Können Arbeitgeber*innen Arbeitnehmer*innen zur Durchführung von Corona-Tests per Direktionsrecht zwingen?
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Corona-Testpflicht für Arbeitnehmer*innen durch die Hintertür?.
Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales hat mit der zweiten Verordnung zur Änderung der SARS-CoV-2-Arbeitsschutzverordnung, die am 14.April 2021 in Kraft trat und der Dritten Verordnung zur Änderung der SARS-CoV-2 Arbeitsschutzverordnung zunächst die Pflicht für Arbeitgeber*innen etabliert, mindestens einmal pro Woche und sodann mit der dritten Änderung mindestens zweimal pro Kalenderwoche einen Test in Bezug auf einen direkten Erregernachweis des Coronavirus SARS-CoV-2 anzubieten.
Die SARS-CoV-2-Arbeitsschutzverordnung sah schon vor den vorbezeichneten Änderungen vor, dass Arbeitgeber*innen zu Folgendem verpflichtet sind:
- Anbieten von Homeoffice, wenn die Tätigkeit es zulässt
- Erstellung von Hygieneplänen mit Umsetzung und Zugängigmachung
- Sorge für die Einhaltung des Mindestabstands von 1,5 Metern zu anderen Personen auch in Kantinen und Pausenräumen
- Sorge für das Tragen von medizinischen Mund-Nasen-Schutz oder Atemschutzmasken, so wie die Zurverfügungstellung dieser
- Sicherstellung ausreichender Handhygiene
- Gewährleistung von regelmäßigem Lüften
- Einführung von Regelungen zur Kontaktvermeidung
- Bei einer Personenvielfalt muss jeder Beschäftigte 10 qm Raum zur Verfügung stehen
- Ab 10 Beschäftigten müssen diese in möglichst kleine, feste Arbeitsgruppen eingeteilt werden. Kontakte zwischen den Gruppen sind zu vermeiden.
Auf seiner Homepage teilt das Bundesministerium für Arbeit und Soziales aktuell auf die Frage: „Sind die Beschäftigten zur Annahme des Testangebotes verpflichtet?“ mit (6.18):
Die Wahrnehmung von Testangeboten auf Grundlage der SARS-CoV-2-Arbeitsschutzverordnung ist den Beschäftigten freigestellt. Die Bundesregierung empfiehlt jedoch, das Testangebot anzunehmen.
Für bestimmte Beschäftigtengruppen gibt es allerdings aktuell weitergehende Testverpflichtungen in bundes- oder landesrechtlichen Bestimmungen auf Grundlage des Infektionsschutzgesetzes.
https://www.bmas.de/DE/Corona/Fragen-und-Antworten/Fragen-und-Antworten-ASVO/faq-corona-asvo.html
Viele offizielle Stellen und Verwaltungen geben auf die gleiche Frage entsprechende Antworten. Viele Arbeitgeber*innen sind jedoch der Ansicht, dass Sie entgegen dieser Auskunft, die Arbeitnehmerseite per Direktionsrecht zur Durchführung der Corona-Antigen-Tests gezwungen werden kann. Diese Möglichkeit wird rechtlich auf das Direktionsrecht der Arbeitgeberseite gestützt, wobei die letztliche Rechtsgrundlage in der vertraglichen Fürsorgepflicht des Arbeitgebers gesucht wird. Arbeitnehmer*innen, die sich weigern, die Testangebote anzunehmen werden teilweise ohne Fortzahlung der Bezüge freigestellt. Ihnen wird das Betreten des Betriebsgeländes untersagt. Weiterhin erhalten die „Verweigerer“ bisweilen aufgrund ihrer Weigerung eine arbeitsrechtliche Abmahnung.
