Über die (Un-)Wirksamkeit von arbeitsrechtlichen Fortbildungsverträgen mit Rückzahlungsverpflichtung

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Arbeitgeber, die ihren Arbeitnehmern Fortbildungen finanzieren und im Gegenzug eine Rückzahlung bei vorzeitiger Kündigung verlangen, müssen sich an strengen rechtlichen Vorgaben orientieren. Solche Fortbildungsverträge sind oft als Formularverträge mit Allgemeinen Geschäftsbedingungen gestaltet, die der sogenannten Inhaltskontrolle unterliegen. Klauseln, die den Arbeitnehmer unangemessen benachteiligen, z.B. durch unklare Formulierungen bezüglich der Rückzahlungsverpflichtungen, der Dauer der Bindung oder der genauen Kosten der Fortbildung, sind unwirksam. Eine Rückzahlungsklausel muss daher transparent, klar, und differenziert sein, damit der Arbeitnehmer das Rückzahlungsrisiko einschätzen kann. Unangemessene Klauseln führen dazu, dass keine Rückzahlungspflicht besteht. Vertragsklauseln, die auch dann eine Rückzahlung fordern, wenn die Beendigung des Arbeitsverhältnisses im Verantwortungsbereich des Arbeitgebers liegt oder wenn der Arbeitnehmer dauerhaft arbeitsunfähig wird, sind ebenfalls unwirksam. Eine korrekte Darstellung der Kosten und möglicher Rückzahlungsbedingungen ist essenziell für die Wirksamkeit solcher Verträge.


Ausgangslage

In vielen Fällen wollen Arbeitgeber ihre Arbeitnehmer verstärkt dadurch binden, dass sie ihnen zusätzlich zum Lohn bestimmte Fortbildungen, Zusatzqualifikationen oder Führerscheine finanzieren. Die entsprechenden Beträge erreichen häufig vier- bis fünfstellige Größenordnungen. Dabei schwingt bei dem Arbeitgeber sicherlich auch die Erwartung mit, dass er seinerseits von einem derart qualifizierten Mitarbeiter profitiert, ihn langfristig bindet und dies für ihn eine sinnvolle Investition ist. 

Dem Arbeitnehmer wird dann regelmäßig eine Fortbildungsvereinbarung vorgelegt, in der häufig auch Rückzahlungsklauseln für bestimmte Fälle und Situationen enthalten sind.

Insbesondere dann, wenn ein Arbeitnehmer dann von sich aus das Arbeitsverhältnis beendet, kommt es häufig zum Streit darüber, ob er nun dem Arbeitgeber die von diesem gezahlten Kosten der Fortbildung erstatten muss. Denn für den Arbeitgeber stellt sich die von ihm finanzierte Fortbildung als Fehlinvestition dar, während der Arbeitnehmer durchaus von den erworbenen Kenntnissen profitieren kann.

In der Praxis kommen regelmäßig zwei unterschiedliche Konstellationen vor: Zum einen behält der Arbeitgeber einfach bei der letzten Gehaltszahlung einen Betrag ein, so dass der (ehemalige) Arbeitnehmer gezwungen ist, den Betrag aktiv einzuklagen. Oder aber der (ehemalige) Arbeitgeber tritt nach Ende des Arbeitsverhältnisses an den früheren Arbeitnehmer heran und konfrontiert ihn mit einer Rückforderung und verklagt ihn sogar.

Greifen Verfallsklauseln ein?

Zunächst sei zum Zeitablauf darauf hingewiesen, dass bei solchen Unterfangen zunächst in den Blick zu nehmen ist, ob nicht möglicherweise eine arbeitsvertragliche Verfallsklausel eingreift, die ein solches Vorgehen per se unwirksam macht.

Ist dies nicht der Fall, stellt sich die weitere Frage, ob die Rückforderung respektive der Einbehalt aus anderen Gründen unwirksam ist.

Der Fortbildungsvertrag mit Rückzahlungsklausel als Allgemeine Geschäftsbedingung

In der Regel wird ein „Fortbildungsvertrag mit Rückzahlungsklausel“ dem Arbeitnehmer von Seiten des Arbeitgebers vorformuliert vorgelegt, einen Aushandlungsspielraum hat der Arbeitnehmer nicht. Der Vertrag ist damit als Formularvertrag anzusehen, so dass es sich insoweit um Allgemeine Geschäftsbedingungen im Rechtssinne (§§ 305 ff. BGB) handelt, selbst wenn der Vertrag erstmalig verwendet wird oder erstmalig aufgesetzt wurde.

