Corona – Ausgangssperre: Strafbarkeit und Aussageverweigerungsrecht

  • 3 Minuten Lesezeit

Im Zeichen der Corona-Pandemie haben viele deutschen Bundesländer überwiegend Allgemeinverfügungen erlassen, in denen ab dem 23. März 2020 eine sog. „Ausgangssperre“ verhängt wird. Eine Allgemeinverfügung ist (kurz gesagt) ein Verwaltungsakt, mit dem sich die Behörde an einen bestimmbaren Personenkreis richtet. Die vom Verwaltungsakt betroffenen Menschen müssen sich daran halten.

Ausgangssperre

Genau genommen ist es keine Ausgangssperre im wörtlichen Sinne, denn "raus" auf die Straße darf jeder und jede überwiegend weiterhin. Man darf sein Haus/Heim nur verlassen, wenn man einen triftigen Grund hat. Deswegen sprechen Juristen von einer „Ausgangsbeschränkung“.

Was aber ist ein triftiger Grund? In der Allgemeinverfügung in Sachsen beispielsweise sind einige triftige Gründe aufgeführt wie z. B. das Einkaufen, der Weg zur/von der Arbeit oder schlicht das Spazierengehen. In der Allgemeinverfügung ist festgehalten, dass der/diejenige im Fall einer Kontrolle durch z. B. die Polizei seinen/ihren „triftigen“ Grund glaubhaft machen muss (z. B. Vorlage einer Bescheinigung des Arbeitgebers, wenn man sich gerade auf dem Arbeitsweg befindet).

Link zur Allgemeinverfügung des Freistaates Sachsen zur Ausgangsbeschränkung: 

https://www.coronavirus.sachsen.de/download/AllgV-Corona-Ausgangsbeschraenkungen_22032020.pdf

Strafbarkeit der Missachtung

Die aktuellen Maßnahmen werden auf das Infektionsschutzgesetz (kurz: IfSG) gestützt.

Nach §§ 28, 32 IfSG können die zuständigen Behörden (z. B. die Staatsregierungen der Bundesländer) geeignete Schutzmaßnahmen zur Verhütung oder Eindämmung oder Verhinderung von Infektionsgefahren erlassen. Die „Ausgangssperre“ in der Allgemeinverfügung ist eine solche Maßnahme.

Werden die Anordnungen in der Allgemeinverfügung – also ohne triftigen Grund aus dem Haus zu gehen – gebrochen, ist dies eine Straftat, § 75 IfSG. Es droht hier im Falle einer Verurteilung eine Freiheitsstrafe bis zu 2 Jahren oder die Verhängung einer Geldstrafe.

Zuständig zur Verfolgung von Straftaten sind die Staatsanwaltschaften. Den „Erstkontakt“ zum "Täter"/zur "Täter" in hat aber in der Regel die Polizei (oder das Ordnungsamt). Denn: beide sind auch dafür zuständig, die Einhaltung der Allgemeinverfügung zu kontrollieren und sich von „triftigen Gründe“ überzeugen zu lassen.

Unklare Rechtslage

Auf den ersten Blick ist nicht klar, welche Gründe als „triftig“ anerkannt/akzeptiert werden, um auf die Straße zu gehen. Denn die Allgemeinverfügung regelt nicht abschließend, welche Gründe triftig sind und welche nicht. Es werden viele Gründe genannt, die triftig sind. Es können aber eben auch ein paar Gründe mehr sein, die von Fall zu Fall anerkannt werden oder nicht. Entscheiden muss dies zunächst die Staatsanwaltschaft, wenn aufgrund des Draußenseins ein Strafverfahren eingeleitet wurde und man sich darüber streitet: Grund – triftig oder nicht? Erhebt die Staatsanwaltschaft öffentliche Klage, muss am Ende das Gericht entscheiden.

Ergo: Jeder Bürger, jede Bürgerin vom Schüler über den Studenten bis hin zum Erwachsenen oder Rentner kann sich hier strafbar machen.

Aussageverweigerungsrecht

Muss man gegenüber Polizei oder Ordnungsamt Angaben zum Grund seines Tuns/Draußenseins machen, wenn man im öffentlichen Raum kontrolliert wird und man weiß oder ahnt, dass der Grund, aufgrund dessen man „draußen“ unterwegs ist, keinen „triftigen Grund“ darstellt?

Nein! Denn im Falle einer wahrheitsgemäßen Aussage, warum man unterwegs ist, besteht die Gefahr, dass man sich selbst belastet und sich damit in die Gefahr der Strafverfolgung bringt. In solchen Fällen steht jedem/jeder ein Aussageverweigerungsrecht nach § 55 der Strafprozessordnung zu: Niemand muss sich selbst belasten.

Eigentlich müsste sogar die Polizei/das Ordnungsamt je nach Sachverhalt auf das Aussageverweigerungsrecht hinweisen, bevor die alles entscheidende Frage gestellt wird.

Das heißt: Schweigen und entweder gar nichts sagen oder sinngemäß mitteilen: „Ich mache von meinem Aussageverweigerungsrecht Gebrauch.“ Klingt komisch, ist aber so!

Die Folge wird sein, dass die Polizei/das Ordnungsamt sehr hellhörig wird – aber eben zunächst im Dunkeln tappt. Weitere Ermittlungsmaßnahmen wie die Feststellung der Identität oder sogar eine förmliche Vernehmung (hier ist das Ordnungsamt nicht mehr zuständig) auf dem Polizeirevier können folgen. Gleichwohl sollte man weiter schweigen, da man sich auch im Rahmen einer Beschuldigtenvernehmung nicht selbst belasten muss, § 163a StPO.

Denn: Gibt man nun ehrlich zu, was der Grund des Draußenseins ist, schlägt die „Falle“ zu – und die Staatsanwaltschaft kann das strafbare Handeln anklagen oder einen Strafbefehl erlassen.

Also:

  • Stay at home – oder nur rausgehen, wenn es triftige Gründe gibt.
  • Für den Fall der Fälle: schweigen.
  • Umgehend einen Strafverteidiger kontaktieren!

Für den Fall, dass ein Ermittlungsverfahren wegen einer etwaigen Strafbarkeit wegen Missachtung der Allgemeinverfügung eingeleitet wird, sollte umgehend ein Strafverteidiger beauftragt werden, der eine sinnvolle Verteidigungsstrategie entwickeln kann. Das muss frühzeitig geschehen, um auf das Ermittlungsverfahren bestenfalls Einfluss nehmen zu können.


Rechtstipp aus den Rechtsgebieten

Artikel teilen:


Sie haben Fragen? Jetzt Kontakt aufnehmen!

Weitere Rechtstipps von Rechtsanwalt Philipp Lange

Beiträge zum Thema