In einem Urteil, welches in einem Eilverfahren erging hat jüngst das Arbeitsgericht Offenbach ( Urteil vom 3.2.2021 Az.:4 Ga 1/21) ein zuvor geschildertes Vorgehen der Arbeitgeberseite für rechtmäßig erachtet. Der Kläger hatte in einem Eilverfahren beantragt, die beklagte Arbeitgeberseite zu verurteilen, ihm den Zutritt zum Werksgelände gestatten, ohne dass der Kläger an einem Covid-19-Tets teilnehmen, oder einen Test mit negativem Ergebnis vorlegen muss. Das Arbeitsgericht hat in diesem Eilverfahren die Anordnung des Arbeitgebers nicht als offensichtlich rechtswidrig erachtet. Die offensichtliche Rechtswidrigkeit wäre die Voraussetzung für einen Erfolg des Klägers gewesen. Dabei meint das Gericht, dass auch eine Folgenabwägung zu Lasten des Klägers ausgeht. Der Test stelle zwar eine Beeinträchtigung der körperlichen Integrität des Klägers dar. Diese sei jedoch nur von kurzer Dauer und niederschwelliger Intensität. Dabei stellt das Gericht jedoch ausdrücklich fest, dass immer ein Gesamtabwägung zwischen der Schwere des Eingriffs und dessen Gewicht und der Dringlichkeit der ihn rechtfertigenden Gründe vorgenommen werden muss, wobei das Ergebnis sodann von den Gegebenheiten des Betriebes und seiner Belegschaft abhängt.
Der Bayerische Verwaltungsgerichtshof hat mit einem Beschluss vom 2. März 2021 ( Az.20 NE 21.353) entgegen dem Arbeitsgericht Offenbach festgestellt, dass selbst bei fachgerechter Ausführung von Nasenabstrichen im Rahmen von Coronatests dies insbesondere bei häufiger und fortlaufender Wiederholung zu nicht unerheblichen Schleimhautreizungen führen können und eine mehrmalige wöchentliche Testung ein Nachteil von hinreichendem Gewicht ist. Eine entsprechende Verordnung wurde teilweise vorläufig außer Vollzug gesetzt. Diese Entscheidung wurde zwar vor dem Hintergrund einer gesondert in Bayern erlassenen Infektionsschutzmaßnahmenverordnung getroffen und betraf den Antrag einer Pflegedienstleiterin, der diese Verordnung drei verpflichtende Tests pro Woche auferlegte. Die Wertungsgrundsätze sind jedoch durchaus auch auf arbeitsrechtliche Verfahren übertragbar, wenn bezüglich der Maßnahmen der Arbeitgeber*innen eine Güterabwägung im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung vorgenommen werden soll.
Die Verhältnismäßigkeit ist es sodann auch, die einer Corona-Testverpflichtung durch den Arbeitgeber zur Rechtmäßigkeit verhilft. Im Rahmen dieser Prüfung wird sodann auch zu fragen sein, ob die Arbeitgeber*innen vor der Einführung der Testpflicht auch die verpflichtenden Maßnahmen aus der älteren SARS-CoV-2-Arbeitsschutzverordnung außerhalb der Testpflicht umgesetzt haben. Weiterhin muss im Einzelfall gefragt werden, ob der Arbeitgeber sein Ziel nicht durch mildere Mittel, wie eine Sonderzahlung für die Testdurchführung erreichen kann. Solche Prämien sind in vielen Branchen schon gang und gäbe. Weiterhin bleibt zu hinterfragen, ob die verpflichtenden Tests auch nach Herstellerangaben durchgeführt werden. Dies dürfte in den wenigsten Betrieben der Fall sein, sodass diese Ergebnisse häufig schon gar nicht verwertbar sind.
Letztlich ist jedoch der Wille des Gesetzgebers zu berücksichtigen, der bewusst die Testpflicht als eine Pflicht zu einem Testangebot ausgestaltet hat. Die Bundesländer, denen die Testangebotspflicht nicht ausreichte, haben entsprechende Landesverordnungen erlassen, wie die zum Beispiel die bereits erwähnte Infektionsschutzmaßnahmenverordnung des Freistaates Bayern. Ein Spielraum für die Schaffung von neuem Richterrecht dürfte hier nicht eröffnet sein, sodass ich davon ausgehe, dass viele Testverpflichtungen der Arbeitgeberseite rechtsunwirksam etabliert wurden.
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