Damit unterliegt der Fortbildungsvertrag der sogenannten Inhaltskotrolle der §§ 307 ff. BGB, insbesondere der Kontrolle des § 307 Abs. 1 S.1 BGB. Danach sind Bestimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen unwirksam, wenn sie den Arbeitnehmer durch den Arbeitgeber entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteiligen.

Unwirksamkeit der Klauseln bei unangemessener Benachteiligung des Arbeitnehmers

Hierbei gibt es für den Arbeitgeber eine Vielzahl von Fallstricken. Liegt bei einer Klausel eine unangemessene Benachteiligung des Arbeitnehmers vor, so sind sämtliche damit verbundenen Klauseln unwirksam. Eine sogenannte geltungserhaltende Reduktion, also das Herausschneiden der einzelnen Klausel bei Gültigkeit des Restes, gibt es nicht, vgl. BAG, Urteil vom 11.04.2006, 9 AZR 610/05, Tz. 17, 33; Urteil vom 14.01.2009, 3 AZR 900/07, Tz. 31.

Einzelfälle der Unwirksamkeit

Es gibt eine Vielzahl von Einzelfällen, weshalb Klauseln unwirksam sind. Es seien nachstehend nur einige Fälle herausgegriffen. Hier seien diese holzschnittartig angedeutet.

Ursache der Beendigung des Arbeitsverhältnisses

Unwirksam sind etwa Klauseln, die nicht klar differenzieren oder lückenhaft sind, aus welchem Grunde das Arbeitsverhältnis beendet wird. Eine Rückzahlungsklausel stellt nur dann eine ausgewogene Gesamtregelung dar, wenn es der Arbeitnehmer selbst in der Hand hat, durch eigene Betriebstreue der Rückzahlungsverpflichtung zu entgehen. Verluste aufgrund von Investitionen, die nachträglich wertlos werden, hat nämlich grundsätzlich der Arbeitgeber zu tragen. Hätte der Arbeitnehmer die in seine Aus- und Weiterbildung investierten Betriebsausgaben auch dann zu erstatten, wenn die Gründe für die vorzeitige Beendigung des Arbeitsverhältnisses ausschließlich dem Verantwortungs- und Risikobereich des Arbeitgebers zuzurechnen sind, würde er mit den Kosten einer fehlgeschlagenen Investition des Arbeitgebers belastet. Sieht eine Vertragsklausel auch für einen solchen Fall eine Rückzahlungspflicht vor, berücksichtigt sie entgegen § 307 Abs.1 Satz 1 BGB nicht die wechselseitigen Interessen beider Vertragspartner, sondern nur diejenigen des Arbeitgebers. Das Gleiche gilt etwa, wenn nicht geregelt ist, was passiert, wenn der Arbeitnehmer dauerhaft arbeitsunfähig wird und er deshalb kündigt.

Dauer der Bindung des Arbeitnehmers

Zugleich müssen die Vorteile der Ausbildung und die Dauer der Bindung in einem angemessenen Verhältnis zueinanderstehen (BAG 14. Januar 2009 – 3 AZR 900/07 – Rn. 18, BAGE 129, 121), der Arbeitgeber darf den Arbeitnehmer daher nicht über einen unangemessenen Zeitraum noch an das Unternehmen binden, indem quasi mit der Androhung einer Rückzahlungspflicht bei Kündigung de facto für den Arbeitnehmer ein Kündigungsverbot entsteht.

Klausel muss klar und nachvollziehbar sein

Eine Rückzahlungsklausel ist nur dann wirksam, wenn sie umfassend, klar und differenziert die Fälle ausführt, in denen eine Rückzahlungsverpflichtung besteht, BAG, Urteil vom 01.03.2022, 9 AZR 260/21. Unklarheiten und insbesondere Lücken in AGB gehen zu Lasten des Verwenders, also des Arbeitgebers.

