Verfassungswidrige Videomessung im Straßenverkehr? Umsetzung des Beschlusses des BVerfG
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Mit Beschluss vom 11.08.2009 hat das Bundesverfassungsgericht festgestellt, dass Videoaufnahmen von einer Autobahnbrücke einen Eingriff in das Allgemeine Persönlichkeitsrecht aus Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG in seiner Ausprägung als Recht auf informationelle Selbstbestimmung darstellen. In der Entscheidung wurde von der zuständigen Ordnungsbehörde ein Bußgeld in Höhe von 50,- € und ein Punkteeintrag von 3 Punkten festgesetzt, weil der Beschuldigte im Januar 2006 die zulässige Geschwindigkeit außerhalb geschlossener Ortschaften um 29 km/h überschritten hatte. Die Geschwindigkeitsmessung erfolgte mit dem Verkehrskontrollsystem FKS, wobei auch eine Videoaufzeichnung angefertigt wurde.
Dagegen legte der Betroffene Einspruch ein, u.a. mit der Begründung, dass die Videoaufzeichnung ohne Rechtsgrundlage angefertigt worden sei, da kein konkreter Tatverdacht bestanden hätte und sich somit ein Verwertungsverbot ergebe. Das Amtsgericht Güstrow entschied gegen den Beschuldigten und auch die Rechtsbeschwerde wurde vom OLG Rostock als unbegründet verworfen.
Das Bundesverfassungsgericht gab aber dem Beschuldigten Recht und begründete seine Entscheidung u.a. damit, dass das Recht auf informationelle Selbstbestimmung „die Befugnis des Einzelnen, grundsätzlich selbst zu entscheiden, wann und innerhalb welcher Grenzen persönliche Lebenssachverhalte offenbart werden" umfasse. Jeder hat daher - nach dem Grundgesetz - grundsätzlich das Recht selbst über Preisgabe und Verwendung persönlicher Daten zu bestimmen. Ein Erlass zur Überwachung des Sicherheitsabstandes des Wirtschaftsministeriums Mecklenburg-Vorpommern sei auch keine angemessene Rechtsgrundlage, der einen solchen Eingriff in das Grundrecht rechtfertige, da es sich dabei lediglich um eine Verwaltungsvorschrift handele, die den Anforderungen des Art. 20 Abs. 3 und Art. 97 Abs. 1 GG nicht genügt und kein eingriffsermächtigendes Gesetz darstellt! Daher lag hier ein Beweisverwertungsverbot vor.
(BVerfG vom 11.09.2009, 2 BvR 941/08)Anmerkung:
Diese Entscheidung des Bundesverfassungsgericht sorgte für Wirbel und eine Reihe von Folgeentscheidungen, in denen die Betroffenen in ähnlich gelagerten Fällen freigesprochen wurden (vgl. nur beispielsweise AG Meißen vom 05.10.2009, 13 OWi 705 Js 54110/09; AG Grimma vom 22.10.2009, 3 OWi 151 Js 33023/09; AG Lünen vom 14.10.2009, 16 OWi 225 Js 1519/09). Selbst das OLG Oldenburg folgt mit seinem Beschluss vom 27.11.2009 der Linie des Bundesverfassungsgerichts und hat eine Rechtsbeschwerde der Staatsanwaltschaft Osnabrück gegen einen die neue Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts aufgreifenden Beschluss des Amtsgerichts Bersenbrück als unbegründet verworfen (vgl. Beschluss des OLG Oldenburg vom 27.11.2009, Ss Bs 186/09).
Zwar sind auch dem Bundesverfassungsgericht einige wenige widersprechende Entscheidungen ergangen (vgl. nur beispielsweise Urteil des AG Freiburg vom 25.08.2009, OWi 530 Js11165/09 AK 731/09), doch es ist wohl anzuraten, ab jetzt in jedem Fall ganz genau zu prüfen, ob im konkreten Fall der Videoaufzeichnung ein Grundrechtseingriff vorliegt, der eine Einstellung des Verfahrens verlangt!
Hinweis:
Bitte beachten Sie, dass das oben geschilderte Urteil nicht verallgemeinerungsfähig ist. Vielmehr bedarf es einer genauen Prüfung des Einzelfalls, ob sich Ihr eigener Sachverhalt genau mit dem oben geschilderten Anwendungsfall deckt. Für diesbezügliche Rückfragen stehen wir Ihnen selbstverständlich gerne zur Verfügung. Zudem übernimmt in der Regel eine Rechtsschutzversicherung alle Anwaltskosten und auch die Verfahrenskosten eines Rechtsstreits. Wir informieren Sie auf jeden Fall gern im Voraus zu allen anfallenden Kosten.
Der Autor Sven Skana ist Fachanwalt für Verkehrsrecht, Spezialist für Verkehrs-Unfallrecht sowie Spezialist für Führerscheinangelegenheiten im Betäubungsmittelrecht. Er ist Partner in der Kanzlei Roscher, Johlige & Partner in Berlin-Charlottenburg, Kurfürstendamm 28, 10 719 Berlin, Tel: 030/886 81 505.
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