Digitaler Nachlass: Mutter darf nicht auf Facebook-Account von toter Tochter zugreifen
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Ausgelassene bunte Urlaubsfotos, Selfies in den ausgefallensten Situationen, skurrile Videos mit dem Lieblingshaustier als Star – hieran denken sicherlich die meisten, wenn es um Facebook geht. Was allerdings die ernsteren Seiten des Lebens betrifft, die nicht recht zu der locker-leichten Welt passen, die das soziale Netzwerk gerne inszenieren würde, tut man sich bekanntermaßen schwerer. Ein Paradebeispiel hierfür ist ein kontroverser Fall, der nun bereits seit fünf Jahren die Gerichte beschäftigt.
Niederlage für die Mutter einer 15-Jährigen durch heutiges Urteil des Berliner Kammergerichts
Über die Frage, ob die Mutter eines verstorbenen Mädchens auf dessen Facebook-Konto zugreifen darf, wurde heute in Berlin das bisher zweite Urteil gefällt. Der heutige Stand ist ein Rückschlag für die Mutter der damals 15-Jährigen: Ihr bleibt der Zugriff auf die Daten vorerst weiterhin verwehrt.
Mädchen wird tödlich verletzt – Facebook gibt Eltern keinen Zugriff auf Facebook-Konto
Die Vorgeschichte liest sich erschütternd: 2012 war eine 15-jährige Schülerin in Berlin von einer U-Bahn überfahren und getötet worden. Die genauen Umstände des Unfalls gelten bis heute als ungeklärt. Was nun folgt, mag absurd klingen: Der Facebook-Account des Mädchens wurde in den sogenannten „Gedenkzustand“ versetzt. Damit verbunden ist die Tatsache, dass ein Einloggen nicht mehr möglich ist. Auch für die Mutter der verstorbenen 15-Jährigen nicht, die sich erhofft hatte, etwa anhand der privaten Nachrichten ihrer Tochter Hinweise über die Umstände ihres Todes zu ermitteln. Schließlich beschloss sie, sich gegen die umstrittene Praktik von Facebook zu wehren, und ging vor Gericht.
Landgericht Berlin entscheidet zugunsten der Eltern, doch Facebook stellte sich quer
2015 entschied das Landgericht Berlin, dass der Mutter der Zugriff auf den Facebook-Account zustand, und argumentierte, dass dieser nicht anders zu behandeln sei als eine konventionelle Erbschaft. Zudem verwiesen die Richter darauf, dass im Fall einer Erbschaft auch Rechte und Verträge des Erblassers auf den Erben übergehen. Hierbei war von dem Phänomen „digitaler Nachlass“ die Rede, das jedoch unter Juristen umstritten ist.
Doch Facebook weigerte sich, das Urteil anzuerkennen – und ging in Berufung, wobei das soziale Netzwerk unter anderem mit der Datenschutzproblematik argumentierte. Man wies darauf hin, dass auch der Schutz der Privatsphäre der Facebook-Nutzer, die mit der Verstorbenen Nachrichten ausgetauscht hatten, höchst wichtig sei.
Aktuelle Entscheidung: Berliner Kammergericht gibt Facebook Recht
Heute ging der vieldiskutierte Fall in die zweite Runde – diesmal kam es dem Berliner Kammergericht zu, über das Anliegen der Mutter zu entscheiden. Das Ergebnis dürfte für etliche überraschte Gesichter gesorgt haben: In zweiter Instanz sah man das Recht deutlich auf der Seite des populären sozialen Netzwerks. Einerseits äußerte der vorsitzende Richter ausdrücklich sein Verständnis für die Position der Mutter. Andererseits ließen er und seine mitentscheidenden Kollegen den Verweis auf das Erbrecht im vorliegenden Fall nicht gelten und wiesen darauf hin, dass die Chat-Nachrichten der damals 15-Jährigen durch das Fernmeldegeheimnis geschützt seien.
Erbrecht nicht zu beachten – Schutz von Chat-Nachrichten durch Fernmeldegesetz und Grundgesetz
Zudem wurde auf den besonderen Schutz des Fernmeldegesetzes durch Artikel 10 des Grundgesetzes (GG) hingewiesen. Zwar kenne das Telekommunikationsgesetz auch Ausnahmen, wobei jedoch keine von ihnen im vorliegenden Fall zur Anwendung käme. Ferner wiesen die Richter darauf hin, dass das Bürgerliche Gesetzbuch (BGB) bestimme, dass eine Erbschaft in einer körperlichen Form vorliegen müsse, was im vorliegenden Fall logischerweise nicht gegeben sei. Die Klage der Mutter wurde somit abgewiesen.
Endgültige Niederlage oder noch alles offen?
Keine Frage: So mancher hätte sicherlich mit einer anderen Entscheidung der Richter gerechnet. Der vielbeachtete Rechtsstreit über die dunkleren Seiten von Facebook hat somit eine durchaus dramatische Wendung erhalten. Allerdings ist davon auszugehen, dass das letzte Wort noch nicht gesprochen ist. Denn das Urteil ist noch nicht rechtskräftig und der Senat ließ die Revision zum Bundesgerichtshof zu. Soweit sich neue Entwicklungen ergeben, werden wir zeitnah berichten.
Fazit: In dem Rechtsstreit um die Frage, ob Facebook einer Mutter den Zugriff auf das Facebook-Konto ihrer verstorbenen Tochter verweigern darf, hat es eine überraschende Wendung gegeben. Das Landgericht Berlin hatte 2015 der Mutter Recht gegeben, doch das Berliner Kammergericht entschied heute zugunsten von Facebook. Die Richter verwiesen heute in erster Linie auf das Fernmeldegeheimnis, während das Erbrecht für den Fall nicht relevant sei. Es ist aber davon auszugehen, dass der Rechtstreit hiermit noch nicht beendet sein wird.
(Berliner KG, Urteil v. 31.05.2017, Az.: 21 U 9/16, LG Berlin, Urteil vom 17.12.2015, Az.: 20 O 172/15
(JSC)
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