Arbeitnehmer muss schon bei Vertragsschluss zweifelsfrei erkennen können, was bei einer Kündigung auf ihn zukommt

Eine Rückzahlungsklausel bei Fortbildungskosten muss für den Arbeitnehmer so klar und verständlich formuliert sein muss, dass dieser zweifelsfrei sein Rückzahlungsrisiko abschätzen kann und er bereits bei Vertragsschluss erkennen kann, was ggf. „auf ihn zukommt.“ (Landesarbeitsgericht Niedersachsen, Urteil vom 12.10.2022, 8 Sa 123/22, Tz. 47, 48).

Verletzt eine Klausel dieses Bestimmtheitsgebot, indem sie unklar oder mehrdeutig formuliert ist und Auslegungsspielräume zulässt, so ist sie unwirksam. Die tatbestandlichen Voraussetzungen und Rechtsfolgen einer Vertragsbestimmung müssen so genau beschrieben werden, dass keine ungerechtfertigten Beurteilungsspielräume entstehen. Sinn des Transparenzgebots ist es, der Gefahr vorzubeugen, dass der Arbeitnehmer von der Durchsetzung bestehender Rechte wie z.B. der Kündigung des Arbeitsverhältnisses abgehalten wird (vgl. BAG 24. Oktober 2007 – 10 AZR 825/06 - Rn. 14, BAGE 124, 259; 31. August 2005 – 5 AZR 545/04 - Rn. 45, BAGE 115/372).

Kosten der Fortbildung müssen so differenziert wie möglich aufgeführt werden

Dazu gehört es insbesondere auch, dass die Kosten der Fortbildung zumindest der Größenordnung nach angegeben werden, damit die Klausel den Anforderungen an die Transparenz entspricht. Dem Transparenzgebot ist nur dann genügt, wenn die ggf. zu erstattenden Kosten dem Grunde und der Höhe nach im Rahmen des Möglichen angegeben sind. Dabei ist allerdings zu berücksichtigen, dass die Anforderungen, die an die Transparenz einer Rückzahlungsvereinbarung zu stellen sind, nicht überzogen sein dürfen. Der Arbeitgeber ist nicht verpflichtet, die Kosten der Ausbildung bei Abschluss der Rückzahlungsvereinbarung exakt der Höhe nach zu beziffern. Im Sinne eines Ausgleichs der widerstreitenden Interessen müssen die Angaben jedoch so beschaffen sein, dass der Arbeitnehmer sein Rückzahlungsrisiko abschätzen kann. Dazu sind zumindest Art und Berechnungsgrundlagen der ggf. zu erstattenden Kosten anzugeben. Ohne die genaue und abschließende Bezeichnung der einzelnen Positionen (z.B. Lehrgangsgebühren, Fahrt-, Unterbringungs- und Verpflegungskosten), aus denen sich die Gesamtforderung zusammensetzen soll, und der Angabe, nach welchen Parametern die einzelnen Positionen berechnet werden (z.B. Kilometerpauschale für Fahrtkosten, Tagessätze für Übernachtungs- und Verpflegungskosten), bleibt für den Vertragspartner unklar, in welcher Größenordnung eine Rückzahlungsverpflichtung auf ihn zukommen kann, wenn er seine Ausbildung abbricht. Ohne diese Angaben kann der Vertragspartner sein Zahlungsrisiko nicht abschätzen und bei Vertragsschluss in seine Überlegungen einbeziehen. Zudem eröffnet das Fehlen solcher Angaben dem Arbeitgeber vermeidbare Spielräume (zu allem Vorstehenden BAG 21. August 2012 – 3 AZR 698/10 –, BAGE 143,30-41, Rn. 17 - 20).

Fazit

Haben Arbeitnehmer und Arbeitgeber eine Vereinbarung über die Zahlung von Fortbildungskosten und eine Rückzahlungsverpflichtung für bestimmte Fälle geschlossen, so stellen die entsprechenden Regelungen „Allgemeine Geschäftsbedingungen“ dar und sind kritisch auf ihre Wirksamkeit zu überprüfen. Benachteiligen die Regelungen den Arbeitnehmer unangemessen, so sind sie unwirksam, so dass eine Rückzahlungspflicht nicht besteht.


Foto(s): mir

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