Untersagung mit einem Elektrorollstuhl zu fahren ist unverhältnismäßig- Urteil des VG Stuttgart vom 06.04.2016

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Ebenso wie bei anderen Fahrerlaubnisfreien Fahrzeugen, wie etwa Fahrrädern oder E-Scootern darf ein Elektrorollstuhl nicht im erheblich alkoholisierten Zustand gefahren werden.

Ein Fahrer eines Elektrorollstuhls fuhr in den jahren 1998, 2002 und 2012 mit jeweils einer BAK zwischen 1,66 Promille und 2,0 Promille. Ihm wurde durch Strafbefehle des Amtsgerichts Stuttgart die Fahrerlaubnis jeweils entzogen. Im Jahr 2013 ordnete das Regierungspräsidium Stuttgart die Vorlage eines medizinisch-psychologischen Gutachtens wegen Führens eines Fahrzeugs mit 1,6 ‰ oder mehr und wegen wiederholter Zuwiderhandlungen im Straßenverkehr unter Alkoholeinfluss, an. Am  01.04.2014 wurde ihm nach Nichtvorlage der MPU das Führen von führerscheinfreien Fahrzeugen, wie dem Elektrorollstuhl ohne Begleitperson zu fahren, untersagt. Der Betroffene erhob gegen die Entziehung Klage zum Verwaltungsgericht Stuttgart.

Er gab an aufgrund von Durchblutungsstörungen nicht in der Lage zu sein, Strecken außerhalb seiner Wohnung mit einem handbetriebenen Rollstuhl zu bewältigen.

Das Verwaltungsgericht Stuttgart hielt mit vom Urteil vom 06.04.2016 (Az:  7 K 3756/14) die Klage für begründet. Die Behörde hat den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz im Rahmen des § 3 Abs. 1 der Fahrerlaubnisverordnung (FeV) nicht ausreichend beachtet.

Durch die erteilten Auflagen (Begleitperson zum Führen des Elektrorollstuhls) wird der Aktionsradius des Klägers im Kontakt zur Außenwelt stark eingeschränkt und dem öffentlichen Interesse an der Verkehrssicherheit der Vorrang eingeräumt gegenüber seinem Recht auf freie Entfaltung der Persönlichkeit (VG Stuttgart, Urteil vom 06.04.2016 - 7 K 3756/14)
Der Kläger hatte nach den überzeugenden Feststellungen keine Verwandte in der Nähe, die als Begleitpersonen  übernehmen könnten, und die Finanzierung einer sonstigen Begleitperson war nicht gesichert.

Die Kostentragung für ggf. erforderliche Abstinenznachweise und eine ggf. erforderliche Vorbereitung war nach Feststellung des Verwaltungsgerichts Stuttgart nicht gesichert. Im Rahmen der Verhältnismäßigkeit hatte das Regierungspräsidium nach Ausführungen des VG Stuttgart zu prüfen, wie eine Kostentragung für eine MPU, Abstinenznachweise oder Screenings und eine Vorbereitungsstunde gesichert werden konnten, u.U. auch durch ein Darlehen der Behörde.

Rechtsanwalt und Fachanwalt für Verkehrsrecht und Strafrecht Christian Steffgen ist seit 30 Jahren im Fahrerlaubnisrecht und Verkehrsrecht spezialisiert. Er ist Vertragsanwalt der GTÜ und ihm wurde für besondere Fortbildung das Zertifikat Q verliehen.

Foto(s): Rechtsanwalt Christian Steffgen

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