte, dies aber durch die dazu hierzulande tätigen Abmahnvereine nicht geschieht.
Bemerkenswert ist nämlich, dass nicht etwa typischer Weise und besonders dreist trotz maximalem Ausstoß von Treibhausgasen „klimaneutral“ oder „CO2-neutral“ gelogene Produkte zur Energieerzeugung wie Holzöfen oder Pelletheizungen sowie die Naturbrennstoffe bis zur höchstrichterlichen Klärung durch den BGH gebracht wurden, sondern Fruchtgummis.
Da jede Produktion Treibhausgase erzeugt, ging es offensichtlich um das verbreitete Geschäft mit angeblicher Kompensation von Treibhausgasen an ganz anderen Orten. Finanziell geförderte Projekte sollen eine zusätzliche Bindung der Gase erreichen und so den Ausstoß kompensieren. Allerdings stand davon nichts auf dem Produkt, lediglich ein QR-Code bei dem Claim „klimaneutral“ führte auf eine Internetpräsentation mit weiteren Angaben.
Den ersten Instanzen der mit der Werbung befassten Ziviljustiz reichten diese Angaben. Nachdem allgemein bekannt sei, dass nicht klimaneutral produziert werden könne, könne sich die Angabe nur auf eine Kompensation von Treibhausgasen beziehen. Außerdem sei in Werbeanzeigen oder auf Produktverpackungen kein Platz für genauere Angaben. Eine rechtswidrige Irreführung wurde verneint.
Da es weder nationale noch EU-weite Spezialgesetze für derartige Klimaclaims und Umweltaussagen gibt, richten sich Wettbewerbskontrolle und Verbraucherschutz gegen Irreführung nach den generellen Verboten in den §§ 5, 5a des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG). Danach sind nicht nur relevant täuschende Angaben in der Werbung und auf Verpackungen untersagt. Es ergibt sich nach neuerem Recht aus § 5a UWG vielmehr auch die Verpflichtung, vor einem Kauf oder anderen Geschäft besonders relevante Umstände, wie einen unmittelbar gesundheitsschädlichen Schadstoffausstoß bei Verwendung eines Produkts nach Art und Menge oder andere Nachteile aufzuklären, die eine Kaufentscheidung beeinflussen können.
Dies folgt dem logischen Umstand, dass die Vortäuschung einer sauberen Verbrennung auch durch die bekannten Abbildungen eines blitzsauberen Holzofens mit glänzendem Schornsteins ohne weitere Hinweise erfolgen kann, wenn beides nach Monaten Nutzung mit schwarzen Anhaftungen an Gehäuse und Austrittsöffnung die tatsächlichen Emissionen des Geräts und ihre Folgen für die damit dauerhaft belasteten Wohnräume und die Gesundheit der sie Bewohnenden gut verdeutlichen.
Nach diesen Maßstäben konnte der Bundesgerichtshof mit dem sehr entspannten Umgang der vorausgehend urteilenden Kollegen in Kleve (Landgericht) und Düsseldorf (OLG) mit dieser Werbeaussage nicht zufrieden geben.
Er stellt vielmehr fest:
Nach den für umweltbezogene Werbung geltenden strengen Maßstäben an die Richtigkeit, Eindeutigkeit und Klarheit einer solchen Werbeaussage … sind außerhalb der Werbung selbst erfolgende, vom Verbraucher erst durch eigene Tätigkeit zu ermittelnde aufklärende Hinweise nicht ausreichend.
Für den Senat ergaben sich damit keine Zweifel, dass die intransparente Werbeaussage unlauter war und er untersagte sie unmittelbar, ohne Katjes über eine Zurückverweisung an das OLG nochmals Gelegenheit zur Rechtfertigung zu geben.
Bemerkenswerter Weise stellte der BGH auch fest, dass die Reduktion des Ausstoßes von Treibhausgasen nicht gleichwertig mit einer Kompensation sei. Die Reduktion habe Vorrang. Dies ist logisch und wissenschaftlich eindeutig richtig, zumal eine insbesondere gleichzeitige Kompensation zum Ausstoß meist nicht möglich ist und jeder Zeitverzug zu einer Klimaschädigung führt. Es müsste also klar sein, dass eine zuvor erreichte Mehrkompensation an Kohlenstoffbindung genutzt wird. Meist kann derartiges aber ohnehin nicht nachgewiesen werden. Die allermeisten Kompensationsprojekte haben sich bei genauer Betrachtung als reine Aufrechterhaltung ohnehin vorhandener Kompensation über bestehende Waldgebiete entpuppt.
Damit dürfte sich der regelmäßige Verweis der Holzlobby und Ofenlobby auf die Kompensation des Walds für das ohne jede Kaskadennutzung sofort-verbrannte Holz endgültig erledigt haben.
Der Fehler des Herstellers beruhte bei diesem Verfahren auf der häufigen Fehlannahme, nicht angreifbar zu sein, wenn die Angaben nach den eigenen Vorstellungen zutreffend sind. Für die rechtliche Bewertung gilt aber nicht das eigene Wissen, sondern alleine die Wirkung auf die so genannten "Verkehrskreise", hier - wenn auch kritische - Verbraucherinnen und Verbraucher.
Daher sollte kein Unternehmen an einer frühzeitigen und dann kostengünstigen Rechtsprüfung sparen und höhere Kostenrisiken und vor allem das Risiko eines Rückrufs in Kauf nehmen (Link zu unseren dazu weiterführenden Informationen).
Die Vorschriften treffen im Übrigen auch (Online-)Shopbetreiber, die Claims von Herstellern übernehmen und damit im Verkauf werben. Erhebungen der Kommission ergaben, dass in 80% der Webshops umweltbezogene Werbeaussagen gefunden wurden.
Werden die neuen EU-Vorschriften auch für kleine und mittelständische Unternehmen gelten?
Nur Kleinunternehmen bis zu 10 Mitarbeitenden und einem Jahresumsatz unter 2 Mio. € sollen von der Vorgabe einer aufwendigen Zertifizierung nach der Green-Claims-Richtlinie ausgespart werden.
Dennoch wird sich die gesetzliche Verschärfung über weitere Urteile wie das des BGH absehbar auch bei ihnen auf die Möglichkeiten für Abmahnvereine auswirken, weitergehende Nachweise für Angaben auf Verpackungen oder in der Werbung zu verlangen.
Eine begleitende fachrechtliche Prüfung bei einer Produktentwicklung und vor allem der Angaben auf Verpackungen und Produktbeschreibungen beim bloßen Weiterverkauf im Onlinehandel kann diesen Unternehmen daher dringend nahegelegt werden.
Für kleine und mittlere Unternehmen bis 250 Mitarbeitenden und 50 Mio. € Umsatz werden die neuen Vorgaben uneingeschränkt wie für Großunternehmen gelten. Es sind aber Fördermaßnahmen geplant, damit die logischer Weise wieder zugunsten der Großunternehmen erzeugten Wettbewerbsnachteile ausgeglichen werden.
Zudem sollen auf einfachem Wege durch ein Unternehmen nachweisbare Angaben kein komplexes und kostenintensives Zertifizierungsverfahren durchlaufen müssen.
Denn die Vorhaben geben zu der berechtigten Befürchtung Anlass, dass kapitalstarke Großunternehmen auf Umwegen Zertifizierungsstellen installieren könnten um auf diesem Weg auch fragwürdige Werbekampagnen zu ermöglichen, während es kleineren und mittelständische Unternehmen verwehrt wird.
Wie das BGH-Urteil zeigt, nützt die beste Regelung ohnehin nichts, wenn sie nicht konsequent durchgesetzt wird und faktisch auch weiter trotz maximalem Treibhausgasausstoß, Sofortvernichtung wertvollen Baurohstoffs und Naturzerstörung bei der Herstellung massenhaft mit Angaben wie "klimafreundlich", "CO2-neutral", "nachwachsend" wie für Holzbrennstoffe geworben werden kann.
Dabei wird dann auch noch die Produktion tatsächlich klimafreundlicher Holzbaustoffe behindert, die klimaschädlichen Zement ersetzen können. Hier wird es nicht nur Gesetze, sondern hohe Wettbewerbsstrafen wie in den USA zu Lasten der Täuscher und zugunsten Kampagnen für tatsächlich klimafreundliche Produkte geben müssen, damit herbeigetäuschte Fehlentwicklungen im Markt effektiv ausgeglichen werden.
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